Sensationeller Wigan-Triumph im FA-Cup
Das packende Finale im Wembley Stadium hatte in England besondere Bedeutung: Weil in zwei Wochen im Champions-League-Finale ausgerechnet zwei deutsche Mannschaften im legendärsten Stadion einlaufen, wurde das Endspiel zwischen der Millionentruppe und dem Underdog zum „richtigen“ Jubiläumsspiel für die 150 Jahre alte FA.
Scharner, der von 87 Verwandten und Freunden begleitet wurde, lief als erster Österreicher im FA-Cup-Finale ein, das dem Sieger stolze 1,8 Millionen Pfund bringt. Wigan war durch die Europa-League-Qualifikation schon zuvor ein Gewinner. Vor dem Anpfiff gab es ein Feuerwerk, royales Händeschütteln und den unvergleichlichen „Roar“ der euphorischen Fans.
Bierlaune
In der U-Bahn Richtung Wembley wurde die Farbe Blau immer dominanter. Hellblau tragen die Citizens, dunkelblau die Latics.
Frank ist wie beim Halbfinalsieg gegen Millwall mit seinem Sohn aus Wigan angereist. Paul Scharner zählt zu seinen Lieblingsspielern. „Der Klub hätte ihn nie gehen lassen dürfen. Seit er zurück ist, haben wir auch wieder Erfolg.“ Dass es für den Niederösterreicher nicht überall rund läuft, ist auch bei den Latics bekannt. „Wir haben von seinem Problem mit dem österreichischen Nationalteam gehört. In Wigan gibt es nichts Schlechtes über Paul zu sagen“, erklärt Frank.
Eine Stunde vor dem Anpfiff entdeckten Wigan-Fans zwei Herren, die dem Purgstaller verdächtig ähnlich sehen. Tatsächlich, Papa Josef und Bruder Andreas. Das enge Verwandtschaftsverhältnis wurde ihnen erst nach der Kontrolle der Pässe geglaubt.
In Hälfte zwei erhöhte der Favorit den Druck. Tévez kam einmal an Scharner vorbei, aber Agüero setzte den folgenden Stanglpass neben das Tor (50.). Ein Freistoß von Wigans Maloney an die Latte stellte nach 76 Minuten aber klar, dass auch im Finish ein echter Cup-Fight zu erwarten war. Passend dazu prasselte der Regen auf das glaublich laute Oval.
Vorentscheidung
Als Zabaleta für ein Foul am überragenden McManaman Gelb-Rot sah (84.), rückte die Sensation näher. Und tatsächlich: Nach einem Corner köpfelte Joker Ben Watson in der Nachspielzeit zum 1:0 ein. Unglaublich: Wigan ist FA-Cup-Sieger, ohne dass Englands Teamgoalie Hart einen Ball gefangen hat.
Nach dem Spiel hatten es jene Fans, die nicht mit den von den Klubs organisierten Bussen anreisen konnten, eilig. Sie mussten möglichst schnell zu den Bahnhöfen, weil am Abend keine Züge mehr in den Großraum Manchester fahren. Dem Wunsch der Fans, die traditionelle Kick-off-Zeit um 15 Uhr einzuhalten, wollte die FA aber auch nicht zum 150. Geburtstag nachkommen. ESPN hatte die TV-Rechte gekauft und auf einen späteren Beginn gedrängt, um auch in Amerika Quote zu machen.
Der Mythos FA-Cup soll schließlich weltweit gepflegt werden.
Der FA-Cup. Ein Name, ein Mythos, ein Bewerb mit Kultcharakter. Um keine andere Trophäe des Welt-Fußballs ranken sich so viele Geschichten und Mysterien wie um den berühmten englischen Football Association Challenge Cup, kurz FA-Cup, den ältesten Bewerb der Welt. Am 16. März 1872 feierte der FA-Cup seine Premiere, das Duell zwischen Wigan, dem Klub von Paul Scharner, und Manchester City, war bereits die 132. Auflage.
Ein Blick zurück auf die Geschichte und die Geschichten des Bewerbs, auf Highlights und Hoppalas. 141 Jahre FA-Cup im Rückspiegel.
Rekordsieger
Wenn’s im englischen Fußball um Bestmarken und Superlative geht, dann fällt sofort ein Name: Manchester United. Der Rekordmeister – das Team von Alex Ferguson holte in dieser Saison den 20. Titel – führt auch im prestigeträchtigen FA-Cup die Charts an. Schon elf Mal hat United die begehrte Trophäe gewonnen, der letzte Erfolg liegt allerdings bereits neun Jahre zurück (3:0 gegen Millwall, 2004).
