"Fußballer kämpfen nicht"

Schnell waren in Juba 72 junge Männer gefunden und ein Ball.
In einem Flüchtlingslager im Südsudan bekämpften sich verfeindete Stämme. Ein Fußball-Projekt trug zur Versöhnung bei.

Würde man die folgende Geschichte in einem Satz zusammenfassen, könnte sie ungefähr so lauten: "Gib zwei verfeindeten Stämmen im Südsudan einen Fußball und schon hören sie damit auf, sich gegenseitig umzubringen."

Doch ganz so einfach ist es doch nicht. Also etwas ausführlicher ...

Wien, Herbst 2016. Sophia Mohammed ist erstmals in Europa. Sie hat schon viel über Österreich gehört und doch staunt sie. Sie bewundert das "perfekte" U-Bahn-System und sie klagt – natürlich – über die bittere Kälte. Mohammed, geboren in Äthiopien, verheiratet mit einem Südsudanesen, ist Expertin für gemeindenahe Rehabilitation bei Licht für die Welt im Südsudan. Eine Woche lang ist sie hier zu Besuch und bespricht mit ihren österreichischen Kollegen die weitere Vorgehensweise in den diversen Projekten.

"Fußballer kämpfen nicht"
Juba, Südsudan, Flüchtlingslager
Bei einem Besuch in der KURIER-Sportredaktion erzählt sie von der verbindenden Kraft des Fußballs. Mohammed ist Verantwortliche für Sportprojekte in den Flüchtlingslagern des Südsudans. Doch weshalb Flüchtlingslager?

In der jungen Republik (2011 gegründet) mündete die Rivalität zwischen dem Präsidenten und seinem Vize in einem Bürgerkrieg. Im Vielvölkerstaat bekriegen sich vor allem die Stämme der Dinka, Schilluk und Nuer. Laut UNO flohen bereits 60.000 Menschen, die meisten nach Uganda. 2,25 Millionen sind innerhalb des eigenen Landes auf der Suche nach Sicherheit. Die finden sie in einem der vielen Flüchtlingslager. So zum Beispiel im Lager von Mahad, in der Nähe der 400.000-Einwohner-Stadt Juba.

Rivalitäten

12.000 Menschen diverser Ethnien aus dem ganzen Land leben hier, die meisten davon sind Christen. Zu tun gibt es nicht viel. Die Kinder gehen in die Schule. Die Älteren warten, essen (ein Mal am Tag um fünf Uhr) und schlafen. Die Fadesse, die Hitze, der Hunger sind ein Nährboden für Gewalt. Dazu kommt die Rivalität zwischen Dinka und Nuer. Scharmützel im Lager von Mahad waren an der Tagesordnung. Bis im Jahr 2014 Sophia Mohammed einschritt.

"Fußballer kämpfen nicht"
Juba, Südsudan, Flüchtlingslager
"Die Spannungen waren groß. Wir mussten etwas unternehmen, wir wollten die Jungen zusammenbringen. Und das hat am besten mit Fußball funktioniert."

Schnell waren 72 junge Männer gefunden und ein Ball. "Die ersten Monate waren sehr herausfordernd", erzählt Sophia Mohammed. "Das Aggressionspotenzial war hoch, da die Männer aus den verschiedenen Stämmen gemeinsam gespielt haben. Es hat hin und wieder auch kleinere Scharmützel innerhalb der Mannschaft gegeben." Doch dann wurde aus der Mannschaft ein Team.

Mohammed erzählt von Teamkapitän Jama. Der 19-Jährige bedankte sich bei ihr: "Wir haben uns immer als Stammesvertreter gesehen. Dann habe ich den Spielern erklärt, dass Fußball ein Spiel ist und der Platz kein Schlachtfeld. Und bald wurde klar: Fußballer kämpfen nicht. Sie spielen Fußball."

Trainingspläne

Regelmäßige Trainingstermine wurde eingeführt, erste Turniere gegen Mannschaften aus anderen Camps organisiert. Die Spieler schauten nicht nur aufeinander, sondern auf das Wohl des ganzen Camps. Sie übernahmen die Nachtwache, um zu verhindern, dass Betrunkene ins Camp kommen; und sie halfen Händlern beim Ab- und Aufladen ihrer Waren.

"Fußballer kämpfen nicht"
Sophia Mohammed war vom Erfolg des Projekts so beeindruckt, dass es ausgebaut wurde. Sie gründete eine Fußball- und eine Volleyball-Mannschaft für Frauen. "Frauen sind im Südsudan sehr schüchtern", erzählt sie. "Im Normalfall sitzen sie bei ihren Eltern daheim und warten darauf, bis sie verheiratet werden." Durch den Sport haben sie nun fixe Termine, neue Sozialkontakte, neue Gesprächspartner, Selbstvertrauen. Mohammed: "Im Lager von Mahad trauen sich Frauen plötzlich, auch ‚Nein‘ zu sagen."Spenden für dieses Projektwww.licht-fuer-die-welt.at

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