Rapid-Prozess: "Die Falschen angeklagt"

Rapid-Prozess: "Die Falschen angeklagt"
Der erste Prozesstag gegen die Rapidfans offenbarte Parallelen zum Tierschützerprozess.

Die Fans blieben daheim. Nicht die angeklagten Rapidler, die am Wiener Westbahnhof randaliert haben sollen; von diesen fehlten beim Prozessauftakt nur zwei. Aber die übrigen Rapid-Anhänger, die sich zu dem Marathonverfahren als Zuschauer, als Rückendeckung angesagt hatten, und für deren Bewachung ein Großaufgebot der Polizei aufmarschiert war, denen war der Weg ins Graue Haus um neun Uhr Früh dann doch zu mühsam.

Mit eingezogenen Köpfen und hinter Aktendeckeln verborgenen Gesichtern drängen sich 30 - durch zwei Sicherheitszonen geschleuste - Männer auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal. Fans der berüchtigten "Ultras", der "Lords" und der "Flotown Boys". Junge und ältere, vorbestrafte und unbescholtene, Familienväter und Singles, ein Trafikant, ein Rauchfangkehrer, zwei Zivildiener, ein Straßenkehrer, ein Bauleiter ... Die Staatsanwältin will "nichts über Fußball erzählen, denn mit Sport hat das nichts zu tun, was sich da am 21. Mai 2009 abgespielt hat". Es gehe nicht um Fan-Aktivitäten und auch nicht um einen Lausbubenstreich. Sie sieht in den Angeklagten "Gewalttäter", unter denen sie 14 Rädelsführer ausgemacht haben will, die "mit aller Härte" zu bestrafen seien.

Hexenprozess

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165 Rapidler hätten sich damals am Westbahnhof zusammengerottet, um von einer Auswärtspartie heimkehrende Austria-Fans "zu empfangen." Die Exekutive habe das Ärgste verhindert, wobei Beamte mit Mistkübeln und Flaschen beworfen und verletzt worden seien.

Die Verteidiger reduzieren das Geschehen auf "Schlachtenbummler-Gesänge". Man habe nur die nicht maskierten Mitläufer ausgeforscht und vor Gericht gestellt, also die Falschen, und keinen einzigen Austrianer angeklagt, obwohl die auch Flaschen geschleudert hätten. Ein Anwalt vergleicht den Prozess gar mit "Hexenverfolgung."

Landfriedensbruch

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Aber das Verfahren zeigt starke Parallelen zum Tierschützerprozess, wo man auch eine ganze Gruppe unter Pauschalverdacht gestellt hatte, statt einzelnen Beschuldigten konkrete Taten nachzuweisen. Dort musste der „Mafiaparagraf“ dafür herhalten. Hier wird das ähnlich selten strapazierte Delikt „Landfriedensbruch“ über alles gestülpt.

Der Tierschützerprozess endete nach über einem Jahr bekanntlich mit Freisprüchen für sämtliche Angeklagten.

Im Rapid-Prozess sucht sich Richterin Martina Frank zur ersten Befragung das vielleicht schwächste Glied, den Angeklagten Nummer 13. Der etwas dickliche junge Mann ist auf einem Foto der Überwachungskamera in der ersten Reihe zu sehen. Mit Sonnenbrille. Richterin: „Wozu? Im Bahnhof scheint doch keine Sonne.“ Angeklagter U.: „Zum Schutz, weil von der anderen Seite der Absperrung (wo die Austrianer standen, Anm.) Sachen geflogen kamen.“ Warum er überhaupt dort gewesen sei? Um „Präsenz zu zeigen“.

Zwei Wochen

Im Verhör bei der Polizei hatte U. allerdings ausgesagt, man sei zwecks Rauferei mit den Austria-Fans zum Bahnhof gekommen. "Das kann man nie ausschließen", sagt er jetzt. "Das hat wohl damit zu tun, dass man die Austrianer nicht besonders mag. Sie mögen die doch nicht, oder?", fragt die Richterin hintersinnig. "Nicht besonders", kommt die Antwort.

Jedenfalls will sich der Angeklagte (wie die meisten) bald zurückgezogen haben. Bei der Polizei gab er jedoch zu, noch über einen Zaun geklettert zu sein, um die Absperrung zu umlaufen. Das klingt nicht nach Rückzug. "Das wurde mir in den Mund gelegt", behauptet er nun. Geschickt ist das nicht, aber beweist es irgend etwas?

"Hat Sie der H. dort angefeuert oder dirigiert?", fragt der Verteidiger dieses H., der als einer der Anführer gilt. U. verneint. "Wissen Sie überhaupt, wer der H. ist?" Wieder kommt ein "Nein."

Zwei Wochen lang wird so verhandelt. Dann kommt die nächste Gruppe von Angeklagten, und es beginnt alles von vorn, und noch eine dritte Gruppe, insgesamt 85.

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