Rundenrekord

Rundenrekord
Fahrtenbuch: Das Navi weiß vieles, nur von Polen hat es noch nix gehört. Augen auf und durch!

Lubon, verflixtes Lubon. 1000 Kilometer durch Polen inklusive Punktlandungen bei Hotels in Krakau und Warschau. Ohne Navi, ohne Landkarte – nur mit der Erinnerung an die Beschreibung im Internet. Und jetzt Lubon, ein Ort vor den Toren von Posen. Villa Hof heißt das gesuchte Hotel, Ul. Sienkiewicza 30 lautet die unerfindliche Anschrift.

Völlig von Orientierungssinnen kommt die Erinnerung an das Navi im Handschuhfach. Die Verzweiflung siegt über die Abneigung gegen die rechthaberische Stimme, die einen in Abbiegungshaft nimmt. Ein Kollege hat das Navi hergeborgt. "Da ist ganz Europa drauf", sagte er. Dann kommt der so verhasste Moment: Knöpfchen statt Köpfchen. Mazedonien steht zur Wahl, Tschechien, die Slowakei, Bosnien sowieso. Polen? Fehlanzeige. Von wegen Wegbereiter für ganz Europa. Dumm, dumm.

Also weiter durch Schottergassen und über Kopfsteinpflaster. Und wieder die Kirche links, schon wieder der Friedhof rechts. Neuer Rundenrekord, die Begeisterung der Fans auf dem Hauptplatz wächst, die Konzentration hinterm Lenkrad schwindet – so muss Vettel fühlen, wenn er sich nach der Zielflagge sehnt, nach einem Happy End.

Und siehe da. Ein Drehmoment der Erleuchtung genügte. Ein kleiner Vorgarten, ein schlichtes Einfamilienhaus, eine Hausnummer 30, aber kein Hinweis, dass es sich um einen Hof oder gar eine Villa handelt.

Nach einigen Klopfzeichen die Erscheinung. "Ja, Sie sind richtig." Fast möchte man den jungen Mann umarmen, der das Tor zum Hof öffnet, hinter dem sich das Gebäude mit den Fremdenzimmern befindet. Villa wäre übertrieben.

Jaroslaw, der Sohn des Hauses, präsentiert stolz die Frühstückspension, die sich Hotel nennt. Alles ist frisch renoviert, modern eingerichtet, helle Räume mit dunklem Holz.

640 Zloty kostet die Nacht, umgerechnet 150 Euro. Normal liegt der Finderlohn bei 160 Zloty. Aber was ist schon normal in Zeiten der EM. An den drei Tagen, an denen in Posen gespielt wird, bestimmt eben die Nachfrage den Preis.

Und der ist heiß. Am Tag vor dem ersten Spiel in Posen wurden die wenigen Zimmer auf der Hotel-Börse mit 350 Euro aufwärts gehandelt. Für den zweiten Spieltag am Donnerstag beginnt der Frühbucherbonus bei 200 Euro. Ein Plätzchen auf dem Campingplatz für Fans ist immerhin um wohlfeile 75 Euro zu haben.

In der Villa Hof sitzt man zumindest im Trockenen, das Wasser kommt nicht vom Himmel, sondern aus der Dusche. Und der österreichische Gast wird verwöhnt, ist doch die Tochter des Hauses in Wien verheiratet.

Die Frau Mama bietet Essen an, braut frischen Kaffee. Ihre Villa ist ein kostbares Kleinod im Millionen-Geschäft EM.

Ein Fundstück eben.

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