Sieben Aufgaben für Rapid-Präsident Krammer
Sieben Projekte will Michael Krammer den Rapid-Mitgliedern heute ab 19 Uhr im Gasometer vorstellen, ehe er zum Nachfolger von Präsident Rudolf Edlinger gewählt wird. Sieben heikle Themen warten auf den Ex-„Orange“-Boss und seine sieben Präsidiumsmitglieder bei Rapid:
1.) Hanappi-Stadion „Wir haben alle Daten aufbereitet. Jetzt steht die Entscheidung an: Neubau oder nur eine Renovierung“, kündigt Edlinger an. Während hinter dem gescheiterten Kandidaten Kirisits eine Investorengruppe mit Interessen im zweiten Bezirk stand, setzt Krammer auf einen Neubau in Hütteldorf. Entscheidend werden die nötigen Genehmigungen; die Finanzierung ist zu schaffen.
2.) Finanzen Während unter Edlinger jede Saison mit einem Risiko von zwei bis drei Millionen Euro begonnen wurde, will Krammer das negative Eigenkapital tilgen und auch ohne Transfer- oder Europacup-Einnahmen ein ausgeglichenes Budget schaffen. Mehreinnahmen soll es durch bessere Vermarktung und eine internationalere Klub-Ausrichtung geben.
3.) Sponsoren Die Sponsoreinnahmen sinken nach dem Ausstieg der OMV und der Übernahme von „Orange“ durch „3“ deutlich. Krammer könnte mit seinem beachtlichen (teils ÖVP-nahen) Netzwerk für Rapid bisher unübliche Geldgeber finden.
4.) Strukturreform Krammer weiß als Leiter der Reformkommission bestens Bescheid über die nötige Neustrukturierung, weg vom „gemeinnützigen Verein“. Die Ausgliederung der Profiabteilung in eine AG wurde bereits beschlossen.
5.) Sport-Vorstand „Der Verlust von Helmut Schulte wiegt extrem schwer“, sagt Edlinger. Der mit Jahresende scheidende Sportdirektor wird bei der Suche nach einem erfahrenen Nachfolger, der in der künftigen AG zum Sport-Vorstand wird, noch helfen.
6.) Finanz-Vorstand Krammer hat in den veröffentlichten Eckpunkten seines Konzepts angekündigt, dass diese Schlüsselposition in der künftigen AG ausgeschrieben wird. Damit steht für Langzeit-Manager Werner Kuhn ein Abschied in Ehren bevor, ehe eine neue Manager-Kraft übernehmen kann.
7.) Fans Während Kirisits die Rechte der einflussreichen Fanszene stark beschnitten hätte, sucht Krammer wie Edlinger den Dialog. Krammer hat heuer bereits Aussprachen zwischen Fans und Sponsorvertretern geleitet.
Rudolf Edlinger zündet sich eine Zigarette an. Zu rauchen habe er eigentlich schon aufgehört. Aber da der Herz-Lungen-Check kürzlich gar „so hervorragend ausgefallen ist“, hat nicht alles Anspruch auf Endgültigkeit in seinem Leben.
Seine Amtszeit als Rapid-Präsident allerdings schon: Montag endet die Ära als Klubchef. Und Edlinger hört auf, wie er die zwölf Jahre in dieser Funktion begonnen hat – mit einem Frage-Antwort-Spiel im KURIER.
KURIER: Zwölf Jahre als Rapid-Präsident sind vorbei. Fühlen Sie Wehmut oder Erleichterung?
Rudolf Edlinger:Erleichterung ist der falsche Ausdruck. Der Zeitpunkt passt. Erstens werden Veränderungen in einem Verein durch Personen symbolisiert. Zweitens: Ich bin 73 und nicht mehr so belastbar wie noch vor fünf Jahren. Dadurch wird man unduldsamer. Und das tut der Sache nicht gut.
Werden Sie sich über Rapid künftig noch zu Wort melden?
Keinesfalls öffentlich. Übrigens, Sie können gleich meine Handynummer löschen. Auch als ehemaliger Finanzminister hätt’ ich genügend Stoff, um derzeit alleine fünf Fernsehsendungen zu füllen. Doch ich red’ nicht über Nachfolger. Ich sitz’ sicher nicht am Balkon der Muppets.
Ist das Fußball-Business während Ihrer Ära noch härter geworden?
Nicht unbedingt. Was mich viel mehr hergenommen hat als der ,Dialog‘ mit den Fans im letzten Jahr, war die Phase 2003 bis 2005. Die Bank Austria hatte 60 Prozent des Sponsorenvolumens und ist plötzlich ausgestiegen. Wir haben es damals nie kommuniziert, aber: Wir hatten echte existenzielle Sorgen. Ich musste mir die Frage stellen: ,Was tue ich, wenn ich Spieler und Angestellte nicht fristgerecht bezahlen kann?‘ Das wäre wegen meiner gesellschaftspolitischen Einstellung meine größte Niederlage gewesen.
Sie haben Rapid in der Liga in einer Ausnahmestellung gesehen. Etwa im Kampf um TV-Verträge. Sind Sie da milder geworden?
Vor 30 Jahren wurde in der Liga beschlossen, was Rapid und die Austria gefordert haben. Jetzt gibt es von den 20 Klubs etwa zwölf Dorfvereine, die sich das sportlich auch verdient haben. Logisch, dass nicht mehr das passiert, was die Wiener Großklubs wollen. Ja, ich hätte zwei Mal die Selbstvermarktung durchboxen können. Auch wenn dieser Krieg grausam geworden wäre – für Rapid wäre das lukrativ gewesen. Aber für Österreichs Fußball wäre es schlecht, wenn es nur noch fünf Vereine gibt, weil der Rest deshalb in Konkurs geht.
