Handball-Star Bilyk: "Ich sorge mich um meine Familie in der Ukraine"
Österreichs Teamkapitän hat Familie und Freunde in Kiew und Donezk. Er hält Kontakt, prüft Wahrheiten in den Medien und erinnert sich an unbeschwerte Tage am Schwarzen Meer.
Wenige Stunden bevor in der Ukraine die Bomben und Raketen einschlagen, wähnt sich Nikola Bilyk im siebenten Himmel. Mit seinem Klub THW Kiel hat Österreichs Handball-Teamkapitän im Champions-League-Topspiel am Mittwochabend den französischen Spitzenklub aus Montpellier beim 35:26 teilweise vorgeführt.
Als er Donnerstagfrüh aufwacht, weicht das Glücksgefühl schnell Trauer, Wut und Angst. "Es ist schwer zu fassen, auch wenn die Bedrohung viele Jahre schon allgegenwärtig war", sagt der 25-Jährige zum KURIER.
Man muss wissen: Bilyk, aufgewachsen in Wien-Margareten, hat ukrainische Eltern, die Familie stammt aus Donezk, seine Großmutter und der Taufpate leben noch immer im seit vielen Jahren umkämpften Osten des Landes.
Die Kommunikation mit der Familie funktioniert. "Noch", sagt Bilyk. Die Großmutter sei "überraschend gefasst", sie habe seit Jahren irgendwie damit gerechnet. "Ich sorge mich dennoch um meine Familie und Freunde."
Wenn Nikola Bilyk an die Ukraine denkt, dann hat er unbeschwerte Tage im Kopf. Das Ferienhaus am Schwarzen Meer, den Duft des Essens der Großmutter, die Freundlichkeit der "bodenständigen Leute". Sommer für Sommer verbrachte er dort.
Lang ist das alles her, mehr als zehn Jahre war er nicht mehr im Geburtsland seiner Eltern. Der Vater zog als Handball-Legionär mit der Familie von Land zu Land, ehe man in Wien sesshaft und heimisch wurde. "Ich fühle mich durch und durch als Österreicher, hab' dem Land alles zu verdanken, aber verleugnen kann und will ich meine Wurzel auch nicht", sagt der Weltklassehandballer.
Seit der Annexion der Krim durch Russland sei es schwer gewesen, in die Region um Donezk hinein und wieder hinaus zu kommen. Bilyk: "Du brauchst viele und gute Kontakte, ein Anruf reicht nicht."
Die Anrufe sie sind nun wieder mehr geworden: "Ich will wissen, wie die Lage vor Ort wirklich ist." Er liest besonders viel dieser Tage, österreichische, deutsche, ukrainische und auch russische Nachrichten. "Man erkennt, wie beide Seiten, Russen und Ukrainer, die Wahrheit oft zu deren Gunsten ein bisschen verdrehen oder zuspitzen."
Dieser Konflikt wird uns alle noch sehr lange beschäftigen. Und er wird unser aller Leben auf eine Weise verändern."
von Nikola Bilyk
über den Krieg in der Ukraine
Nikola Bilyk ist nicht sicher, wie es weitergeht, er lässt sich lange Zeit für seine Antworten, nur von einem ist der Wiener überzeugt: "Dieser Konflikt wird uns alle noch sehr lange beschäftigen. Und er wird unser aller Leben auf eine Weise verändern."
Ablenkung kann nicht schaden. Schon am Sonntag kommt Erlangen zum Bundesligaspiel nach Kiel. "Ich liebe Handball, der Sport bedeutet mir so viel. Aber die Familie steht über allem."
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