Richard Strebinger: „Ich brauche jetzt kein Lob mehr“
Richard Strebinger ist einer der großen Gewinner dieser Saison. Vor einem Jahr war der Niederösterreicher ein vielfach abgeschriebener Ersatz-Goalie. Mittlerweile ist der 25-Jährige im Rapid-Tor ein echter Rückhalt und als solcher auch heute im Schlagerspiel gegen Salzburg gefordert. Im KURIER-Interview verrät der 1,94-Meter-Mann, wie nahe sein Abschied aus Hütteldorf war und was seither passiert ist.
KURIER: Ihre positive Entwicklung ist unübersehbar. Wenn Sie nur einen Grund nennen dürften, welcher wäre das?
Richard Strebinger: Das grundsätzliche Selbstvertrauen! Es ist zum Automatismus geworden, dass ich jeden Tag in der Früh aufwache mit dem Gefühl, eine starke Leistung abrufen zu können.
Als Ihr Tormanntrainer Helge Payer noch ORF-Experte war, hat er Ihre unsichere Ausstrahlung kritisiert. Hatten Sie bei seiner Verpflichtung die Befürchtung, dass einer kommt, der nicht viel von Ihnen hält?
Ich habe schnell gemerkt, dass Helge sich für alle Torhüter gleich viel Zeit nimmt, jedem helfen will und sich immer wieder etwas Neues einfallen lässt. Ich war damals noch nicht so offen, etwas engstirnig. Das hängt mit dem fehlenden Selbstvertrauen zusammen. Jetzt bin ich für jedes kleine Detail offen, das mich besser machen kann. Ich brauche auch kein Lob mehr.
Trainieren Sie immer nach einem langfristigen Plan?
Nein, wir richten uns oft nach der Spielweise der Gegner. Ich reflektiere jeden Tag sehr viel – das läuft wie selbstverständlich mit Helge. Zum Beispiel vor dem Mattersburg-Spiel: Ich hab’ mir gedacht, jetzt sollten wir wieder mal Flanken trainieren, so wie die spielen. Und als ich am Trainingsplatz ankomme, sehe ich, dass Helge schon alles hergerichtet hat für ein Flankentraining.
Denken Sie noch öfter an Ihren holprigen Start? Oder die Degradierung im Frühjahr 2017?
Über die Zeit mit Damir Canadi will ich nicht viel sagen. Im Endeffekt bin ich gestärkt daraus hervorgegangen, auch mental. Ich denke am meisten an den letzten Sommer. Damals waren viele mir gegenüber sehr kritisch eingestellt. Ich wusste: Nach jedem Fehler hätte es geheißen ,Das ist keine Nr. 1 für Rapid‘. Da bin ich stolz, wie ich die Situation gemeistert hab’.
Wie knapp davor waren Sie, Rapid zu verlassen?
Trainer Djuricin hat nach dem Cup-Finale gesagt, dass er verstehen könnte, wenn ich gehe. Er würde mir in der Vorbereitung aber die gleiche Chance wie Tobi Knoflach auf die Nr. 1 geben. Da war für mich klar, dass ich als Rapid-Fan seit der Kindheit nicht einfach so gehen kann. Dass ich um die Karriere hier kämpfe und dafür wie ein Verrückter arbeiten werde.
Sportchef Bickel hat Djuricin ermutigt, Sie wieder zur Nr. 1 zu machen. Haben Sie das gespürt?
Jetzt kann ich’s ja sagen: Nach dem Trainingslager hat mich ein sehr interessanter Verein aus dem Ausland angerufen. Ich habe aber abgesagt, weil ich irgendwie so ein Gefühl hatte, dass ich wieder die Nr. 1 werde. Das lief aber unterbewusst ab, weil keiner auch nur eine Andeutung gemacht hätte.
Sie setzen auf Mentaltraining. Wie oft üben Sie?
Alle 14 Tage. Zusätzlich rufe ich vor jedem Spiel bestimmte Szenen ab. Im Kopf bin ich aufgewärmt, bevor wir noch aufs Feld laufen.
Ich habe über Tore nachgedacht, die Sie im Frühjahr mitverschuldet haben. Mir ist nur das 0:1 beim 1:1 gegen Sturm eingefallen. Wie sehen Sie das?
Ich denke mir bei fast jedem Tor, dass ich es hätte verhindern können – selbst unhaltbare. Vielleicht durch mehr Kommunikation mit den Verteidigern noch vor dem Schuss. Ich kratze am Perfektionismus und möchte jeden Tag meine Quote bei den Unhaltbaren erhöhen.
