Warum die Wett-Mafia leichtes Spiel hat

In den Fängen der Wett-Mafia: Der Ex-Grödiger Taboga.
Ist Österreichs Fußball für die Wetti-Tant’? Warum die Bundesliga Spielwiese für Paten ist und welche Lehren man aus der Causa Taboga ziehen kann.

Auch wenn Liga-Chef Hans Rinner den Wettskandal gern kleinredet, ist die Betroffenheit groß. Sechs Verhaftungen, 31 Spieler unter Verdacht – angesichts dessen sagte auch ÖFB-Chef Leo Windtner: „Ich bin vom Ausmaß betroffen.“ Sein Vorgänger, Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler, warnt: „Dass die Wett-Mafia Österreich auf dem Radarschirm hat, war klar. Wir kennen die Netzwerke und wissen, dass kein Land davor sicher ist, in die Fänge der Wett-Mafia zu geraten. Das Ausmaß in Österreich ist schockierend.“

Gewerkschafter Gernot Zirngast fordert: „Man muss den Fußball schützen.“ Wie kann das gehen? Wo sind die Brennpunkte? Und wo die Ansätze, um Österreich vom Generalverdacht der Bestechlichkeit zu befreien?

Welche Rolle spielen die vielfältigen Wettangebote als Manipulationschance?

Erster Einwurf, Elfmeter in den letzten zehn Minuten – im Wettbüro und Internet ist fast alles möglich. Was auch die Manipulationschancen erhöht. Rinner sagt: „Wir wollen Ereigniswetten unterbinden.“ Liga-Jurist Christian Ebenbauer vermutet bei der Causa Taboga: „Es handelte sich fast ausschließlich um Ereignis- und Handicapwetten.“ Stickler fordert: „Wetten auf Jugendspiele müssen raus aus dem Programm.“

Wie können Vereine als Arbeitgeber auf die Spielerpersönlichkeiten einwirken?

Windtner sagt: „Es können die Klubs darauf schauen, ob die Spieler ihre Zeit sinnvoll verbringen. Der Angestellte muss ja nicht nur für die Trainings zur Verfügung stehen.“ Und er verweist auf die Akademien: „Dort ist die Persönlichkeitsbildung ein zentraler Ausbildungsschwerpunkt. “

Wie weit wirkt sich das Einkommen der Fußballer auf ihre Empfänglichkeit für manipulative Verlockungen aus?

Hier gehen die Meinungen auseinander. Seit 2008 gibt es einen Kollektivvertrag samt Mindestgehalt. Die 1000 Euro brutto wurden um zehn und um vier Prozent erhöht. Jurist Ebenbauer behauptet: „Von rund 500 Bundesliga-Spielern bekommen nur neun den Mindestlohn.“ Zirngast pocht auf eine Erhöhung des Mindestgehalts oder die Einrichtung eines Vorsorgefonds. Rinner widerspricht: „Die bisher bekannten Verdächtigen haben viel Geld verdient. Das Einkommen hat mit den Manipulationen nichts zu tun.“ Laut KURIER-Informationen hat einer der Hauptverdächtigen zuletzt im Schnitt 4000 Euro netto pro Monat verdient, davon allerdings schon 2000 Euro für die Wohnungsmiete aufgewendet.

Ist das Format mit zwei Zehnerligen ein Problem?

Die zweite Leistungsstufe ist in der Causa Taboga stärker ins Zwielicht geraten. Rinner vermutet „Zufall. Das hat nichts mit dem Ligenformat zu tun.“ Allerdings mehren sich die Indizien, dass sich 20 Profiklubs mit seriöser Finanzierung nicht ausgehen. Eine Liga mit 16 Teams wäre eine Alternative.

Sind Spieler von Vereinen, die besonders kreativ entlohnen, anfälliger?

Über Schwarzgeld wird in der Liga offiziell nicht geredet. Rinner sagt: „Ich habe Vertrauen in das Lizenzierungsverfahren. Dadurch hat sich schon vieles verbessert.“ Dennoch: Die anhaltenden Gerüchte über Schwarzgeld-Verträge bei einzelnen Klubs werden auch durch geahndete Lizenzverstöße belegt. Außerdem gibt es Vereinspräsidenten, die bereits wegen Steuerdelikten verurteilt worden sind. Ein Insider meint: „Wenn sich ein Spieler auf einen Schwarzgeld-Vertrag einlässt, zeigt das ein Maß an vorhandener krimineller Energie. Die Anfälligkeit für Kontakte zur Wett-Mafia ist höher. Und außerdem tun sich diese Vereine auch mit den Konsequenzen schwerer, weil sie ja selbst etwas zu verbergen haben.“

Steigt mit der laschen Zahlungsmoral von Klubs das Risiko von Manipulationen?

