Salzburg-Coach Rose steht vor seiner schwierigsten Aufgabe
„Wir arbeiten in einem Bereich, in dem es um maximale Dinge geht, um maximale Einstellung, um maximale Leistung. Man muss immer am Limit sein“, sagt Salzburg-Trainer Marco Rose.
Genauso wird seine Mannschaft am Donnerstag agieren müssen, gilt es doch im Rückspiel des Viertelfinales der Europa League in der Red-Bull-Arena einen 2:4-Rückstand gegen Lazio Rom aufzuholen (21.05 Uhr, live Puls4, Sky Sport Austria).
Der Deutsche steht vor der bisher schwierigsten Aufgabe in seiner Premierensaison. Nach erstmals zwei Niederlagen in Folge müssen die Salzburger zum ersten Mal in einem K.-o.-Duell daheim einem Rückstand nachlaufen – und noch dazu einem, der zwei Tore beträgt.
„Maximal“ (oder in dessen Diktion „maximale“) war das Lieblingswort eines Trainers, der mit Salzburg im Europacup bisher der erfolgreichste war: Otto Baric führte den Verein 1994 ins UEFA-Cup-Finale und wenige Wochen danach in die Champions League.
Der Vergleich Rose/ Baric hinkt gewaltig. Der Kroate war, als er mit Salzburg die großen Erfolge feierte, bereits 61 und mehr als 25 Jahre im Trainergeschäft. Rose ist 20 Jahre jünger und trainiert erstmals einen Profiklub.
Baric war ein Schlitzohr durch und durch. Die Art und Weise, wie seine Mannschaft Fußball spielte, sah er pragmatisch. Es zählte für ihn nicht der Weg zum, sondern der Erfolg. Und der gab ihm praktisch immer recht.
Rose ist da anders, muss das aber auch sein. Von Red-Bull-Fußballchef Ralf Rangnick wurde eine Spielphilosophie vorgegeben, an deren Grundzüge sich Salzburgs Trainer zu halten haben. Und er steht für die Red-Bull-Spielweise wie ganz wenige andere Trainer.
Signifikant war Roses Antwort auf die Frage, warum seine Elf in Rom von Beginn an offensiv agierte? „Natürlich hätten wir auf ein 0:0 spielen können. Aber das sind wir nicht!“ Von Lazio sind die Salzburger für ihren Übermut mit vier Gegentoren bestraft worden.
Alle Chancen
Trotz der unnötigen Niederlage ist Rose bisher äußerst erfolgreich, auch wenn er (wie er selbst betont) diese Saison noch nichts Zählbares erreicht hat. Der Meistertitel ist nahe, der Cupsieg möglich und auch ein Triumph in der Europa League noch nicht unmöglich.
Rose hat es geschafft, die Vorzüge des Salzburger Offensivspiels unter Trainer Roger Schmidt mit jenen des Defensivspiels unter seinem Vorgänger Oscar Garcia zu kombinieren. Für viele Experten ist seine Mannschaft die stärkste der 13-jährigen Ära Red Bull. Individuelle Nachteile gegenüber Vorgängerteams werden im Kollektiv wettgemacht.
Der Deutsche wird als charismatisch und konsequent, als erfolgsorientiert und ehrgeizig charakterisiert. „Ich identifiziere mich immer zu 100 Prozent mit den Dingen, die ich mache“, sagt er selbst über sich. Rose beschreibt sich auch als „Gerechtigkeitsfanatiker“. Das macht die Zusammenarbeit mit ihm nicht immer einfach. Er hinterfragt (vielleicht zu) vieles – auch die Arbeit jener Journalisten, mit denen er regelmäßig zu tun hat und mit denen er gerne auch in Diskurs tritt. „Wuchtelschieber“ ist er keiner, sein Humor ist deutsch. Viele Aussagen wiederholen sich, aber das ist bei rund 100 Pressekonferenzen in neun Monaten logisch.
