Wer ein bekanntes Gesicht hat und völlig unerkannt reisen möchte, der muss sich heutzutage offenbar einen Privatjet leisten. So weit wollte der Österreichische Fußball-Bund dann doch nicht gehen, als er Peter Schöttel am Montag in eine Maschine Richtung Manchester setzte. Der Sportdirektor auf dem Weg nach England? Ohne Zweifel, wie ein Augenzeuge, der im selben Flieger saß, dem KURIER bestätigte.
Für ein Abenteuer zum Champions-League-Hit zwischen Manchester City und Atlético Madrid hat Schöttel keine Zeit. Der Wiener ist im Moment nur damit beschäftigt, einen neuen Teamchef zu finden – und ist dabei offenbar nicht gewillt, kleine Brötchen zu backen. Und obwohl der ÖFB ein Treffen dementiert, der KURIER ist sich sicher: Schöttel reiste nach Manchester, um mit Ralf Rangnick zu sprechen.
Ralf Rangnick als österreichischer Teamchef? Wie soll sich das ausgehen? „Geld steht nicht immer an erster Stelle“, sagt ein Mann zum KURIER, der den Deutschen seit vielen Jahren kennt und mit ihm gearbeitet hat.
Zum einen, weil Rangnick davon schon einiges verdient hat als Trainer von Stuttgart, Hannover, Schalke, Hoffenheim, Leipzig und Manchester United, sowie als Sportchef und Berater bei Red Bull und Lok Moskau.
Lebensqualität
Zum anderen, weil für den Starcoach und Mastermind des Pressing-Stils mittlerweile Lebensqualität eine wichtige Rolle spielt. Der Schwabe lebt in der Nähe von Stuttgart. Dass er nicht mehr unbedingt täglich als Klubtrainer auf dem Platz stehen muss, hat er mehrfach betont.
Aktuell macht er diesbezüglich eine Ausnahme, weil er die Chance hat, mit Manchester United einen der größten Klubs der Welt zu trainieren. Geplant ist, dass Rangnick bei den Red Devils ab Sommer nur noch als Berater tätig ist. Der Verdacht, seinen Stil gegenüber anders denkenden Stars nicht durchzubringen, könnte den Deutschen dazu bewegen, der Insel im Sommer den Rücken zuzukehren.
Denn für eines ist Ralf Rangnick nicht bekannt: Kompromisse. „Als Trainer musst du dir im Klaren darüber sein, wie du spielen willst. Damit meine ich nicht: ein bisschen hiervon, ein bisschen davon. Ein bisschen Pressing ist wie ein bisschen schwanger. Entweder spielst du Pressing, oder du lässt es bleiben“, referierte Rangnick kürzlich.
Fakt ist: Mit Cristiano Ronaldo und Co. lässt sich in Manchester nur ein bisschen Pressing – also keines – spielen. Anders verhält sich das im ÖFB-Team, dessen Spieler Rangnick nur zu gut kennt. Entweder, weil sie im vergangenen Jahrzehnt durch die Red-Bull-Schule gegangen sind, oder weil er ihnen als Gegner begegnet ist.
Ein Wegbegleiter Rangnicks ist darüber hinaus Christoph Freund. Salzburgs Sportdirektor sitzt in der Sportkommission des ÖFB, berät Schöttel in der Teamchef-Suche und hat auch den Kontakt zu Rangnick hergestellt.
Ob es Zufall ist, dass der ÖFB für Freitag spontan eine Präsidiumssitzung einberufen hat? Mitnichten.
Dass ihn der weniger intensive Teamchef-Job grundsätzlich reizt, betonte Rangnick erst, als er vor einem Jahr als Kandidat beim DFB gehandelt wurde: „Das ist eine Stelle, die niemanden in Deutschland kalt lässt“, sagte er. Bekommen hat sie Hansi Flick.
Bleibt die charmante Chance, mit dem kleinen Österreich und Spielern, die zwar nicht besser sind, jedoch Rangnick besser ins Konzept passen als jene seines Heimatlandes, bei der EM 2024 für Furore zu sorgen – in Deutschland.
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