TV-Experte Freund vor der WM: "Ich weiß nicht, wie das enden soll"

Steffen Freund weiß, wovon er spricht. Der 52-Jährige gewann als aktiver Spieler mit Dortmund die Champions League und mit Deutschland die Europameisterschaft. Für Servus TV ist er als einer von drei Experten bei der WM mit von der Partie, allerdings nicht vor Ort, sondern im Salzburger Studio. Dennoch steigt bei Freund die Vorfreude auf das Turnier.
KURIER: Verspüren Sie eine Vorfreude auf Katar wie bei jedem anderen WM-Turnier?
Steffen Freund: Rein sportlich gesehen weiß ich, dass die großen Turniere für jeden etwas Besonderes sind. Für mich als Experten gilt das genauso. Darauf freue ich mich genauso wie früher in anderen Funktionen.
Wie groß ist für Sie der Beigeschmack vor der WM in Katar?
Eigentlich möchte ich jetzt, so kurz vor dem Turnier, nicht mehr darüber sprechen. Ich habe immer gesagt, dass es eine falsche Entscheidung war, weil es in Katar keine Fußball-Tradition gibt. Damals hat keiner die FIFA gestoppt, daher brauchen wir jetzt auch nicht mehr damit anfangen.

Als Experte haben Sie bei dieser WM mehr Vorbereitungszeit als die meisten Spieler.
Das sind die Folgen der Entscheidung von 2010. Die Spieler müssen das annehmen, die Belastungen sind extrem hoch. So gehst du eben mit einer Woche Vorbereitung in das Turnier. Der Terminkalender ist hart.
Wohin führt der Trend? Gibt es eine Umkehr?
Jetzt merken alle: Man kann den Kader größer machen, aber Verletzungen bleiben nicht aus. Denn alle wollen die beste Elf sehen. Quer durch die Ligen sind alle an der Grenze, was das Physische betrifft. Und die WM fordert alle nun auch mental. Diese Entwicklung sollte gestoppt werden. Wenn du nur noch englische Wochen hast, dann haben wir irgendwann immer nur dieselben Mannschaften, die weit kommen. An der nächsten WM 2026 nehmen 48 Nationen teil, da gibt es 16 Dreiergruppen in der Vorrunde. Wo soll das hinführen? Das versteht doch irgendwann der Fan nicht mehr. Es gibt immer mehr Spiele und Geld, es wird alles zugelassen und nichts dagegen getan. Daher sehe ich keine Trendumkehr. Ich weiß nicht, wie das enden soll.
Nimmt man damit dem Fußball das Besondere?
Sicherlich. Es wird immer mehr verändert, um mehr Spiele zu ermöglichen und Geld zu kassieren. Am Ende wird es so inflationär, dass es vielleicht irgendwann kippt, was das Interesse betrifft.
Im alten Rom gab es auch Brot und Spiele.
Ja. Wenn man ein wenig größer werden würde, dann ist das okay. Aber wir machen hier mehrere Schritte auf einmal. Nur die Verbände können das stoppen, und die tun es nicht.
Sie setzen beim WM-Tipp auf Argentinien. Warum?
Vorhersagen sind schwierig. Es gibt Nationen, die vielleicht irgendwann wieder dran sind. Aber es muss bei so einem Turnier einfach vieles passen. Wer Weltmeister werden will, muss als Team auftreten. Argentinien hat viele erfahrene Spieler.
Schwingt Fußball-Romantik mit, wenn Lionel Messi noch dem WM-Titel holen würde?
Wenn es romantisch sein soll, dann möchte ich, dass Deutschland weit kommt. Aber Messi war in der Vergangenheit der Beste, und Argentinien hat es mit dem Gewinn der Copa América bewiesen.
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