Wilczynski: "Handball hat immer noch wenig gesellschaftliche Relevanz"

Er war Handball-Nationalspieler, später Manager von Westwien, aktuell ist er Unternehmer mit „Sportbox“ und "Padelzone" und als TV-Experte bei der WM in Porec vor Ort. Und er gilt als kritischer Geist. Der KURIER plauderte mit Conny Wilczynski (42) über...
... den Zustand des heimischen Handballsports: Eine Medaille hat zwei Seiten. Einerseits muss man den Hut ziehen, weil aus wenig Mitteln mit wenigen Handballern sehr viel erreicht wurde. Österreich ist seit 2010 Dauergast bei Großereignissen. Andererseits haben wir keine gesellschaftliche Relevanz erreicht, wodurch man in wichtigen Punkten wie Wirtschaftlichkeit oder Infrastruktur Probleme hat. Den Schritt müssen wir schaffen. Wir sind erfolgreich, aber nicht wirklich groß.
... den internationalen Vergleich: Was möglich ist im Handball sieht man bei Island, Niederlande, Portugal oder Slowenien. Wir haben gute und engagierte Leute, aber wir haben zu viele Inseln. Die Insel der Verbände, der Ligen, der Vereine. Jeder macht für sich gute Arbeit, aber eben auf seiner Insel. Und es gibt nur einen Handball, den es zu vermarkten gibt. Man sollte ihn in der Gesamtheit sehen. Dazu braucht es gröbere strukturelle Änderungen. Ich weiß aber nicht, ob die gewünscht sind. Ähnlich wie bei Teamchef Ralf Rangnick und dem ÖFB.
Video: Ausführliches Interview mit Conny Wilczynski und Thomas Menzl
... das Schrebergarten-Denken im Sport: Es geht uns gut, wir haben in der absolut letzten notwendigen Konsequenz nicht die Konsequenz im Spitzensport. Da geht es um die letzten Prozent. Weil wir es auch teilweise nicht wollen, was menschlich auch nachvollziehbar ist. Das ist so, das ist aber nicht meine Denkweise.
... den Stellenwert von Handball: Von den Erfolgen her ist es ein Hauptsport, von der gesellschaftlichen Relevanz nach wie vor ein Randsport. Leider. Das muss man auch aussprechen dürfen. Eine Trendwende würde drei bis fünf Jahre dauern. Bei der EM 2024 gab es im TV Rekordquoten bei den Österreich-Spielen. Aber was hat sich nachhaltig für den Handball verändert?
Checkpoint mit Hans Niessl, Conny Wilczynski und Peter McDonald
... die Bedeutung von Großereignissen: Die braucht es, um Menschen außerhalb der Handball-Bubble zu erreichen. Aber daneben benötigt es einen länger angelegten Plan. Wir sind im Status des Optimierens, aber wir gestalten noch zu wenig. Ich würde mir wünschen, dass wir in das Gestalterische kommen. Wir optimieren punktuell unsere Inseln. Die werden immer schöner, aber sie werden von sich aus nicht größer. Wir brauchen ein zusammenhängendes Festland.
... die Motivation für junge Handballer: Zum Glück denken junge Kinder beim Sport nicht ans Geld, das kommt vielleicht erst später. Da geht es um Begeisterung, Leidenschaft, Spaß. Für mich selbst war Geld in jungen Jahren nie ein Ansporn, die Überlegungen in Richtung Karriere kommen mit den Jahren. Ich habe auch nie gefragt, warum Fußballer mehr verdienen, auch war ich nicht neidig. Fußball ist ein komplett anderer Markt.
Sporttalk - Wilczynski, Kofler & Möstl (mit Untertitel)
... das politische Bekenntnis in Österreich zum Sport: In der Gesellschaft generell, aber auch in der lokalen und überregionalen Politik ist der Sport ein nettes Beiwagerl. Es wird nicht erkannt, welche Bedeutung der Sport für die Wirtschaft oder die Gesundheit besitzt. Nach wie vor viel zu wenig.
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