DFB-Teamchef Löw vor der EM: "Sehne mich nach Anonymität"

DFB-Teamchef Löw vor der EM: "Sehne mich nach Anonymität"
Der deutsche Bundestrainer spricht vor dem EM-Test am Mittwoch gegen Dänemark über sein Gefühlsleben.

Deutschland Teamchef Joachim Löw ließ im aktuellen Interview mit der Deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" beeindruckende Einblicke in sein Gefühlsleben in seiner 15-jährigen Ära zu. Vor seinem letzten großen Turnier mit dem DFB-Team sprach er über die schlimme Zeit nach dem WM-Titel 2014, sein gutes Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel und seine Zukunft.

Seine besondere Rolle in der Öffentlichkeit und das „Wellenbad der Gefühle“ als oberster deutscher Fußballlehrer hätten ihn verschlossener gemacht. „Das ist der Preis dieses Lebens als Bundestrainer. Ich habe mir natürlich so etwas wie einen Panzer zugelegt“, sagte Löw.

Im Kanzleramt auf ein Cordon Bleu mit Bratkartoffeln

Löw war vor dem Trainingslager in Seefeld, wo er derzeit die deutsche Nationalmannschaft auf die am 11. Juni beginnende Fußball-EM vorbereitet, im Kanzleramt zu einem Essen mit Merkel (CDU). „Es gab Bratkartoffeln mit Cordon bleu“, berichtete der ewige Jogi und fügte hinzu: „Die Bratkartoffeln im Kanzleramt sind einsame spitze. Der dortige Koch kommt aus Südbaden, glaube ich.“ Löw ist im Schwarzwald geboren, lebt in Freiburg, hat aber auch eine Wohnung in Berlin.

DFB-Teamchef Löw vor der EM: "Sehne mich nach Anonymität"

Angela Merkel und Joachim Löw

Bei dem gemeinsamen Essen hätten die Bundeskanzlerin und er einige Gemeinsamkeiten festgestellt. „Wir finden beide, dass es jetzt ein guter Zeitpunkt ist, Abschied zu nehmen“, sagte Löw. Der 61-Jährige gibt nach der EM in diesem Sommer nach 15 Jahren sein Amt ab. Merkel ist seit November 2005 Bundeskanzlerin. Zur nächsten Wahl im September kandidiert die 66-Jährige nicht mehr. „Wir haben auch darüber gesprochen, dass nach einer so intensiven Zeit wahrscheinlich eine gewisse Leere auf uns zukommt“, verriet Löw.

DFB-Teamchef Löw vor der EM: "Sehne mich nach Anonymität"

Bierhoff, Köpke, Löw und Flick nach dem Titel 2014

Die 17 Jahre beim DFB haben den Ex-Profi geprägt und gewandelt: Immer im Blickpunkt, immer in der Kritik, immer öffentlich. „Sobald ich vor die Tür gehe, bin ich in der Öffentlichkeit. Dann werde ich erkannt und angesprochen. Es ist wunderschön, ich weiß dies zu schätzen.“ Aber an manchen Tagen sei das „eine schwere Belastung, da sehne ich mich nach Anonymität. Leider gelingt es mir nicht immer, diesen Panzer im privaten Leben einfach abzulegen“, sagte Löw.

Die Bürde nach dem 7:1

So sei das 7:1 bei der WM 2014 gegen Gastgeber Brasilien „vielleicht das schönste Spiel“ seiner Karriere gewesen: „Aber es war für mich als Trainer zu viel. Ich habe es nicht nur positiv gesehen. Mein erster Gedanke war, wie halte ich die Mannschaft bloß auf dem Boden, wie bremse ich die Euphorie.“ Manchmal sei er mit seinen Gedanken gar nicht da, lasse nicht mehr ständig Emotionen zu, „weil es als Trainer so viele sind, die man gar nicht alle an sich ranlassen darf“.

Er selbst stellt es sich „erleichternd vor“, wenn er nach seinem achten Turnier die Verantwortung für das DFB-Team an seinen Nachfolger Hansi Flick (56) abgibt: „Verantwortung ist manchmal schon eine Last. Ich freue mich auf eine gewisse Freiheit.“

Schon über den Triumph bei der Weltmeisterschaft 2014 hatte sich Löw nicht ausgelassen freuen können. „Nach dem Turnier war ich nicht weit weg von einer depressiven Verstimmung. Nach jedem Turnier ist da eine Leere.“ 2014 habe er länger gebraucht, wurde von mehr Selbstzweifeln geplagt als nach der WM-Blamage von 2018, als nach der Vorrunde Schluss war. Nach dem Titelgewinn 2014 zog sich Löw in ein Haus auf Sardinien zurück. "Ich wollte mal ein paar Tage allein sein. Dann kam mein Berater und sagte: In was für einer Stimmung bist du denn?! Du bist doch Weltmeister! Und machst hier den Anschein, als würde die Welt untergehen!"

Die Zukunft im Verein

Und was kommt nach der langen Zeit im Brennglas? „Ja, wir haben auch darüber gesprochen, wie so die Pläne sind“, berichtete Löw über das jüngste Treffen mit der Kanzlerin. „Ob uns langweilig wird? Wir hatten beide noch keine wirklichen Pläne.“ Die Frage, ob es sich Löw vorstellen könnte, wieder bei einem Verein zu arbeiten, beantwortete er mit: "Wenn Sie mich nach dem Turnier fragen würden: liebend gern!"

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