Wie Österreich die EM-Sensation gegen Deutschland schaffen will
Viertes Spiel, vierter Spielort: Österreichs Fußballerinnen sind die Wandervögel dieser EM. Um im Londoner Verkehrschaos nicht zu viel Zeit im Bus zu verbringen, übersiedelte die Mannschaft schon am Mittwoch aus dem EM-Camp in ein Hotel in der Hauptstadt. Es wird dort im Brentford Community Stadium (21 Uhr, live ORF 1 und im KURIER-Liveticker) gespielt.
"Ja. Córdoba", jubelte mancher Fan, nachdem am Freitag der Aufstieg ins Viertelfinale geschafft wurde. Österreich gegen Deutschland, da schaffte der kleine Bruder bei der WM 1978 die Sensation gegen den großen.
44 Jahre später ist es ein Duell kleine Schwester gegen große. Die Ausgangsposition ist dieselbe. Deutschland ist Favorit, Österreich Außenseiter. Es ist das erste Duell in einem Bewerbsspiel, bislang gab es nur zwei Freundschaftspartien, die 2:4 (2016) und 1:3 (2018) verloren wurden.
"Wir müssen uns auf viel Wucht einstellen. Sie versuchen, sehr hoch zu pressen. Da gilt es, den Spielerinnen Lösungen mitzugeben, um zu Torchancen zu kommen", sagte Teamchefin Irene Fuhrmann. Wie kann also die Sensation geschafft werden? Was spricht für Österreich?
- Teamgeist
Nach dem 1:0 gegen Norwegen sagte Verena Hanshaw: "Nach einer Stunde hat sich die Müdigkeit eingestellt, aber wir haben uns alle überwunden." Auch Carina Wenninger sieht als Grundlage für eine mögliche Sensation möglichst viel Einsatz: "Wir müssen laufen und kämpfen bis zum Umfallen." Aber auch Deutschlands Teamchefin Martina Voss-Tecklenburg hat nach den Enttäuschungen bei der EM 2017 und der WM 2019 (jeweils Aus im Viertelfinale) eine eingeschworene Truppe zusammengeschweißt.
- Laufleistung
Die wird bei der Hitze besondere Überwindung fordern. Aber für Österreich ist sie ein Schlüssel zum Erfolg. Keine ist sich zu schade, um für die andere zu laufen. In der Vorrunde waren Zadrazil, Feiersinger und Hanshaw unter den fünf laufstärksten Spielerinnen. Mit 344 ist Österreich N. 1 unter den 16 Teams. Aber Deutschland findet sich auf Platz drei mit 338,2 Kilometern. Allerdings konnte Deutschland mehrere Stammspielerinnen schonen. Vor allem gegen das spielstarke Spanien zeigten die Deutschen die österreichische Lauftugend.
- Emotion
Auch in Deutschland ist man von den Frauen begeistert. "Herz gegen Herz" nannte Joti Chatzialexiou, der Leiter Nationalmannschaften beim DFB, das Duell. Und Frankfurt-Verteidigerin Sara Doorsoun stichelte in Richtung Österreichs emotionaler Feiern: "Es geht nicht darum, wer besser feiert, sondern wer auf dem Platz besser spielt."
- Nachbarschaft
Dass man den Gegner in- und auswendig kennt, ist ein Vorteil für den Außenseiter. So übte sich die deutsche Teamchefin in Geheimniskrämerei. "Ich kann nicht so viel verraten, denn die können auch Deutsch", begründete Martina Voss-Tecklenburg.
- Defensive
Österreich hat erst ein Tor kassiert, Manuela Zinsberger konnte kaum zeigen, dass sie diese Saison eine der besten Torfrauen in England war. Aber auch Deutschland hat hinten Qualitäten und hat noch kein einziges Gegentor erhalten. Torfrau Merle Frohms rettete gegen Spanien in entscheidenden Momenten mit großartigen Paraden.
- Effektivität
Hier muss bei Österreich eine Steigerung her. Gegen England kreierte man zu wenige Chance, gegen Nordirland vergab man sie, gegen Norwegen versäumte man eine Vorentscheidung.
Noch mehr als bei den Männern ist die deutsche Bundesliga für die Frauen Anlaufstation Nummer eins. Mit Annabel Schasching, Isabella Kresche und Stefanie Enzinger spielten nur drei der 23 EM-Spielerinnen nie in Deutschland.
Sarah Zadrazil und Carina Wenninger (sie spielt nächste Saison in Rom) treffen auf sieben Teamkolleginnen von Bayern München (Hegering, Gwinn, Lohmann, Dallmann, Bühl, Magull, Schüller).
Bei Eintracht Frankfurt waren diese Saison neun Spielerinnen engagiert, vier aus Österreich (Virginia Kirchberger, Verena Hanshaw, Barbara Dunst und Laura Feiersinger) sowie fünf aus Deutschland (Frohms, Kleinherne, Doorsoun-Khajeh, Freigang, Anyomi).
Es gibt noch ein weiteres klubinternes Duell, weil Katharina Naschenweng, Celina Degen (ab Sommer Köln) und Nicole Billa auf Jule Brand (ab Sommer Wolfsburg) treffen.
Wolfsburg dominiert
Im deutschen Kader stellt Wolfsburg acht und somit die meisten Spielerinnen. Allerdings spielt beim aktuellen deutschen Meister keine Österreicherin.
Bei Bremen spielt Katharina Schiechtl, bei Sand Marina Georgieva, und Cottbus verlieh Maria Höbinger an den FC Zürich. Köln holt nach der EM drei Österreicherinnen: Jasmin Pal (aus Sand), Sarah Puntigam (aus Montpellier) und Celina Degen.
Deutschland-Vergangenheit haben Lisa Makas (Freiburg, Duisburg), Jasmin Eder (Bayern München, Cloppenburg, St. Pölten), Laura Wienroither (im Winter von Hoffenheim zu Arsenal), Manuela Zinsberger (jetzt Arsenal, davor Bayern München) und Viktoria Schnaderbeck (zuletzt Tottenham, davor Bayern).
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