Nachbarschaftsduell: Happels Fegefeuer, Kienasts „Deputat“

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Vor dem Spiel gegen den Lieblingsgegner Deutschland lohnt sich ein Blick zurück in die Geschichte des Duells.
Von volsport

Österreichs Nationalteam kämpft vor dem Freundschaftsspiel gegen Deutschland (Samstag, 18:00/live in ORF1) gegen eine Unserie. Neun Spiele in Folge haben die Österreicher gegen den amtierenden Weltmeister verloren, der letzte Sieg ist bereits zehn Spiele her und datiert aus dem Jahr 1986. Auch insgesamt ist die ÖFB-Bilanz klar negativ: In 39 Partien gab es 25 Niederlagen, sechs Unentschieden und acht Siege, nur zwei davon nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das erste Auseinandertreffen fand vor 110 Jahren statt. Am Cricketer-Platz in der Wiener Vorgartenstraße bezwingt Österreich die deutsche Auswahl vor 5000 Zuschauern mit 3:2. Den höchsten Sieg gab es 1931 in Berlin. Unter Teamchef Hugo Meisl fegt das österreichische „Wunderteam“ die Deutschen in Berlin mit 6:0 vom Platz. Beim bisher letzten Aufeinandertreffen in der Münchner Allianz Arena siegten die Deutschen 2013 in der EM-Qualifikation mit 3:0.

Eine weitere Auswahl an denkwürdigen Duellen gegen den Nachbarn:

Basel 1954
Österreich geht nach drei Siegen aus drei Spielen als Favorit in das WM-Semifinale gegen Deutschland. Doch gegen die vor allem körperlich überlegenen Deutschen sind die Österreicher an diesem Tag chancenlos: Am Ende heißt es 1:6. Österreich holt sich drei Tage später mit einem Sieg gegen Uruguay noch den dritten Platz. Viele Fans und Journalisten verzeihen dem Team und insbesondere Stopper Ernst Happel die schwache Leistung bei der Niederlage gegen Deutschland dennoch nicht. Das „kleine Volksblatt“ wünscht dem leidenschaftlichen Kartenspieler Happel gar zehn Jahre Fegefeuer, verschärft durch täglich 20 verlorene Schnapspartien.

Cordoba 1978
Ein sportlich eigentlich wertloser Sieg wird Teil der österreichischen Erinnerungskultur. Österreich war nach zwei Niederlagen gegen die Niederlande und Spanien schon ausgeschieden, schickte mit dem 3:2 aber auch Deutschland mit nach Hause (die Deutschen traten die Heimreise kurz entschlossen im selben Flieger mit den Österreichern an). Hans Krankl steigt durch seine beiden Tore zum Nationalheld auf, Edi Fingers Kommentar zum Siegtor („I wer narrisch!“) wird legendär. Der „Geist von Cordoba“ wird seither vor jedem Match gegen Deutschland beschworen, meistens jedoch ohne Erfolg.

Gijon 1982
Vier Jahre später stehen sich Österreich und Deutschland bei der WM in Spanien erneut im letzten Spiel der Gruppenphase gegenüber. Deutschland braucht zum Weiterkommen einen Sieg, Österreich darf nach Siegen gegen Chile und Algerien mit maximal zwei Toren Unterschied verlieren. Deutschland geht in Gijon bereits frühzeitig durch Hrubesch in Führung und ist mit diesem Ergebnis für die nächste Runde qualifiziert. Genauso wie Österreich. Beide Mannschaften wollen kein Risiko mehr eingehen und stellen das Fußballspielen komplett ein. In der zweiten Halbzeit gibt es von beiden Teams keine ernstzunehmenden Torschüsse und fast keine Zweikämpfe mehr. Aufgrund des gebotenen Anti-Fußballs fordert ORF-Kommentator Huber die Zuschauer auf, ihre Fernseher abzuschalten. Das Spiel ging als „Schande von Gijon“ in die Geschichte ein, die spanische Presse bezeichnete es in Anspielung an 1938 als „El Anschluss“.

Prater 1986
Je zwei Tore von Reinhard Kienast und Toni Polster (beide per Elfmeter) sorgen bei der Neueröffnung des Praterstadions, das ein Dach bekommen hatte, für ein 4:1 und den bisher letzten Erfolg über Deutschland. Matthäus sieht wegen Meckerns rot, Deutschland-Trainer Franz Beckenbauer beschimpft den italienischen Schiedsrichter-Star Luigi Agnolin nach der Partie als „Stinker ohne Verstand“. Für Dopppel-Torschützen Kienast war es eine besondere Genugtuung. Vor dem Spiel war er vom Bild-Experten Max Merkel als „Weinbergschnecke“ bezeichnet worden. Legendär ist sein Interview nach dem Triumph. „Wir haben ihnen ein Deputat gegeben“, meinte der aufgeregte Rapid-Spieler.

EM 2008
Auch bei der Heim-EM kommt es im letzten Gruppenspiel zum Duell Österreich gegen Deutschland. Nachdem Ivica Vastic mit einem Last-Minute-Elfer gegen Polen die Chancen auf den Aufstieg ins Viertelfinale intakt gehalten hatte, braucht Österreich gegen die Deutschen im Happel-Stadion einen Sieg. Ballacks Freistoß-Hammer kurz nach Beginn der zweiten Hälfte beendet allerdings alle Hoffnungen auf ein Weiterkommen. Zum Aufholen eines Rückstandes gegen Deutschland fehlt der Mannschaft von Teamchef Hickersberger die Qualität.

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