Austria-Trainer Michael Wimmer: "Ich mache einen verrückten Job"
Der Deutsche will und muss die Austria in die Meistergruppe führen. Ein Gespräch über Druck, Finanzsorgen, Ausraster in der Coaching-Zone und Weihnachten in der Jogginghose.
Verlieren verboten, siegen geboten. So lautet das Motto der Wiener Austria vor dem Gastspiel am Samstag bei der Klagenfurter Austria, einem direkten Kontrahenten im Kampf um die Top 6. Trainer Michael Wimmer (43) sprach im großen KURIER-Interview über das Trainergeschäft, seinen Puls in der Coachingzone und die Chancen der Wiener auf die Meistergruppe.
KURIER:Die finanzielle Lage ist angespannt, die Saison sportlich durchwachsen. Wie angenehm ist es derzeit, Austria-Trainer zu sein?
Michael Wimmer: Es ist immer noch sehr angenehm. Das finanzielle Thema kenne ich ja ohnehin seit ich hier bin. Man gewöhnt sich daran und lernt damit umzugehen. Wichtig ist, dass man bei sich bleibt. Ich bin für das Sportliche verantwortlich und möchte mit der Mannschaft in die Top 6.
Man kann die Saison schon in Etappen unterteilen. Das Europacup-Aus gegen Legia Warschau war ein Knackpunkt, danach hatten wir eine Ergebniskrise. Aber wir haben uns nicht beirren lassen. Und das Derby gegen Rapid war wiederum ein Knackpunkt in die andere Richtung, ab da ist es eine gute Saison. Aber der Schwächephase laufen wir noch hinterher, was die Punkte betrifft.
Die Auslosung im Frühjahr ist für die Austria nicht schlecht mit drei Heimspielen. Rechnet man hoch, wie viele Punkte man braucht?
Nein. Es sind Gegner auf Augenhöhe, wir haben sie daheim. Mit den Fans im Rücken und dem Anspruch, die Meistergruppe zu erreichen, müssen wir eben punkten. Wir brauchen eine gute Ausgangsposition, uns würde helfen, wenn wir den direkten Konkurrenten Klagenfurt nicht wegziehen lassen.
Sportdirektor Ortlechner und Sportvorstand Werner haben zuletzt erklärt, dass es kein Geld für Spieler im Winter gibt. Frustriert das einen Trainer?
Frustrierend ist das nicht. Natürlich hat ein Trainer Wünsche, aber ich weiß auch um die Situation. Es ist eben nicht möglich, daher ist es auch nicht selbstverständlich, dass wir die Top 6 erreichen. Ich habe schon im August gesagt, dass es eine große Herausforderung wird. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass wir es schaffen.
Sie haben gewusst, worauf Sie sich einlassen. Sie sind nun fast ein Jahr ein Violetter – haben Sie es sich wirklich so schwierig vorgestellt?
Natürlich wünscht man sich eine Entwicklung. Es hat sich etwas entwickelt, es darf nur nicht stagnieren.
Hier kommen Sie zum ausführlichen Studiogespräch mit Michael Wimmer
Sie wurden zuletzt als Trainer von Kaiserslautern gehandelt. Ehrt Sie das?
Natürlich ist das schön, wenn sich ein Klub mit deinem Namen beschäftigt. Weil es eine Anerkennung der Arbeit ist, aber auch eine Bestätigung für die Mannschaft und die Austria als Klub.
Vor wenigen Monaten wurden Sie intern schon angezählt. Wie gehen Sie damit um? Verletzt das?
Es war für mich neu, die Situation habe ich noch nicht gekannt. Man merkt, dass sich vieles leicht ändert.
Wird man dann womöglich anders angesehen?
Ja. Nicht bei der Mannschaft, aber von Mitarbeitern oder wenn man am Abend ins Restaurant geht. Wichtig ist, dass man authentisch bleibt. Irgendwann wird es ja vorbei sein, ich werde nicht ewig Austria-Trainer bleiben.
Ist das Trainergeschäft verrückt?
Ja.
Sie machen also einen verrückten Job?
Ja, ich mache einen verrückten Job, aber ich liebe ihn einfach sehr und bin mit Leidenschaft dabei.
Was braucht man dafür? Eine dicke Haut?
Ja schon. Du musst dir treu sein und deinen Weg gehen. Am Ende muss man sich immer in den Spiegel schauen können.
Ist es ungerecht, dass zumeist der Trainer das schwächste Glied in der ganzen Kette ist?
Ungerecht ist es nicht. Es ist so. Trainer und Spieler müssen sich jede Woche messen lassen. Das ist unser Los.
Wer sind die Personen, denen Sie Ihr Leid klagen können, die Ihnen zuhören, wenn es Ihnen schlecht geht?
Die Familie steht sowieso an erster Stelle. Meine Frau ist da ein Puffer, sie kennt mich so gut, dass sie dann auch die richtigen Worte findet. Und hier beim Verein ist es halt mein Co-Trainer, der alles abkriegt, der ein dickes Fell hat. Wichtig ist, dass man dann Menschen an seiner Seite hat, die keine Ja-Sager sind. Dafür bin ich dankbar.
Warum tigern Sie in der Coaching-Zone dermaßen herum mit hochrotem Kopf?
Ich verlange von meiner Mannschaft Einsatz und Leidenschaft, irgendwie will ich das vorleben. Ab und zu ist es aber zu viel, das gebe ich zu. Man kann sich bei so viel Emotion auch mal verlieren. Meine Frau hofft immer, dass ich in der Coaching-Zone keinen Herzinfarkt erleide.
Erkennt Ihre Frau Sie da wieder, wenn Sie die Spiele im Fernsehen verfolgt?
Nein, privat bin ich ein ganz anderer Michael Wimmer. Ich bin extrem ruhig und zurückhaltend. Aber wenn der Schiedsrichter anpfeift, bin ich in einer anderen Welt. Ich entschuldige mich nach dem Spiel auch ab und zu beim vierten Schiri.
Wie kann man sich den privaten Michael Wimmer vorstellen?
Ich bin eher der faulere Mensch. Wenn ich zu Hause bin, gehe ich zwar gerne laufen, aber ich liege dann auch auf der Couch und schaue Netflix. Bei meiner Familie tanke ich Kraft. Meine Frau versucht mich immer zu motivieren, dass wir mehr unternehmen. Das muss ich noch ein wenig lernen, diese Balance zu finden. Die Familie hat auf viel verzichtet, das will ich dann zurück geben. Das gelingt mir nicht immer, weil ich den Job noch nicht so abschütteln kann.
Wie sieht Weihnachten bei Ihnen aus?
Kraft tanken, genießen und Ruhe haben. Auch im Jogginganzug.
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