Steuersünder Hoeneß verliert sein Gesicht

ARCHIV - Bayern Präsident Uli Hoeneß liest am 06.11.2010 die Aufstellung vor dem Spiel Borussia Mönchengladbach - FC Bayern München in Mönchengladbach. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Per Selbstanzeige habe Hoeneß die Untersuchungen persönlich initiiert, schrieb das Nachrichtenmagazin «Focus» in einer Vorabmeldung und berief sich auf Oberstaatsanwalt Heidenreich und Hoeneß selbst. Foto: Bernd Thissen/dpa (zu dpa-Korr.: «Steuerermittlungen gegen Bayern-Präsident Hoeneß nach Selbstanzeige» vom 20.04.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Das Image des Bayern-Präsidenten und Mister Perfect ist angekratzt.

Natürlich will ich Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Wenn es um Geld geht, muss man auch mal zufrieden sein.“

Uli Hoeneß, 2011 im Magazin Brand Eins.

„Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern.“ Uli Hoeneß, 2005 in der Bild-Zeitung.

„Ich bin kein Besserwisser, sondern ein Bessermacher.“

Uli Hoeneß, 2010.

Das hat er nun also davon. Jetzt, da Uli Hoeneß von seiner Vergangenheit eingeholt wird, fliegen dem Mister Perfect des FC Bayern München auch seine Sinnsprüche und Statements um die Ohren. Als hätten seine Kritiker nur darauf gewartet, dass der allmächtige und allwissende Präsident des deutschen Fußball-Rekordmeisters einmal ein Foul begeht.

Das Foul, das Uli Hoeneß nun angelastet wird, ist ein schweres. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung – nicht in seiner Funktion als Bayern-Boss, sondern in seinem Brotberuf als Wurstfabrikant.

Zehn Millionen Euro, so berichten deutsche Medien, soll Hoeneß in den vergangenen Jahren außer Landes geschafft haben, auf ein Konto in der Schweiz. Laut Informationen der Bild am Sonntag soll der 61-Jährige mittlerweile knapp sechs Millionen Euro beim Finanzamt abgeliefert haben.

Was für Hoeneß aber weit schlimmer wiegt als die Strafzahlung ist der Imageverlust, den er durch diese Steueraffäre erlitten hat. Das öffentliche Bild des streitbaren Vordenkers mit hohen Wertvorstellungen über den Fußball hinaus muss nun womöglich ganz neu gezeichnet werden.

Hoeneß, der einen Rücktritt bei den Bayern ausschließt, bekommt jedenfalls bereits Gegenwind zu spüren. „Mich enttäuscht, dass jemand wie Hoeneß, der Leistung, Disziplin und Geradlinigkeit unerbittlich wie kaum ein anderer fordert, beim Steuerzahlen Anspruch und Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung bekommt“, sagt Norbert Walter-Borjans, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen.

Der aufsehenerregende Steuerfall von Uli Hoeneß wird voraussichtlich zur Dauer-Affäre. Über die Länge der Untersuchungen machte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich am Montag noch keine Angaben. Nachdem er einen Rücktritt von seinen Ämtern beim deutschen Rekordmeister ausgeschlossen hatte, will auch Hoeneß selbst nicht für weitere öffentliche Aufklärung sorgen. Stattdessen geht der 61-Jährige in die Offensive.

Zwei Tage, nachdem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bekannt geworden waren, drohte Hoeneß Medien mit juristischen Schritten. "Gegen die Exzesse in einigen Berichterstattungen werde ich mich anwaltschaftlich zur Wehr setzen", sagte er im Münchner Merkur (Montag). Einer Münchner Zeitung kündigte der frühere Bayern-Manager an: "Für die wird das richtig teuer."

Mit Spannung wird der angekündigte Besuch von Hoeneß am Dienstag in der Allianz Arena beim Halbfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Barcelona erwartet. Äußerungen zum schwebenden Verfahren soll es dabei allerdings nicht geben: "Ich werde einige Wochen ins Land ziehen lassen, ehe ich mich äußere", erklärte Hoeneß.

Untersuchungsdauer offen

Dennoch wird der Fall die Münchner wohl noch für längere Zeit begleiten. "Das lässt sich rein zeitlich sehr schwer einschätzen, das hängt immer von der Fallgestaltung ab", sagte Staatsanwalt Heidenreich über das mutmaßliche Ausmaß der Ermittlungen. "Es müssen viele Dinge geprüft werden."

Heidenreich bestätigte, dass die juristische Maßnahme durch eine Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten im Jänner aufgenommen worden sei. Zu Details, Summen oder einer angeblich erfolgten Hausdurchsuchung machte er keine Angaben. "Zu Einzelheiten möchten wir uns nicht äußern." Auch aus dem Bayern-Aufsichtsrat gab es zunächst keine Äußerung über den Vorsitzenden des Gremiums.