Am Mittwoch verlor er aber die Contenance (siehe unten). „Ich kann mit dieser Frage nichts anfangen. Was hat das mit unserem Spiel zu tun, was habe ich mit AS Rom gegen Lazio zu tun?“ So artikulierte der Deutsche seinen Ärger über die Frage, ob es für seine Elf ein Vorteil wäre, dass Gegner Lazio am Sonntag das Derby gegen die AS Roma hat (im Video ca. ab Minute 12:30).
Von den Spielern hört man über Rose nur Gutes. Er gilt als Spielerflüsterer. Und der 41-Jährige hat dazu etwas geschafft, was noch nicht vielen Trainern im schwierigen Red-Bull-Umfeld gelungen ist: Seine Mannschaft tritt als Gemeinschaft auf.
Großer Stab
Rose ist auch kein Solist, sondern ein Teamplayer. Die Zeiten, in denen es einen Co-Trainer und vielleicht einen Tormanncoach gab, sind lange vorbei. Um Salzburgs 23 Spieler kümmert sich ein „Funktionsteam“ aus 22 Personen.
Allein die Zusammensetzung des Co-Trainerstabs sagt viel über Roses Zugang zu seinem Job aus. Neben dem 25-jährigen „Theoretiker“ Rene Maric, der sich als Taktik-Blogger einen Namen gemacht hat, stehen ihm mit Alexander Zickler und Rene Aufhauser zwei „Praktiker“ zur Seite, die auf erfolgreiche Karrieren im Spitzenfußball zurückblicken können.
Die hat auch Rose hinter sich gebracht. 65 Spiele in der 1. Bundesliga, 119 in der 2. Bundesliga als Linksverteidiger für VfB Leipzig, Hannover und Mainz – den Großteil davon unter Trainer Jürgen Klopp, mit dem bis heute eng befreundet ist. „Ich war ein total zuverlässiger Führungsspieler, aber auch kein einfacher Typ, der sehr jähzornig sein konnte“, erzählt Rose .
2013 kam er nach Salzburg. Mit den Akademie-Teams gewann er alles, was zu gewinnen war. Der Triumph mit der Unter 19 in der Champions League für Nachwuchsteams vor einem Jahr ebnete ihm den Weg zu den Salzburger Profis.
Geboren wurde Rose 1976 in Leipzig – in eine Fußballerfamilie. Großvater Walter war deutscher Nationalspieler und wurde noch im Alter von 42 Jahren DDR-Vizemeister mit Chemie Leipzig. Sein Enkel lernte just bei Lokalrivalen Lok Leipzig das Fußballspielen – dort war die Nachwuchsarbeit besser.
„Ich hatte in der DDR eine sehr schöne Kindheit. Aber ich weiß natürlich, dass da nicht alles Gold war, was geglänzt hat“, sagt Rose, den es erst mit fast 24 Jahren weg aus Leipzig zog. Seine Familie lebt noch immer dort. Die Roses sind eine Fernbeziehung jahrelang gewöhnt.
Zurück zu Donnerstag: Mit seiner Mannschaft muss Rose schaffen, was Salzburg schon fast ein Vierteljahrhundert nicht geschafft hat: 1993 wurde mit einem 3:0 nach Verlängerung gegen Sporting letztmals ein Zwei-Tore-Rückstand wettgemacht. Der Trainer damals hieß Otto Baric. Der sagte danach: „Es war eine maximale Leistung.“ Und die wird Rose und seine Mannschaft auch gegen Lazio brauchen.
Marco Rose im Porträt:
Marco Rose wurde am 11. September 1976 in Leipzig geboren. Er ist seit fast 20 Jahren liiert und hat eine zehnjährige Tochter.
Rose stammt aus dem Nachwuchs von Lok Leipzig. 1997 debütierte er in der 2. Bundesliga. Nach zwei Jahren bei Hannover kam er 2002 zu Mainz, wo er zehn Jahre blieb.
Rose wurde im Sommer 2010 spielender Co-Trainer bei Mainz II. Nach zwei Jahren übernahm er den Viertligisten Lok Leipzig. Seit 2013 ist er in Salzburg tätig. Im April 2017 führte er die Unter 19 zum UEFA-Youth-League-Sieg.
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