Preisgeld
Ein Triumph im FA-Cup bringt nicht nur viel Prestige und einen Europacup-Startplatz, er füllt außerdem die Vereinskasse auf. Aktuell werden für den Sieg 1,8 Millionen Pfund (2,13 Mio. Euro) ausgeschüttet. Der Verlierer des Endspiels erhält immerhin noch die Hälfte. Jene Klubs, die im August die allererste Vorrunde überstehen, die sogenannte Vorbereitungsrunde, kriegen 1000 Pfund (1200 Euro).
Royales Vergnügen
Tradition verpflichtet – das gilt natürlich auch für die königliche Familie, die bei jedem Endspiel in einer eigenen Royal Box am Ball ist. Queen Elizabeth startete ihre Fußball-Karriere im FA-Cup. Laut Überlieferungen erlebte sie 1953 im Finale zwischen Blackpool und den Bolton Wanderers ihr erstes offizielles Fußballspiel live auf einer Tribüne.
Pokalschreck
Die Trophäe hat zwar auch schon über 100 Jahre auf dem glänzenden Buckel, in den Anfangsjahren des FA-Cups wurde aber noch mit einem anderen Pokal gefeiert. 1895 wurde das Original bei einer Ausstellung gestohlen und ward seither nicht mehr gesehen.
Abseitsstellung
In der langen Historie des FA-Cups ruhte der Ball nur in Kriegszeiten. Während des Ersten (1916 bis 1919) und des Zweiten Weltkrieges (1940 bis 1945) fiel der Bewerb aus.
Zuschaueransturm
Als 1923 das Finale erstmals im Wembley Stadium ausgetragen wurde – zuvor fand das Endspiel auf verschiedenen Londoner Sportplätzen statt – stürmten 200.000 Fans die Arena. Das bedeutet mit heute einen Rekordbesuch für ein Finale.
Zuschauertragödie
Im Jahr 1989 erlebte der englische Fußball eine seiner schwärzesten Stunden. Im FA-Cup-Semifinale zwischen Liverpool und Nottingham wurden 96 Fans von den Menschenmassen erdrückt, da zu viele Besucher ins Stadion gelassen worden waren.
Mehrkampf
Da im FA-Cup auch Amateurmannschaften aus den untersten Ligen mitspielen dürfen, herrscht traditionell ein reger Ansturm auf die Startplätze. Einzige Vorgabe: Die Teams müssen offizielles Mitglied der Football Association sein und ein adäquates Spielfeld vorweisen können. In der Vorsaison waren insgesamt 763(!) Vereine im FA-Cup am Ball. Vor zehn Jahren qualifizierte sich mit dem FC Bath die letzte Universitätsmannschaft für den Bewerb.
Überstunden
2008 erlebte der FA-Cup das längste Duell der langen Bewerbsgeschichte. Die Partie zwischen dem Amateurklub Droylsden und dem Profiteam Chesterfield endete erst nach vier Anläufen – und da obendrein noch am grünen Tisch. Doch alles der Reihe nach: Der erste Versuch war wegen Nebels abgebrochen worden. Im zweiten Anlauf trennten sich die Vereine 2:2, was ein Wiederholungsspiel zur Folge hatte. Der dritte Versuch musste 20 Minuten vor Schluss abgebrochen werden, da das Flutlicht ausgefallen war. Im vierten Anlauf setzte sich der Amateurverein Droylsden schließlich 2:1 durch, bekam den Sieg aber am grünen Tisch aberkannt, da der Klub einen Fußballer eingesetzt hatte, der nicht spielberechtigt war.
Schmerzensangelegenheit
In der Saison 1955/’56 schaffte es ein Deutscher im FA-Cup-Endspiel zur Berühmtheit: Bert Trautmann, der Torhüter von Manchester City, zog sich während der Partie einen Halswirbelbruch zu und hielt trotz der Schmerzen bis zum Schlusspfiff durch. Trautmann, der heuer 90 wird, wird heute noch als einer der größten Helden des englischen Fußballs verehrt.
Schnellschuss
Louis Saha erzielte bisher das schnellste Tor in einem FA-Cup-Finale. 2009 hatte er bereits nach 25 Sekunden für den FC Everton getroffen. Genützt hat’s wenig – Everton verlor das Endspiel gegen Chelsea 1:2.
Verliererrolle
Der FA-Cup und Leicester City – das wird wohl keine Liebesgeschichte mehr. Der Traditionsverein aus der zweithöchsten Spielklasse hat in diesem Bewerb die Verliererrolle gepachtet. Gleich vier Mal stand der FC Leicester City bereits im FA-Cup-Finale, doch noch nie wurde der Pokal gewonnen.
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