Wie sehen Sie die Entwicklung des österreichischen Fußballs?
Für österreichische Fußballer hat sich der Zustand eindeutig verbessert, auch durch die Einführung des Österreicher-Topfes. Das Niveau hat sich zumindest nicht verschlechtert. Man muss zur Kenntnis nehmen: Wir spielen in einer Ausbildungsliga. Jawohl, Rapid ist ein Ausbildungsverein. Auch wenn es Ikonen gibt, die das nicht hören wollen.
Apropos: Warum sind Sie auch emotional nie mit Hans Krankl zusammengekommen?
Ihre Ansicht über Red Bull Salzburg war fast ideologisch geprägt ...
Wenn man einem Verein wie Rapid vorsteht, muss man ab und zu Botschaften aussenden, die emotionale Fans denken lassen: ,Des is leiwand.‘ Im Ernst: Ich bin dagegen, Traditionen und die Bindung der Fans in brutaler Form abzuschneiden und im Sinne der Gewinnmaximierung durch Retortenbabys zu ersetzen. Unvorstellbar, dass einer kommt, der sagt, Rapid spielt nicht mehr in Grün und der Name wird auf ,FC Powidltatschkerl‘ geändert. Und es gibt noch einen wesentlichen Unterschied.
Und zwar?
Wenn Herr Mateschitz aufhört, ist Salzburg hin. Wenn der Rudi Edlinger aufhört, ist Rapid nicht hin.
Haben Sie erwartet, dass die Suche nach Ihrem Nachfolger so emotional wird?
Ich habe wenige Menschen so verehrt wie Anton Benya. Als er mich 2001 gefragt hat, ob ich Rapid in einer schwierigen Lage übernehme, konnte ich gar nicht absagen. Es spricht für Rapid, dass es jetzt mehrere Personen gibt, die das Amt wollten. Ich habe mein ganzes Leben in Strukturen verbracht, die von demokratischer Zustimmung abhängig waren. Emotionen? Ich hätte oft beleidigt weinen müssen, weil ich mich in einer demokratischen Abstimmung nicht durchgesetzt habe.
Wann wussten Sie, dass es mit Erich Kirisits nichts wird?
Haben Ihnen die Demonstrationen der Fans sehr wehgetan?
Wichtige Menschen vor unserer Zeit sind für das Demonstrationsrecht gestorben. Das ist eine der größten Errungenschaften der Demokratie. Deswegen hatte ich kein Problem mit dem Protestmarsch der Fans im April. Werde ich geschimpft, ist das auch eine Frage der intellektuellen Struktur jener, die das tun. Ich respektiere es. Aber es gibt eine Grenze.
Die wo liegt?
Es hört bei mir auf, wenn Unmut in Gewalt umschlägt. Wie beim Platzsturm im Derby oder in Thessaloniki.
Haben Sie nicht zu lange zugeschaut, ohne einzugreifen?
Ich bin nicht der Direktor eines Mädchenpensionats, sondern Präsident eines großen Vereins. Auf unseren Tribünen spiegeln sich alle Probleme der Gesellschaft wider. Es gibt auf der ,West‘ Vorstandsdirektoren oder Intellektuelle genauso wie Menschen, die am System zugrunde gegangen sind. Verallgemeinern ist falsch.
Vielleicht wäre mehr Härte bei extremen Verfehlungen besser gewesen, um die Macht einiger Leute einzudämmen?
Schwierig, das richtige Maß zu finden. Soll ich die Polizei reinschicken, weil ein Bengalisches Feuer hochgehalten wird? Hab’ ich nicht getan. Wenn mir vorgeworfen wird, dass deshalb die Fanszene zu bedeutend geworden ist, muss ich sagen: Ja, ich bin schuld. Doch dann möchte ich es als Erfolg verbuchen, dass es bei Rapid keine neofaschistischen Kampfgruppierungen im Stadion gibt.
Wo liegt die Verwandtschaft zwischen Politik und Fußball?
Es gibt eine ganz enge: Alle, die zuschauen, wissen es besser als jene, die handeln. Mein Schluss daraus: Wer nachgibt, ist schlecht beraten und bald auch erledigt.
Was tun Sie denn jetzt als Ex-Rapid-Präsident?
Genug. Ich bin Präsident des Dokumentationszentrums des Österreichischen Widerstands – eine wichtige Institution im politischen Kampf gegen Rechtsextremismus. Ich bin Präsident der österreichisch-ukrainischen Gesellschaft mit dem Fokus auf Kulturaustausch. Wirtschaftlich sind wir da nicht aktiv, weil du in diesen Ländern sonst schnell wo dabei bist, was nach österreichischer Rechtslage vielleicht nicht ganz angemessen ist. Ich bin Vizepräsident des Pensionistenverbandes. Und seit 14 Tagen bin ich Vizepräsident des österreichischen Seniorenrats. Die haben schnell überrissen, dass ich jetzt mehr Zeit habe.
Und ganz privat?
Für Rapid habe ich 20 Stunden pro Woche ehrenamtlich gearbeitet. Deshalb war ich nur ein marginal operativer Großvater. Ich werde mich meinen Enkeln mehr widmen – genauso wie meiner Frau, mit der ich 2014 die Goldene Hochzeit feiere. Es freut mich, dass wir beide auch nach 49 Jahren Ehe sagen können, wir würden es wieder tun. Eines ist sicher: Gänseblümchen gießen werd’ ich künftig jedenfalls nicht.
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