Ist das Spiel mit dem Fuß Ihre letzte größere Schwäche?
Ich sehe das nicht so, weil ich mich immer im Gesamten betrachte. Ich trainiere ja auch, um meine Stärken weiter zu stärken. Das Produkt soll in jedem einzelnen Bereich noch besser werden. Diese Sichtweise ist mir lieber als eine Liste von Stärken und Schwächen.
Ist eine Nationalteam-Einberufung Ihr nächstes Ziel?
Ich bin sicher, dass das passiert, wenn ich weiter jeden Tag im Verein meine Leistung bringe. Aber bei Zielen denke ich nur an Rapid.
Glauben Sie, dass die Zeit ohne Titel kommende Saison endet?
Es muss das Ziel sein, dass wir knapp vor Saisonende sowohl in der Meisterschaft als auch im Cup noch Chancen haben. Wir wollen komplett angreifen! Wenn ich an Sturm als Cupsieger denke, muss schon das Ziel sein, dass wir die ersten Konkurrenten von Salzburg sind. Und nicht Sturm, die Austria oder der LASK. Dazu fehlen noch einige Prozent. Ich traue uns mit diesem Trainerteam aber zu, im Sommer das rauszuholen.
Sie gelten bei Rapid für den kommenden Sommer als unverkäuflich. Ist das okay für Sie?
Es ist eine Ehre, für so wichtig erachtet zu werden. Außerdem habe ich meinen Vertrag nicht ohne Grund bis 2022 verlängert. Ich will unbedingt Titel mit Rapid gewinnen. Je früher, desto besser. Dafür brenne ich. Natürlich sind Ligen wie England oder Deutschland irgendwann einmal interessant. Momentan kann ich mir kein Angebot vorstellen, für das ich Rapid verlassen würde.
Als Sie zu Rapid gekommen sind, hat Jan Novota betont, wie sehr er sie schätzt. Das ist unter direkten Konkurrenten eher selten, oder?
Es gibt wohl niemanden, der Jan nicht mag. Er ist so ein freundlicher, offener Mensch – das gibt es selten. Ich verstehe mich auch mit Tobias Knoflach gut. Wir sind ganz unterschiedliche Charaktere, pushen uns aber. Diese tägliche Challenge ist wichtig, um besser zu werden.
Dejan Ljubicic hat erzählt, dass er nach seiner Rückkehr zu Rapid auf Reisen Sie als Zimmerpartner bekommen hat. Ist das Rapids Erfolgszimmer?
Eigentlich ist Tamas Szanto mein Zimmerpartner. Aber leider war er zuletzt oft verletzt. Mit Dejan passt es gut, weil wir beide ruhig sind und vor dem Spiel noch gerne schlafen. „Gemeinsam“ haben wir bis auf drei Spiele alles gewonnen.
Gibt es einen zweiten Verein, dem Sie die Daumen drücken?
Als Kind Juventus wegen Gianluigi Buffon. Jetzt ist es Regensburg, weil ich zwar nur kurz dort war, aber noch viele Spieler kenne und mich sehr freue, wie viel Erfolg sie in den letzten Jahren hatten.
Ist Ihr Kopfschutz mittlerweile ein Glücksbringer? Oder denken Sie daran, ihn abzunehmen?
Der Kopfschutz wird längere Zeit draufbleiben. Thomas Schrammel hat mich knapp vor seinem Transfer im Training erwischt. Seither gibt mir der Helm Schutz. Ich hatte damals viel Glück.
Warum?
Weil es auch einen Bruch hinter dem Ohr gab, außerdem hatte ich einen Tinnitus. Der Arzt hat gemeint, dass es wahrscheinlich sei, Gleichgewichtsstörungen davonzutragen. Ich habe aber nach drei Tagen wieder trainiert. Für mich war das ein Zeichen, künftig für so viel Schutz wie möglich zu sorgen. Und wenn der Aufprall so um zehn oder 20 Prozent vermindert wird, kann das entscheidend helfen.
Strebingers Stationen
Deutsche Lehrjahre
Richard Strebinger wurde am 14. Februar 1993 in Wr. Neustadt geboren. Der Tormann wechselte aus der St. Pöltner Akademie zu
Hertha BSC, spielte für Bremen Bundesliga und kam aus Regensburg im Juli 2015 zu Rapid. Der Vater zweier Kinder wohnt am Stadtrand von Wien.
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