Was Glasner bei Crystal Palace in der Premier League erwartet
Mit Ajax Amsterdam, Lyon und Nottingham Forest wurde Oliver Glasner in Verbindung gebracht, seit er nach zwei erfolgreichen Jahren bei Eintracht Frankfurt mit dem Gewinn der Europa League als Highlight eine Auszeit genommen hatte. Geworden sind es schließlich acht Monate, in denen der passionierte Golf-Spieler an seinem Handicap feilen konnte. Seit Dienstag steht er wieder auf dem Fußballplatz.
Geworden ist es Crystal Palace, das nach der Trennung von Trainerlegende Roy Hodgson mit dem Österreicher den Klassenerhalt schaffen und sich bis 2026 etwas nach oben orientieren möchte in der Premier League.
Crystal was? Crystal Palace ist ein Wohnbezirk im Süden Londons, der nach einem gleichnamigen Ausstellungsgebäude in der Gegend, das 1936 durch einen Brand zerstört wurde, benannt wurde. Der Klub wurde 1905 gegründet und schaffte erst 1992 erstmals den Aufstieg in die Premier League. Vier Mal musste der Klub nach seinem Aufstieg sofort wieder absteigen, ehe man 2013 in der Beletage sesshaft wurde.
Laute Fans
Heimstätte ist der Selhurst Park, der Platz für 25.000 Fans hat und früher mit Charlton Athletic und dem FC Wimbledon auch zwei andere Vereine beheimatete. Seit 2003 spielt allerdings nur noch Crystal Palace hier. Und das vor meist tosenden Fans.
Denn während sich das Publikum in nahezu allen Stadien Englands nach Abschaffung der Stehplätze ins Familiäre gewandelt hat, haben die „Eagles“, wie der Klub aufgrund des Adlers im Wappen genannt wird, eine eigene Ultra-Gruppierung, die ordentlich Stimmung macht. Die „Holmesdale Fanatics“ fallen ab und an sogar durch die auf der Insel unüblichen und verbotenen pyrotechnischen Fackeln auf.
Eigentümer des Klubs ist der englische Geschäftsmann Steve Parish, der selbst im Süden Londons aufgewachsen ist und durch ein Unternehmen für Computergrafiken ein Vermögen gemacht hat. Der heute 58-Jährige rettete den bereits insolventen Klub 2010 vor der Liquidation. Und das praktisch fünf vor zwölf, nachdem bereits tausende Fans vom Süden der Stadt zum vermeintlich letzten Bank-Termin des Klubs zur Bank of Scotland in die Stadt gepilgert waren.
In der finanzstärksten Liga der Welt kann sich Crystal Palace heute wieder den einen oder anderen Star leisten. Die wichtigsten Kicker des Teams sind Regisseur Eberechi Eze, der schon zwei Mal im englischen Team gespielt hat und Rechtsaußen Michael Olise, der von Manchester United umworben wird. „Ohne die beiden geht gar nix, leider stehen sie allerdings aus Verletzungsgründen nur selten gemeinsam auf dem Platz“, sagt der ehemals langjährige Sky-Fußball-Kommentator Erich A. Auer.
Und er muss es wissen. Seit er 1970 als kleiner Bursche im Zuge eines England-Urlaubs gemeinsam mit seinem Vater bei einem Spiel von Crystal Palace war, ist der Niederösterreicher glühender Eagles-Fan. Und da er kaum eine Partie seiner Lieblinge versäumt, weiß er nur zu gut, was auf Oliver Glasner in nächster Zeit zukommen wird. „Heuer zählt nur mehr eines, der Klassenerhalt.“
Nach dem 1:1 bei Everton am Montagabend hat Crystal Palace als Tabellen-15. aktuell fünf Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Gegen den Vorletzten Burnley sind beim Glasner-Debüt am kommenden Samstag drei Punkte eingeplant.
Wen der Oberösterreicher dabei zur Verfügung hat, steht aber wie so oft in dieser Saison in den Sternen. „So viele Verletzte, und vor allem so viele Leistungsträger, habe ich noch selten erlebt“, hadert Erich Auer. Er würde sich jedenfalls freuen, könnte Oliver Glasner seinen angriffigen Spielstil mit viel Pressing und schnellem Umschalten auch in London implementieren. Zuletzt bekam man unter Trainerlegende Roy Hodgson ein eher verhaltenes, destruktives Muster vorgeführt.
Keine Kompromisse
Viel Zeit hat man im modernen Fußball als Trainer ohnehin nicht. Da ist es vielleicht gar ein Vorteil für einen neuen Coach, dass man sich nun ganz auf die Liga konzentrieren kann. In beiden Cup-Bewerben ist man ausgeschieden. 13 Partien sind in der Premier League noch zu spielen. Der Guardian jedenfalls beschreibt Glasner seinen Lesern als „ehrgeizigen, beliebten Trainer, der keine Kompromisse eingeht“.
Wie pragmatisch er bei seinem ersten Job in der Premier League sein muss, wird man sehen. Fest steht: Zum ersten Mal in seiner Trainerkarriere nach den Stationen Ried, LASK, Wolfsburg und Frankfurt, wo er jeweils im Sommer eingestiegen ist, hat der 49-Jährige keine Vorbereitung, um seine Spieler von seiner Idee zu überzeugen.
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