Vereine, die stets mit dem Finanzkollaps ringen, werden am ehesten zur Beute der Wett-Mafia. „Oft werden in Ligen mit bescheidenen Gehältern routinierte, einflussreiche Spieler eingeschleust, die Jüngere auf ihre Seite ziehen“, erklärt Ex-FIFA-Sicherheitschef Eaton. Nachdem der KURIER aufgedeckt hatte, dass bei der Vienna 2011 mehrere Spiele verschoben worden waren, erklärte Präsident Herbert Dvoracek: „Wenn du sportlich und finanziell Probleme hast, bist du froh, wenn auffallend gute Spieler um wenig Geld angeboten werden. Aber gerade da heißt es aufpassen.“

Es gibt auch Spielerberater, die der Wett-Mafia zumindest bekannt sind.

Welche Möglichkeiten der Sanktion gibt es außerhalb des Strafrechts?

Stickler fordert die Einrichtung eines eigenen Tatbestands im Strafrecht zum Thema Sportwettenbetrug und strengere Sanktionen. Wetten „auf Spiele seines eigenen oder eines in derselben Klasse tätigen Vereines“ sind vom ÖFB bereits im Sommer verboten worden. Künftig sollen alle Wetten auf den eigenen Sport noch rechtlich untersagt werden.

Chronologie der Causa Taboga

Ein Insider, der sich beruflich mit Wetten auseinandersetzt, erklärt im KURIER die Hintergründe des Wettskandals. Da er über sensibles Wissen verfügt, will der Experte lieber anonym bleiben.

KURIER: Sind Sie überrascht von der aktuellen Entwicklung?

Überhaupt nicht. Natürlich steht nicht hinter jeder Quotenveränderung eine Schiebung, aber aufgrund der Häufung konnte man sicher sein, dass in Österreich etwas nicht stimmt. Ich befürchte, man sieht bis jetzt nur die Spitze des Eisbergs.

Warum?

Weil mit den aktuell Verdächtigen scheinbar die Schiene mit Kapfenberg und Grödig erwischt wurde. Es gibt aber mindestens einen weiteren Verein (Name der Red. bekannt), bei dem viele Quotenverläufe auf Manipulationen hindeuten.

Warum gehen diese Quoten­ausschläge vor allem von asiatischen Wettanbietern aus?

In Asien ist Umsatz das Wichtigste. Nach jedem höheren Einsatz wird die Quote durch Computerprogramme sofort angepasst. Bei Asian Handicapwetten kann man nur auf den Sieger oder darauf wetten, dass eine Mannschaft nicht gewinnt.

So wie es beim 1:0 von Kapfenberg in Grödig im Frühjahr passiert sein soll?

Ja, in den ersten beiden Spielminuten wurde in Asien eine sechsstellige Summe darauf gesetzt, dass Grödig nicht gewinnt. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Wetten auf Ereignisse, die bei den neuen Fällen verstärkt vorgekommen sein dürften.

Sie meinen damit Wetten auf Elfmeter oder Eckbälle?

Genau, diese Spezialwetten sind bei europäischen Wettbüros möglich, in österreichischen Filialen bei einer großen Kette. Da werden bei Manipulationen zwar „nur“ 5000 bis 10.000 Euro pro Partie gesetzt. Dazu braucht es viele Komplizen, die in vielen Filialen darauf setzen, dass es einen Elfmeter im Spiel geben wird. Denn bei Spezialwetten wird bei Einsätzen von wenigen Hundert Euro die Zentrale verständigt.

Wie kann man den Fußball schützen?

‚Kleine‘ Schiebereien sind nicht zu verhindern, wenn Spezialwetten angeboten werden. Wichtig wäre eine Verbesserung des Frühwarnsystems, das die Quoten auch bei Livewetten genauer analysiert. Und: Es braucht mehr Einsatz und Konsequenz. Auch wenn’s rechtlich heikel ist: Nach einer Partie wie Grödig gegen Kapfenberg müsste bei allen Spielern das Handy abgehört werden, um alles zu erfahren.

Investiert die Wettmafia nur in den Fußball?

Nein, etwa auch in Pferdewetten. Beim Tennis war es auch heftig. Ein Ex-Top-Ten-Spieler hat bei einem kleinen Turnier in der ersten Runde w.o. gegeben. Es wurde extrem viel auf seine Niederlage gesetzt, bei einer englischen Wettbörse betrug der Umsatz sieben Millionen. Das war der einzige Fall, wo alle Wetten für ungültig erklärt wurden.

