Die Diskussion um ein neues Nationalstadion läuft seit mehr als zehn Jahren – und bisher immer ins Leere. Auch wenn im neuen Regierungsprogramm (wieder einmal) der Bau eines multifunktionalen Nationalstadions „geprüft“ wird, ist allen Beteiligten offenkundig sonnenklar, dass ein mehrere 100 Millionen Euro teures Projekt in Zeiten von Sparpaketen und Konjunkturflauten illusorisch ist. Daher konzentrieren sich die Anstrengungen des ÖFB mittlerweile auf eine Revitalisierung der Arena. Basis dafür sind die Vorplanungen von Architekt Albert Wimmer, der zuletzt den Ausbau der Red-Bull-Arena in Leipzig durchführte. Der KURIER berichtete im April 2023 über diese Pläne.
Dabei würde das Spielfeld abgesenkt, die Laufbahn als Stimmungskiller eliminiert und der dritte Rang nach vorne gerückt – inklusive des Einbaus moderner Sky- und VIP-Boxen. Die Außenhülle mit dem denkmalgeschützten Dach bliebe nahezu unverändert. Diese Variante hat mittlerweile auch einen großen Fan – Ralf Rangnick. Zum Jahreswechsel meinte der Teamchef, dass das Stadion zu einer „multifunktionalen Event-Arena“ umgebaut werden könnte, die dann „für die nächsten 100 Jahre“ halten solle. Der Deutsche verwies explizit auf das Vorbild Leipzig, wo auch in der alten Arena eine neue gebaut worden sei. Wenn das nicht passiere, dann werde das Happel-Oval die „Wiener Version des Kolosseums“.
Rangnick will Nachhaltiges schaffen
Starke Worte des Teamchefs, die nicht von ungefähr kommen: In seinen knapp drei Jahren in Österreich hat der 66-Jährige mehrmals zur Schau gestellt, dass er mehr ist als ein Trainer. Der beste Beweis sind Einheiten mit 14-jährigen Kindern in Leithaprodersdorf und Horn. Rangnick bringt sich bei der Trainerausbildung ebenso ein wie bei den Nachwuchs-Nationalteams. Kurzum: Wie der Deutsche seine Stellenbeschreibung interpretiert, ist einzigartig in der Teamchef-Geschichte des Landes. Er will in Österreich Nachhaltiges schaffen und nützt seine Strahlkraft, um bei hochrangigen Politikern für den Bau eines würdigen Nationalstadions zu werben, von dem er selbst in seiner Teamchef-Ära wohl nicht mehr profitieren würde. Denn klar ist: Der ÖFB braucht neben privaten Investoren auch den Bund und die Stadt Wien für ein Mammutprojekt wie dieses.
Hackers Problem mit Rangnicks Offensivrolle
Doch wie kommen diese Wünsche im Wiener Rathaus an? Gar nicht gut, wie eine Anfrage des KURIER beweist. Offensichtlich hat Sportstadtrat Hacker nämlich Probleme mit Rangnicks offensiver Rolle in der Stadionfrage: „Wenn der Teamchef sich Gedanken über das Stadion macht und sie öffentlich ventiliert, ist das seine Sache. Es stellt sich halt die Frage, ob das zu den Kernkompetenzen eines Teamchefs gehört. Uns liegen dazu jedenfalls keine konkreten Pläne vor“, lässt Hacker via einem Sprecher ausrichten. Bestätigt wird allerdings, dass ein Beteiligungsprozess betreff der Zukunft des Stadions laufe und man da mit ÖFB-Präsident Wolfgang Bartosch (und zuvor mit den Vorgängern) „in einem guten Austausch“ stehe.
Hacker: Stadion ist "ziemlich tauglich"
Die Stadt Wien hat sich in den vergangenen Jahren in der Frage aber schon ziemlich einzementiert und sich gegen einen Neubau und bloß für marginale Modernisierungen im Prater ausgesprochen. So prägte Hacker den viel-kritisierten Spruch, wonach das Happel „ein ziemlich taugliches Stadion“ sei, das noch bis zu 50 Jahre halte. Zuletzt wurde „nur“ eine Geothermie-Anlage bei den Trainingsplätzen und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach errichtet. Für etwaige weitere Modernisierungen – darunter ein verschließbares Dach – hat sich Hacker 2023 vom Gemeinderat aber vorsorglich 101 Millionen Euro genehmigen lassen. Letzteres mag für Konzerte ein Gewinn sein, für das Nationalteam würde sich damit aber nichts verbessern.
Hanke: Grundwasser als Hindernis
Doch ließe sich eine Absenkung des Spielfeldes – unumgänglich für echte Stadionatmosphäre – technisch durchführen? Anfang Jänner fragte der KURIER beim damaligen Finanzstadtrat Peter Hanke, der via Wien-Holding politisch für das Stadion zuständig war, nach. Der heutige Infrastrukturminister erteilte dieser Variante eine klare Absage: „Schon ab zwei Metern stößt man da auf Grundwasser. Alles, was man dann dagegen unternehmen könnte – etwa eine Wanne –, ist nicht optimal oder sehr kostspielig. Also nein, das haben wir verworfen.“
TU-Professor widerspricht
TU-Wien-Professor Christian Kühn, der vor Kurzem die gesamte bautechnische Dokumentation des Stadions aufbewahrt, sieht das anders: „Das Grundwasser-Problem wird behauptet, aber ich kann das nicht nachvollziehen. So etwas sagen meist die, die eine Sanierung verhindern wollen.“ Für ihn wäre eine Modernisierung ein „schönes Projekt“, insbesondere weil die „tolle Dachstruktur“ erhalten bliebe.
Ob das Dach am Donnerstag bei fast 50.000 Zuschauern abhebt, wird sich zeigen. Um nicht grantig zu werden, sind die Fans aber gut beraten, sich rechtzeitig um ihr Bier zu kümmern, denn bei den langen Warteschlangen vor den veralteten Buffets kann man schon das eine oder andere Tor verpassen.
Aufeinandertreffen am Dienstag
Apropos Gerstensaft: Ob es tatsächlich nicht Rangnicks Bier ist, sich um die bestmögliche Spielstätte für seine Elf zu kümmern, kann Hacker am Dienstag persönlich mit dem Teamchef bereden. Anlässlich der Gleichenfeier des neuen ÖFB-Campus in Aspern kommt es zu einem der seltenen Aufeinandertreffen. Ein spannendes Match.
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