Andreas Fink: Wenn wir unter Laborbedingungen dem Gehirn der Fußballspieler zusehen, können wir erkennen, dass die Kreativität im Spiel durch die Aktivität vieler Netzwerke im Gehirn vorhergesagt werden kann. Besonders wichtig sind beim Fußballspiel Gehirnregionen, die mit der Vorstellung von Bewegungen, dem Gedächtnis, der visuellen Aufmerksamkeit und der Verknüpfung von Informationen aus unterschiedlichen Sinnesmodalitäten zu tun haben.
Antizipiert Herr Schick Situationen auf dem Spielfeld schneller als wir Normalsterblichen?
Der Zeitdruck im Fußball ist enorm. Spieler müssen in kürzester Zeit entscheiden, welcher Pass wann und wie zum Torerfolg führt. Die Geschwindigkeit, mit der diese Prozesse erfolgen, kann somit spielentscheidend sein. Unsere Ergebnisse zeigen, dass den kreativen Spielern für den kreativen Torerfolg oft schon ein kurzer Blick auf die Spielsituation reicht.
Haben Kreative im Fußball weniger Zeit als Kreative in Kunst und Wissenschaft?
Sagen wir vielleicht so: Jeder Bereich der Kreativität hat seine eigenen Voraussetzungen und Gesetze. Kreativität im Sport und vor allem im Fußball erfolgt oft unter massivem Zeitdruck, der rasche und effiziente Entscheidungsprozesse erfordert. In anderen Bereichen der Kreativität wie der Kunst sind andere Prozesse wichtiger.
Kann man aus einem bisher eher biederen Abwehr-Arbeiter noch einen virtuosen Spielentscheider formen?
Wie für jeden anderen Bereich der Kreativität gilt auch für die Kreativität im Fußball: Wir haben gute Möglichkeiten, sie anzukurbeln. Allerdings kann die Kreativität im Fußball, die ja oft von der Überraschung und Spontanität lebt, nicht auf Knopfdruck erzwungen werden. Wenn es gelingt, die kognitiven Prozesse, die für die fußballerische Kreativität verantwortlich sind, zu trainieren, dann sollten wir auch positive Auswirkungen sehen können.
Wie viel Anteil an fußballerischer Kreativität hat Talent?
Die Kreativität im Fußball sowie auch in anderen Bereichen hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Dabei sind Motivation, Ich-Stärke und Selbstvertrauen, fußballspezifisches Wissen und Denkprozesse und eben auch Talent von Bedeutung.
Das noch immer weitverbreitete Klischee vom Fußballer als Trottel: Können Sie es auf der Grundlage Ihrer Studien endgültig widerlegen?
Forschungsergebnisse an der Schnittstelle von Psychologie, Sport und Gehirnforschung zeigen zunehmend, wie wichtig Denkfähigkeiten im Bereich des Sports sind. Sehr vieles spielt sich im Kopf ab, nicht nur die körperliche Fitness zählt. Das gilt im Besonderen auch für die Kreativität im Fußball, die nur durch das effiziente Zusammenwirken von vielen Denkprozessen leben kann.
Können Fußballer im hohen Alter noch kreativer werden?
Der deutsche Arzt und Autor Dietrich Grönemeyer hat einmal gesagt: „Turne bis zur Urne!“ Dem kann ich nur zustimmen. Für Bewegung und Sport gibt es keine Altersgrenze, das Gehirn ist auch im Alter noch plastisch. Für Kreativität ist es nie zu spät.
Der Bayer Gerd Müller war als Fußballer hochkreativ. Das hat ihn allerdings nicht gegen eine Gehirnkrankheit im Alter geschützt. Ist er die Ausnahme von der Regel?
Sport wirkt sich, wenn der Bogen nicht überspannt wird, grundsätzlich auf viele Bereiche der körperlichen und der mentalen Gesundheit und Fitness sehr, sehr positiv aus. Doch vor Ausnahmen sind wir leider nie geschützt.
Wer ist Ihr persönlicher Kreativ-Europameister?
Ich freue mich über schöne und kreative Spiele – und natürlich auch über originelle, kreative Spielzüge und Tore. Es gibt bei dieser EURO sehr viele herausragende Spieler. Einige, wie zum Beispiel der Franzose Kylian Mbappé, begeistern durch ihre besondere Kreativität. Bei fast allen Aktionen sind sie originell und überraschend und können durch ihre zündenden, wirkungsvollen Ideen quasi aus dem Nichts ein Spiel entscheiden.
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