Süddeutsche Zeitung: "Ohnehin war das Bild, das sich die meisten von Hoeness machten, immer schon seltsam widersprüchlich - und jetzt gibt es noch den ganz anderen Hoeness: den Steuerbetrüger, der Integrität gepredigt und den Staat jahrelang betrogen hat. Ebenso wie viele andere Hinterzieher liess er Amnestien verstreichen, verpasste mehrere Gelegenheiten und pokerte bis zuletzt. Im Vorjahr hat Hoeness, der bei Jauch davor warnte, dass die Reichen im Fall einer Reichensteuer nach Österreich oder in die Schweiz ziehen könnten, wohl auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen gesetzt. Ende vorigen Jahres aber war klar: Dieses würde nicht zustande kommen. Es scheiterte am Widerstand von Rot-Grün, und dabei ging es der Opposition neben Politik um jene Gerechtigkeit, die Hoeness auch gerne einfordert."

Spiegel: "Uli Hoeness - ein Steuerhinterzieher? Derselbe Uli Hoeness, der bereitwillig und grosszügig notleidenden Klubs wie dem FC St. Pauli, gar Borussia Dortmund, finanziell geholfen hat? Derselbe Uli Hoeness, der für sein besonderes soziales Engagement mehrfach ausgezeichnet wurde? Dieser wortgewaltige Kritiker der Korruption im Weltfussballverband Fifa? Man mag es nicht glauben. Wenn aber das stimmt, was Focus und Abendzeitung recherchiert haben, wenn wahr ist, dass er Abermillionen Euro wissentlich am Fiskus vorbeischmuggelte; wenn es auch wahr ist, dass Hoeness bereits im Januar Selbstanzeige erstattete - in der Zeit, als ihm die Öffentlichkeit nach dem Guardiola-Deal Kränze geflochten hat; wenn all das stimmt: Dann ist von diesem schönen Bild nicht mehr viel übrig. Zumal in diesem Ausmass, ist Steuerhinterziehung eine kriminelle Handlung. Nichts anderes."

Bild-Zeitung (Berlin): "Für mich hätte es zu dieser Meldung nur noch eine mögliche Steigerung gegeben: Papst beim Diebstahl erwischt! Natürlich leben wir in einem Rechtsstaat und natürlich muss dem Bayern-Präsidenten erst einmal ein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Aber bin ich naiv, wenn ich denke: Wer eine Selbstanzeige einreicht, der weiß, dass er sich strafbar gemacht hat?!? Gleichgültig, wie diese schlimme Geschichte ausgehen mag: Uli Hoeneß bleibt ein großer Fußball-Manager, aber er ist ab sofort nicht mehr die moralische Instanz im deutschen Fußball. Für mich, der ihn seit vielen Jahren kennt und ihn - wie Millionen andere - bewundert, ist dies total traurig."

Münchner Merkur: "Viele hätten sich Uli Hoeneß sogar als Bundespräsidenten vorstellen können, allemal als besseren Politiker als die, die wir in Deutschland haben. Der Mann galt nicht nur als Macher des FC Bayern, ihm wurde überragende Kompetenz in fast allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zugeschrieben, in Talkshows hatte seine Stimme Gewicht. Jetzt bewegen sich die Gefühle der Menschen für Uli Hoeneß zwischen Mitleid und Verachtung. Ein Absturz aus dem Nichts, ohne Vorzeichen - und mit noch nicht vorhersehbaren Folgen. Mit der Steuerlüge hat Hoeneß' mächtige Stimme die Glaubwürdigkeit verloren. Ein Mensch wie Uli Hoeneß wird unter dieser bitteren Erkenntnis leiden."

Saarbrücker Zeitung: "Da muss sich einer lange Zeit sicher gefühlt haben, weil er im Freistaat politisch stets protegiert worden ist. Hoeneß hat aus seiner Liebe zur CSU nie einen Hehl gemacht. Im Gegenzug hat die Partei den Ex-Fußballer als Galionsfigur benutzt. Das mag alles koscher gewesen sein. Doch der Landtagswahlkampf könnte trotzdem eine spannende Wendung nehmen. (...) Während Topverdiener ihr Vermögen unbehelligt in Finanzparadiesen verstecken können, wird bei Hartz-IV-Familien das Geld aus Ferienjobs der Kinder auf die Stütze angerechnet. Die Argumentation mag populistisch klingen. Doch das trifft die Stimmung, die sich zunehmend im Land breit macht. Jetzt auch dank Uli Hoeneß."

Donaukurier (Ingolstadt): "Er ist der Lenker und Denker hinter der Erfolgsgeschichte des FC Bayern, und nebenbei profilierte er sich als gesellschaftliche und moralische Instanz: als Grantler mit großem Herz, als Mann offener und mutiger Worte sowie als unbestechlicher Levitenleser - anderen den Marsch zu blasen, das war sozusagen seine Paraderolle. Damit dürfte es nun vorbei sein. Wie auch immer die Angelegenheit ausgeht, sie wird Hoeneß' Glaubwürdigkeit und Integrität schwer beschädigen. Die Fallhöhe ist immens. Dem guten Menschen von der Säbener Straße droht das gesellschaftliche Abseits."

