Kurzbesuch

Anstoß: Magische Momente
Fahrtenbuch: Der Durchschnittspole hat 15 Minuten Sex pro Woche und hält sich für einen ausgezeichneten Liebhaber.
Kurzbesuch

Verdammt. Der morgendliche Blick aus dem Fenster auf das vor dem Hotel geparkte Auto macht unsicher. Hat es nicht geheißen, dass Samstag, Sonntag und Feiertag die Kurzparkzone in Warschau nicht gelte?

Warum ist dann ein Zettel unter dem Scheibenwischer? Naja. Wenigstens haben sie die Strafzettel zur Erheiterung der Autofahrer bunt gemacht. Wenig später erweist sich der vermeintliche Strafzettel als Visitenkarte. Und es ist nicht nur eine Karte, es sind zwei. Und an die Scheibe der Tür ist eine dritte geklemmt. Zwei Erotikclubs bitten zur Visite, ein Escortservice bietet Begleitschutz an. Aber warum wirbt man auf einem Auto mit österreichischem Nummernschild für eine schnelle Nummer?

Die ist ja eher etwas für den Durchschnittspolen. Professor Zbigniew Izdebski, Sexualwissenschaftler an der Universität Warschau, brachte in einer Studie Licht ins Dunkel der polnischen Schlafzimmer. Der Durchschnittspole hat 15 Minuten Sex – wöchentlich. Meist Freitag oder Samstag nach den letzten Nachrichten im Fernsehen, in völliger Dunkelheit und blitzschnell.

Dunkle Seite

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Vielleicht hat die junge Dame im knappen Outfit deswegen so verführerisch einen Touristen angelacht –, weil sie die schnellen Polen aus ihrem Kurzzeitgedächtnis gestrichen hat. Die junge Dame rauchte eine Zigarette vor dem Coyote. Dieser Gentlemen’s Club liegt zwischen Jazz-Club und fünf In-Bars – und vis-à-vis des mit Visitenkarten geschmückten Autos. Die Lage des Coyote und die Zeit des Abstechers ist ideal für Pole Biedermann – quasi im Vorbeigehen, am Wochenende, im Finstern. Aber nur für jeden zehnten Polen. Denn den anderen neun ist nicht nach erotischem Zeitvertreib, sie behaupten, dass es ihnen in ihrem erotischen Leben an nichts fehlt. Warum auch: Die polnischen Männer halten sich – ganz selbstbewusst – im Vergleich zu anderen Europäern allgemein für gute Liebhaber.

Aber unter der Decke rumort es. Viele junge Männer haben nicht selten Angst um ihre Männlichkeit. Statt zum Arzt oder Psychologen gehen sie zur leichten Dame, um ihre Männlichkeit auf die Probe zu stellen. Bei einer Befragung von 400 Prostituierten in Warschau über das Sexualverhalten der Männer erzählten viele Damen, dass die Kunden immer mehr Zärtlichkeit statt Sex suchen.

´Neugierige Frauen

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Und was sagt Frau Polin zur Flucht der Männer aus der knutschfreien Zone? 40 Prozent der Frauen erwarten von ihrem Partner etwas mehr Engagement und auch Fantasie. Die moderne Polin orientiert sich gerne an der Regenbogenpresse, wo es heißt, dass sie ein volles Recht auf ­Ini­tiative und Engagement des Partners habe. Die Polin an und für sich ist gar nicht konservativ, sie hat bei sexuellen Dingen einiges an Fantasie. Nur fürchten viele Frauen, bei einem neuen Partner wieder von vorn beginnen zu müssen – sexuelle Geschicklichkeit könnte ja Rückschlüsse auf die Anzahl ihrer Ex-Liebhaber zulassen.

Das kann auf Dauer lästig sein. Und dazu führen, dass Dörfer wie Dlugomilowice nahe der tschechischen Grenze am Aussterben sind. Lang lieben ist bei den Polen eben out.

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