Tod von Trainer-Legende Osim: Der Schweiger ist für immer verstummt

Tod von Trainer-Legende Osim: Der Schweiger ist für immer verstummt
Mit Ivica Osim verliert der Fußball eine der außergewöhnlichsten Trainer-Persönlichkeiten. Mit Sturm Graz prägte er eine Erfolgsära.

Er war das Gesicht des Erfolges der wohl besten Sturm-Mannschaft der Geschichte.

Sein Name stand für eine glorreiche Fußball-Zeit in Graz.

Mit Ivica Osim verlor Österreichs Klubfußball am Sonntag eine der schillerndsten Persönlichkeiten. Der "Strauß von Zeljo" starb Sonntagfrüh in seiner Wahlheimat Graz kurz vor seinem 81. Geburtstag, den er am 6. Mai gefeiert hätte. Es mag nur Zufall sein, dass Ivica Osim ausgerechnet am Tage des 113. Geburtstages "seines" SK Sturm für immer abtreten musste.

Nicht nur in seiner bosnischen Heimat, auch in seinem zweiten Zuhause Graz, wo ihm bis zuletzt bei Spielen oft ein großer Empfang bereitet wurde, genoss Ivica Osim Legendenstatus. Sturm Graz übernahm er 1994 als Mittelständler, der neuformierte und extrem verjüngte Klub hatte die Vorsaison als Siebenter beendet, ehe Osim den Kroaten Milan Djuricic ablöste.

Der nicht unbedingt für Gefühlsausbrüche bekannte und stets sachliche Osim hatte sofort Erfolg, punktegleich mit Meister Casino Salzburg beendete man die erste Saison auf Platz zwei.

Star-Schmid

Osim fand sofort Draht zu seinen Spielern, entwickelte nicht nur ein Team, sondern auch begnadete Individualisten. Ivica Vastic’ Stern ging unter Osim auf, Mario Haas bekam schon bald den Spitznamen „Bomber“ und Hannes Reinmayr, wie Vastic schon als schlampiges Genie abgestempelt, trug ebenso zum Erfolg bei. Das „magische Dreieck“ war geboren. 1996 wurden die Sturm-Fans endlich mit dem ersten Titelgewinn belohnt, die „Schwarz-Weißen“ sicherten sich den Cupsieg, dem man 1997 und 1999 in der Ära Osim zwei weitere folgen ließ.

Ewig in Erinnerung werden die beiden ersten Meisterschaften 1998 und 1999 bleiben. Unvergessen die Bilder des überschwänglich feiernden Präsidenten Hannes Kartnig mit dem von ihm geholten Trainer Osim, der einem das Gefühl vermittelte, dass ihm die Liebkosungen seines „Chefs“ unangenehm seien. Es hatte fast ein wenig den Eindruck, als wäre es seine Pflicht gewesen, erfolgreich zu sein.

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Fußball war sein Leben. Der Horizont des studierten Mathematikers und Philosophen war immer breit und doch auf ein 105 Meter langes und 68 Meter breites Rechteck konzentriert. „Jeder Tag ohne Training ist ein verlorener Tag“, sagte Osim schon am ersten Tag in Graz zu seinen Spielern, erinnert sich Mario Haas. Nach diesem Prinzip lebte er. Auf zwei Bildschirmen schaute er bis zuletzt noch zeitgleich Fußball-Matches, obwohl er die fortschreitende Kommerzialisierung seines Spiels zutiefst bedauerte. „Der heutige Fußball ist FIFA und Real Madrid. Alles geht ums Geld. Schade.“

Euphorisch war Osim auch nicht, als die Grazer dreimal in die Champions League einzogen – auch nicht, als 2000/’01 vor Galatasaray, Monaco und den Glasgow Rangers die Gruppe gewonnen wurde. Er verlor nie die Bodenhaftung. Als sich die Klubführung der Maßlosigkeit bei Spielereinkäufen verschrieb und Osim mehr und mehr mittelprächtige Legionäre zur Verfügung hatte (wie etwa den 2001 um 54 Millionen Schilling geholten Rekord-Flop Charles Amoah), warf er 2002 das Handtuch und verließ an Platz zwei jenen Ort, an dem ihn sein ehemaliger Mitspieler bei Racing Straßburg, Sturm-Manager Heinz Schilcher, geholt hatte.

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Verlorenes Lächeln

Osim war der allerletzte Teamchef eines zerfallenden Jugoslawiens, der größte Erfolg mit dem Nationalteam war das Erreichen des Viertelfinales bei der WM 1990. Am 23. März 1992 sah er nach dem Länderspiel gegen die Niederlande das Unheil kommen, seine Stadt Sarajevo lag in Trümmern. Unter Tränen verkündete er kurze Zeit später seinen Rücktritt: „Das ist das Einzige, das ich für die Stadt tun kann, damit ihr euch auch daran erinnert, dass ich in Sarajevo geboren wurde. Und ihr wisst, was dort geschieht.“

Das gemeinsame Jugoslawien wollte unter dieser Flagge nie wieder zusammenspielen. Und das Trauma des Krieges sollte Osim sein ganzes Leben lang verfolgen, den Nationalismus verstand er nie, bis zuletzt stand er für Toleranz. „Ich habe damals mein Lächeln verloren“, gestand er Jahre später. Auch ein Mitgrund für seine stets zurückhaltende Art.

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2009 wurde Ivica Osim zum 100-jährigen Bestehen zum Sturm-Trainer des Jahrhunderts gewählt. Nicht nur deshalb betonte Osim immer wieder, dass Graz „zu meiner zweiten Heimat geworden ist.“

Ein Mann der vielen Worte war Osim nie. Wohl aber ein Mann der großen Taten. „Fußball ist leicht“, fand er, „und alles, was leicht ist, ist auch schwer.“

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