Nikon El Maestro: Spurensuche nach dem Wunderkind

Nikon El Maestro: Spurensuche nach dem Wunderkind
2003 jagte ganz Europa das Austria-Talent. Jetzt macht der 24-Jährige als Trainer Karriere. Der KURIER besuchte ihn.

Es ist kurz vor 10 Uhr Vormittag, als Nikon El Maestro das Spielfeld der City Arena betritt. Die Profis von Spartak Trnava dürfen an diesem Tag in ihrem modernen Stadion trainieren. Der Rasen ist saftig grün trotz des langen Winters, den er gerade überstehen musste. Die Sonne strahlt vom Himmel. Fußballherz, was willst du mehr? Das scheint sich auch Nikon El Maestro zu denken, als er sich einen der herumliegenden Bälle aufgaberlt.

El Maestro ist Co-Trainer. Sein um zehn Jahre älterer Bruder Nestor ist sein Chef. Während der Coach noch in der Kabine ist, rollt auf dem Platz schon der Ball zwischen den Spielern und ihrem Co-Trainer. Nikon El Maestro gaberlt. Drei Mal mit dem rechten Fuß, dann übernimmt er direkt mit dem linken. Allerdings hinter dem rechten Standbein. Spielend leicht wiederholt er den Trick. Einer der Kicker will es ihm nachmachen. Er versucht es zwei Mal und scheitert ebenso oft.

Nikon El Maestro: Spurensuche nach dem Wunderkind

Mit dem Ball am Fuß kann Nikon El Maestro alles. Das war schon so, als er sieben Jahre alt war. Damals berichtete der KURIER erstmals über ihn. Im Jahr 2000 hörte er noch auf den Namen Nikon Jevtic. 2002 will es der Beruf des Vaters, dass die serbische Familie von London nach Wien übersiedelt.

Nikon El Maestro: Spurensuche nach dem Wunderkind

Nestor und Nikon heißen mittlerweile El Maestro. Eine englische Zeitung hat dem kleinen Ballzauberer den Künstlernamen verpasst. Den beiden Brüdern gefiel er so gut, dass sie ihren Nachnamen ändern ließen. „In England ging das damals leicht“, erinnert sich Nikon in an seine Kindheit. „Wir haben diese spanischen und brasilianischen Künstlernamen geliebt. Hätten wir gewusst, was das auslöst, hätten wir es nicht getan.“

Videos

Nestor, der schon im zarten Teenager-Alter als begabter Trainer galt, wich schon damals nicht von seiner Seite. Er übte individuell mit seinem kleinen Bruder. Stundenlang. Täglich. Bei den Spielen filmte er. Die Videos, die um die Welt gingen, sind immer noch auf YouTube zu sehen.

Der zehnjährige Nikon zirkelt reihenweise Eckbälle direkt ins Tor, er lässt Gegenspieler wie Slalomstangen stehen, lässt sie ins Leere fahren und trifft selbst aus größeren Distanzen immer wieder wuchtig ins Kreuzeck.

Der Begriff „Wunderkind“ fällt. Bald ist halb Europa hinter einem Elfjährigen her. Valencia macht das Rennen, später wechselt er zu Schalke und als 16-Jähriger zurück zu Austria Wien. Der Glanz scheint langsam zu verblassen. Er versucht sich auch in Wiener Neustadt, in Ungarn, Polen und Serbien. Mit knapp 20 Jahren ist klar: Nikon wird als Fußballprofi nicht Karriere machen.

Auf dem grünen Rasen in Trnava läuft mittlerweile das Training. Der 24-jährige Nikon zeigt Passübungen vor, gibt lautstark Anweisungen. Einige Spieler sind älter als er. Er diktiert auf Englisch, wechselt dann die Sprache. Mit einigen spricht er Slowakisch, auch Deutsch ist zu hören, weil zwei Spieler aus Österreich kommen. „Englisch ist wie meine Muttersprache. Serbisch kann ich perfekt, Deutsch sehr gut“, sagt El Maestro. Auch Spanisch und Ungarisch habe er bei seinen Aufenthalten gelernt. „Slowakisch war relativ einfach. Es ist dem Serbischen ähnlich“, sagt der Serbe, der auch Engländer ist.

„Ich würde mich als Europäer bezeichnen. In Serbien bin ich geboren, habe aber dort kaum gelebt. Ich fühle mich ein wenig mehr als Engländer, aufgrund meines Humors. Meine Heimat ist aber Wien, da habe ich fast die längste Zeit gelebt.“ Und er tut es jetzt noch, wenn er nicht gerade in Trnava ist.