Kölner Stadt-Anzeiger: "Uli Hoeneß ist ein CSU-Mann und erklärter Fan der Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber im Zweifel, so schien es, immer auf der Seite der Schwachen und Bedürftigen. Dieses Bild des konservativen Gutmenschen mit der unzerstörbaren Lebensleistung ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Über die rechtlichen Konsequenzen des Steuerbetrugs, den Hoeneß vermutlich erst selbst aufdeckte, als er keinen anderen Ausweg mehr sah, müssen Gerichte entscheiden. Das moralische Urteil kann jeder für sich selbst fällen."

Berliner Zeitung: "Ja, der Schaden, den Uli Hoeneß mit seiner Habsucht angerichtet hat, ist immens. Für ihn selbst, weil er das von ihm energisch gepflegte Image vom Vorzeigedeutschen nicht nur befleckt, sondern ad absurdum geführt hat. Für seinen Verein, den er als tugendhaftes Vorbild immer wieder gegen das Böse in der Fußballwelt ins Feld führte, nun aber mit entsprechenden Kontern rechnen muss. Aber auch für den deutschen Fußball, für dessen gute Reputation der so unglaublich integre Uli Hoeneß in den vergangenen Jahren als Symbolfigur immer wieder ins Licht gestellt wurde."

Mitteldeutsche Zeitung (Halle): "Natürlich hat der Steuerfall Hoeneß erst einmal eine wirtschaftliche und politische Dimension. Dennoch wird er nicht ohne Auswirkungen auf dem Sport bleiben. Der Marken-Kern des Fußball-Funktionärs Uli Hoeneß ist der erhobene Zeigefinger, das Mahnen und Meckern, das man ihm nur abnimmt, weil seine moralische Integrität und sein soziales Engagement außer Frage stehen. Doch den Moralapostel wird Uli Hoeneß nun nicht mehr glaubwürdig geben können. Und das muss am Ende Konsequenzen haben: Entweder er zieht sich aus seinem Präsidentenamt beim FC Bayern zurück. Oder er verändert die Art seines öffentlichen Auftretens. Egal, was passiert. Uli Hoeneß ist geschwächt. Und für den Fußball kann das nicht gut sein."

Frankfurter Neue Presse: "Hoeneß war wegen der auf solider Finanzgrundlage errungenen Erfolge des FC Bayern, aber auch als moralische Instanz, deren Wort galt, im gesellschaftlichen Ansehen ganz oben angekommen. Umso größer ist jetzt die Fallhöhe. Demselben Staat, den er angriff, weil er sich zu wenig um die Bildung und Erziehung der Jugend kümmert, hat er viele Millionen entzogen, mit denen Schulen hätten gebaut werden können. Diese Doppelmoral teilt Hoeneß sicher mit vielen, die sich an gehobenen Stammtischen über den allgemeinen Werteverfall und unfähige Politiker und vielleicht sogar die Gier der Finanzmärkte aufregen, aber ihre eigene gierige Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt betrachten. Das macht den Fall Hoeneß aber nicht besser. Als moralische Instanz und als gesellschaftliches Vorbild ist er wohl erledigt."

Schweiz

Blick: "Uli Hoeness gefällt sich als moralische Instanz. Der Gutmensch verweist gerne auf sein soziales Engagement. Und er zeigt gerne, polternd und mit rotem Kopf, mit dem Finger auf die anderen. Und hält dabei mit markiger Kritik nicht zurück. Ein Lieblingsopfer ist der Weltfussballverband Fifa. Filz und Korruption sind die Stichworte dazu.Jetzt ist der Lack bei Hoeness selber weg. Der Bayern-Boss soll Hunderte Millionen auf Schweizer Konten bunkern. Die juristische Aufarbeitung dieses Skandals ist die eine Sache. Die moralische Komponente die andere. Mit Verständnis wird Hoeness in der Öffentlichkeit nicht rechnen können. Die Frage, ob er als Präsident von Bayern noch tragbar ist, wird bald gestellt. Zerstört Hoeness sein Lebenswerk? Was er dringend tun muss: sich erklären und jene Transparenz schaffen, die er überall einfordert. Denn jetzt geht es für ihn um die Wurst."

Tages-Anzeiger: "Bis jetzt war er der erhobene Zeigefinger des deutschen Fußballs - doch nun richten sich die Zeigefinger auf ihn selbst."

Neue Zürcher Zeitung: "Uli Hoeneß stürzt von der Kanzel des Moralpredigers. Der Bayern-Präsident ist aufgetreten wie 'ein Sittenprediger, der die Leute Mores lehrt'".

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