Rieds unmöglicher Trainer

Rieds unmöglicher Trainer
Vor dem Cup-Halb­finale gegen Austria erklärt Gerhard Schweitzer auch, warum er überhaupt keine Freizeit hat.

Um fünf Uhr Früh beginnt Gerhard Schweitzer im Büro der Lenzing AG seinen Arbeitstag. "Ab neun sitz’ ich dann eine halbe Stunde im Auto und fahr’ zum Training nach Ried", erzählt der Interimstrainer, der das heutige Cup-Semifinale gegen die Austria zum "Spiel des Jahres" vor den Feierlichkeiten zum 100-Jahre-Klub-Jubiläum ausgerufen hat.

Mittags geht es wieder zurück, um in der EDV-Abteilung noch einmal vier Stunden als Teil eines Drei-Mann-Teams zu arbeiten. Immerhin wird Schweitzer auch für einen Fulltime-Job bezahlt. Weil aber auch die Aufgabe als Teil eines Trainerteams in der Bundesliga zumindest 40 Stunden pro Woche verschlingt, bespricht, plant und analysiert Schweitzer am Abend mit den Riedern noch die nahe und weniger nahe Fußball-Zukunft.

Workaholic

Wochenende, Spieltermin – wenn andere ausspannen, geht es für Schweitzer erst richtig los. Auf die Frage, wann der 48-Jährige frei hat, kommt die fast verschämte Antwort: "Nie. Eigentlich ist es auch nicht machbar, was ich tue. Aber ich bin in dieser Hinsicht halt ein Trottel."

Paul Gludovatz, der ehemalige Ried-Cheftrainer und nunmehrige Sturm-Sportdirektor, hätte seinen loyalen Assistenten gerne nach Graz mitgenommen. Und zwar als Chefcoach.

Doch Schweitzer winkt ab: "Zum einen will ich meinen Job bei der Lenzing AG behalten, weil so ein Trainerjob auch schnell weg sein kann. Zum anderen brauch’ ich für mein Ego nicht in der ersten Reihe zu stehen. Und diese vielen Termine mit Sponsoren, die dann anfallen, halte ich gar nicht aus."

Also wird der Oberösterreicher ab Sommer wieder der einflussreiche Co – für welchen Chef auch immer. Plan A mit Peter Stöger geht wohl nicht auf. "Weil Neustadt-Präsident Rottensteiner ihre Zukunft als Profiklub sehr stark mit der Person Stöger verbindet. Ich akzeptiere seinen laufenden Vertrag dort und plane auch keine feindliche Übernahme", sagt Manager Stefan Reiter, der das in Österreich einzigartige (Co)-Trainer-Modell vorgegeben hat: "Ich verstehe nicht, warum ein Klub einen Chefcoach und dessen persönlich ausgesuchten Assistenten zahlen sollte, wenn der dann mit dem Trainer sowieso gemeinsam geht und wir dann wieder zwei Löcher zu stopfen haben."

Mit jedem Gespräch im Rieder Umfeld fällt mehr auf, dass Gludovatz für ein paar Jahre die nach außen ideale Besetzung war. Innen, im groß auftrumpfenden, aber eigentlich familiär kleinen Verein gibt es tatsächlich jedoch nur zwei Säulen, die alles zusammen halten: Stefan Reiter und Gerhard Schweitzer.

"Der Gerhard war auch in der Zeit, als er für den ÖFB und Red Bull gearbeitet hat, mein persönlicher Berater", verrät Reiter. "Wir haben ein fixes Trainerteam und vom Stefan wird dann der Chefcoach dazugestöpselt", sagt Schweitzer.

Systemerhalter

Der große Plan dahinter ist die (von personellen Wechseln unabhängige) Absicherung der Vereinsphilosophie von Ausbildung und Weiterentwicklung der meist billigen Spieler, die dann mit Gewinn weiterverkauft werden. Reiter: "Ich bin die Speerspitze dieser Philosophie und der Hüter des Systems." Der gesteigerte Mehrwert der Spieler sei viel wichtiger als ein Tabellenplatz. "Ich reduziere Erfolg nicht nur auf Ergebnisse", hält Reiter fest. Anders könne der Klub aus der 12.000-Einwohner-Stadt nicht überleben: "Wenn ich mir die Sponsoren der Großklubs ansehe, weiß ich, woher das Geld kommt. Wir müssen uns hingegen selbst finanzieren."

Und bei zu hochtrabenden Plänen nach dem Cupsieg und zwei Herbstmeister-Titeln in Folge packt Reiter "das Lasso aus, um alle wieder einzufangen. Eigentlich müssen wir für jedes Jahr in der Bundesliga in Demut Danke sagen."

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