Familienvater

Nikon El Maestro ist viel herum gekommen für einen 24-Jährigen. Aus dem Wunderkind ist ein junger Mann geworden. Seit 2013 ist er verheiratet. Er hat zwei Kinder im Alter von drei Jahren und fünf Monaten und im Job als Fußballtrainer die ersten Erfolge vorzuweisen. Nach dem Meistertitel mit der U-16 von Simmering im Vorjahr ist er auch bei seiner ersten Station im Profifußball auf Meisterkurs. Trnava liegt in der Super Liga auf Platz eins.

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Da fällt es auch leichter, nicht mehr zurückzudenken an den Traum von der großen Spielerkarriere. „Ich habe damit abgeschlossen. Ich habe es bei vielen Klubs in vielen Ländern probiert. Als ich wusste, dass ich es nicht schaffen werde, war die Entscheidung leicht. Ich bin sehr froh darüber, dass ich die Situation richtig erkannt habe.“ Es scheint, als wüsste Nikon El Maestro genau, was er will – und was nicht. Den Wunsch nach einem Foto beim Gaberln schlägt er aus. „Ich bin kein Spieler mehr. Ich bin Trainer.“

"Im Endeffekt war ich nicht gut genug"

Interview. Nikon El Maestro erinnert sich.

KURIER: Warum Sind Sie nicht Profi geworden?
Nikon El Maestro: Es gibt einige Gründe. In erster Linie, weil sich mein Körper nicht entsprechend entwickelt hat. Dadurch habe ich das notwendige athletische und physische Niveau nicht erreicht.

War Ihnen bewusst, wie viel Talent Sie hatten?
Heute sagt man bei jedem guten jungen Spieler: Das ist ein Talent. Talent heißt, dass man etwas schneller lernt als andere. Unter Talent verstehe ich aber auch die Voraussetzungen, die man mitbringt. Etwa Schnelligkeit, das kann man kaum trainieren, oder die Körpergröße und gewisse Gene, wie sich der Körper entwickelt. Ich hab’ nix davon gehabt. Somit war es fast unmöglich, auf ein hohes Niveau zu kommen.

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Waren es wirklich nur die Gene?
Viele, die schon jung Trainer werden, so wie ich, suchen Alibis oder Ausreden. Da lese ich dann in Interviews oder Biografien: „Ich habe es wegen einer Verletzung nicht geschafft.“ Sicher sind das Gründe. Ich hatte auch drei Rippenbrüche in zwei Jahren. Aber es liegt mir fern, das als Grund zu nennen.  Mein Körper war  nicht stark genug für diesen Reiz im Seniorenfußball. Und im Endeffekt war ich nicht gut genug.

Haben Sie als Zehnjähriger den Hype mitbekommen, der um Sie gemacht wurde?
Klar, aber als Zehnjähriger ist das spurlos an mir vorbei gegangen. Danach war ich das Interesse an meiner Person schon gewohnt. Ich bin ein ehrgeiziger Mensch, ich  habe immer versucht, mich täglich zu verbessern.

Sie sind dann allerdings nicht mehr in die Schule gegangen.
Ich hatte aber eine Privatlehrerin. Die Schule hab’ ich in England  fertig gemacht, nachdem ich mit dem Fußballspielen aufgehört habe. Die A-Levels. Das ist  ein bisschen höher als die Matura.

Gab es durch diesen Hype auch Neid oder Schadenfreude, als klar wurde, dass es nichts wird mit der erhofften großen Karriere?
Früher, in Valencia oder bei Schalke, bis zu meiner zweiten Austria-Zeit mit 16, 17 Jahren, gab es Neider. Viele, die mich nicht kennen, haben  wegen der vielen Berichte vielleicht einen arroganten Typen  erwartet. Ich bin aber das genaue Gegenteil, bin introvertiert und brauche viel Zeit, um zu jemandem Vertrauen aufzubauen.

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Auf welche Fußballphilosophie vertrauen Sie als Trainer?
Ich würde immer die Spielweise forcieren, von der ich glaube, dass sie den größten Erfolg bringt. Mein Bruder und ich sind pragmatische Trainer, nicht verrückt nach einer bestimmten Spielidee. Im Profisport geht es darum,  zu gewinnen. Unser Ziel ist, so schnell wie möglich vor das gegnerische Tor zu kommen. Ob wir 40 oder 55 Prozent Ballbesitz haben, ist nicht entscheidend.

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