Rapid verkauft Demir: Der Ärger ist größer als das Trostpflaster

Letztes Tor: Yusuf Demir traf in Altach
Yusuf Demir mit Koffer und Galatasaray-Schal am Istanbuler Flughafen. Ein Schlag in die Magengrube für so manchen - ohnehin schon verärgerten - Rapid-Fan. Eine Kamera und Mikrofone fangen den 19-Jährigen ab, Journalisten und Presseleute und stellen Fragen auf Englisch.
"Ich kann auch Türkisch", sagt Demir mit einem Lächeln. Wie er sich fühlt? "Ich bin glücklich über die Entscheidung."
In anderen Videos vom Flughafen ist der aus Hütteldorf bekannte, schüchterne Demir zu sehen, der am liebsten gar nichts sagt.
Wirklich glücklich wirkte der Wiener nur bei der Präsentation bei seinem Traumklub FC Barcelona im Sommer 2021. Ob der Spielmacher jetzt sein Glück beim Großklub in Istanbul findet?
Demir wurde am Donnerstag neben prominenteren Namen wie Mauro Icardi - vor der Deadline des heute in der Türkei schließenden Transferfensters offiziell präsentiert.
In Hütteldorf ist der Ärger - schon wieder - groß. Fußballfreunde aus Österreich äußerten ihr Unverständnis bzw. ihren Unmut über den Wechsel über soziale Medien und direkt an Rapid gerichtet, während man in Istanbul über den Transfer jubelte.

Abschied: Yusuf Demir wechselt von Rapid zu Galatasaray
Türkische Medien berichten, dass es seit einem Monat geheime Gespräche mit dem Umfeld "des ehemaligen Barcelona-Spielers" gegeben habe.
Galatasaray sei "zufrieden" mit dem Transfer, hieß es in türkischen Medienberichten, gerne wird dabei erwähnt, dass Demir beim FC Barcelona gespielt hat. Am Donnerstag um 23.30 Uhr Ortszeit wurde der Demir offiziell präsentiert. Galatasaray veröffentlichte, dass die 6 Millionen Ablöse in fünf Raten in den kommenden vier Saisonen überwiesen werden. Demirs Gehalt steigt von 650.000 Euro im ersten Jahr bis 950.000 Euro in seiner vierte Saison in Istanbul. Demir freut sich: "Galatasaray ist ein Weltklub, der mich unbedingt holen wollte und zu dem auch ich unbedingt wechseln möchte. Trotzdem werde ich immer Rapidler bleiben."
Der vierfache österreichische Nationalteamspieler wurde für vier Jahre verpflichtet. Der Linksfuß war in den vergangenen Wochen mit einigen anderen Klubs in Verbindung gebracht worden, laut italienischen Medien auch Sampdoria, das am Ende aber Ignacio Pussetto verpflichtet hat. Schriftliche Kauf-Angebote sind nicht in Hütteldorf eingegangen.
Da Demir schon länger unzufrieden war, nicht mehr von Rapid überzeugt war und sein Management das auch deutlich kommuniziert hat, wäre ein früherer Verkauf für alle Seiten die unkompliziertere Lösung gewesen. Allerdings gab es vor dem Ende der Transferzeit in Österreich nur zwei internationale Anfragen für eine Leihe des Teenagers.
Sorgen wegen Fitness
Der 19-Jährige kam zuletzt (endlich) wieder in Form, musste aber öfters Trainingseinheiten abbrechen und fehlte wegen Schmerzen bei den Niederlagen gegen den LASK und Sturm kurzfristig.
Bereits zum Saisonende musste der Hoffnungsträger die Playoff-Spiele gegen WSG Tirol auslassen, nach der Rückkehr von der U-19-EM gab es Probleme im Adduktorenbereich.
In Hütteldorf mehrten sich deshalb die Zweifel, ob der Techniker stabil genug wäre, um so eine Karriere zu schaffen, wie sie Demir selbst vor hat.
Als Galatasaray in der Nacht auf Mittwoch das schriftliche Angebot für die Nummer 10 abgab, ging es schnell. Die Verantwortlichen wissen natürlich, wie negativ ein Abgang nach Ende der Möglichkeit, selbst noch Spieler einzukaufen, gerade in der aktuellen Situation wirkt. Noch dazu gibt es keine finanzielle Not - die Saison ist ausfinanziert, das wurde dem KURIER von allen Verantwortlichen bestätigt und wird in den künftigen Offenlegungen von Finanzzahlen auch abzulesen sein.
Wunsch der Familie
Nach emotionalen Gesprächen mit den Beratern von Demir und vor allem dessen Vater gab Barisic Mittwochnachmittag dennoch grünes Licht. Demir ist nach Wöber und Beric die Nr. 3 bei den Rekordverkäufen. Applaus dafür ist nicht zu erwarten. Dafür ist das Trostpflaster zu klein.
Die Arbeitsweise von Barisic nach dem Motto "Ich tue alles zum Wohle des Vereins, nichts für mich" stößt mit seinem Bekenntnis zu einem menschlichen Umgang im härter werdenden Fußball-Business an seine Grenzen.
Ohne Balance
Offensichtlich ist die Balance zwischen der bewussten Ausrichtung von Rapid als Transfer-Sprungbrett und einem konsequenten "Nein" zu richtigen Zeit verloren gegangen. Immerhin war der Verein seinem größten Talent beim Barcelona-Deal entgegengekommen.
Zumindest eine positive Seite gibt es am Demir-Abgang mit Sicherheit: Dem neuen, noch zu wählenden Präsidium stehen in der langen Winterpause nach der WM beträchtliche Finanzmittel zur Verfügung, um für positive Impulse zu sorgen.
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