Viele Spieler, vor allem in der Ersten Liga, verdienen wenig, viel weniger jedenfalls, als das Image der Branche oft vermittelt. Laut Kollektivvertrag, dessen Zustandekommen schon als Fortschritt bezeichnet werden muss, ist ein monatliches Einkommen von 1150 Euro brutto vorgesehen.

Warum die Wett-Mafia leichtes Spiel hat
Schlecht verdienende Berufsfußballer sind nicht unbedingt die Ursache allen Übels, aber können zu Angriffspunkten für kriminelle Verführungen werden. Nämlich dann, wenn sich Spieler als Opfer besonders gut eignen, weil sie sich in einer finanziell und privat ausweglosen Situation befinden.

„Drei von vier Spielern im Alter von 23 werden in der Ersten Liga laufend ausgetauscht. Aber was passiert danach? Sie geraten in eine Problemsituation. Kein Geld, kein Job, keine Ausbildung und ein Image als Loser, der Traum vom Fußball-Profi ist vorbei“, sagt Rudolf Novotny, geschäftsführender Sekretär der Fußballer-Gewerkschaft VdF. Gut ausgebildeten Spielern eine Chance und Perspektive im Berufsfußball zu geben, sei der richtige Weg. „Doch man hat auch eine soziale Verantwortung für all jene, die es nicht schaffen. Aber damit wollen sich die Verantwortlichen der Liga nicht auseinandersetzen“, kritisiert Novotny.

Ein Lösungsansatz? „Die Liga hat die Pflicht , alle Beteiligten wie ÖFB, AMS und natürlich auch die Fußballer-Gewerkschaft einzubinden. Spieler müssen besser betreut und nicht nur in ihrer sportlichen Karriere eine Hilfestellung bekommen.“ Nötig sei eine Diskussion, ob Profifußball mit zwei Zehnerligen in der derzeitigen Form überhaupt finanzierbar ist.

Ein Beispiel: Beim Zweitligisten in Parndorf haben Obmann Gerhard Milletich und der sportliche Leiter Andreas Hackstock vor Saisonbeginn die Mannschaft über die Wettproblematik und die ÖFB-Regulative unterrichtet. Beim Aufsteiger stehen meist sieben Kicker auf dem Platz, die neben dem Fußball anderen Jobs nachgehen. Milletich: „Halbprofis, die tagsüber eine Beschäftigung haben, finden nicht so viel Zeit, um auf manch blöden Gedanken zu kommen.“

Es geht um zwanzig Partien mit bitterem Beigeschmack in den letzten zehn Jahren. Das ergibt einen verschwindend kleinen Prozentsatz für das Böse, betrachtet man die Lawine an Spielen, die in diesem Zeitraum in den beiden österreichischen Profi-Ligen durchgeführt wurden. In Zahlen ausgedrückt: 3600 Partien wurden an- bzw. abgepfiffen.

Das ist verdammt unüberschaubar und darum auch nicht kontrollierbar. Und es ist ein gewichtiges Argument für Schönwetter-Funktionäre, die schmutzige Machenschaften im Spielbetrieb als unabwendbares Übel in Kauf nehmen.

Zehn Spiele werden von Freitag bis Sonntag durchgeführt. Irgendwie. Von 20 Klubs in den beiden höchsten Spielklassen. Unter Beteiligung von sechs Klubs, die ziemlich alle Voraussetzungen eines Profibetriebs nach österreichischen Maßstäben erfüllen.

Der Rest rauft mehr oder weniger erfolgreich mit den Lizenzauflagen, die immer mehr zu einer künstlichen Konstruktion und Idealvorstellung einer professionellen Liga werden, die es in der Praxis gar nicht gibt.

Die Bundesliga – gemeint ist jener Verein, der den von 20 Mitgliedern praktizierten Berufsfußball vertritt – schaut zu. Oder sie bestraft zwischendurch, um medienträchtig an ihre Existenz zu erinnern.

Blankes Entsetzen über Wettbetrügereien vor Fernsehkameras ist da nur die logische Reaktion. Dieser Wettskandal müsste ein Anstoß sein. Für grundsätzliche Reformen. Für Fragen nach einem neuen Ligaformat, nach neuen Personen und auch nach neuen Strukturen. Das verlangt allerdings Initiative.

Diese sollte eben jener Verein zeigen, der den Profifußball vertritt.

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