70 Jahre Schneckerl: "Ich bin immer auf die Butterseite gefallen"

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Österreichs Jahrhundertfußballer feiert am 8. August seinen 70er. Worauf er wirklich stolz ist und warum er mit Treue am Besten fährt.

Am 8. August wird er 70. Doch die Feierlichkeiten wie ein Konzert am 1. August auf der Tullner Donaubühne und Interviews starteten schon in den Wochen davor. Herbert Prohaska ist eine lebende Legende und nicht nur Fußballfans in Österreich ein Begriff. 

Ein Gespräch mit „Schneckerl“ ist stets unterhaltsam. Weil er immer viel zu erzählen hat.

KURIER: Haben Sie sich mit der Zahl 70 schon angefreundet? Bedeuten Ihnen Zahlen überhaupt etwas?

Herbert Prohaska: Was das Alter betrifft, nein. Es ist ohnehin nicht zu ändern, gleich ob es mich stört oder nicht. Allerdings sagt es dir: Der letzte Lebensabschnitt ist jetzt eingeläutet.

Macht Sie das nachdenklich?

Nein. Solange es mir nicht schlecht geht, ändert sich ja nichts. Ich bewundere ja die Menschen, die 70 sind und sagen, sie fühlten sich wie 50. Ich bin 70 und so fühle ich mich auch. Ich weiß, dass ich mit 50 zehnmal besser beisammen war. Ich kann aber behaupten: 70 Jahre, eigentlich immer auf die Butterseite gefallen, keine Rückschläge außer normal menschliche. Wenn der Vater stirbt, oder die Schwiegermutter, die 41 Jahre lang bei uns gelebt hat. Das ist kein Pech, sondern der Lauf des Lebens. Meine Fußballerkarriere, meine private Seite mit meiner Familie – da war ich vom Glück begleitet und muss Danke sagen.

Türkei - Österreich 1977

Würden Sie heute irgendetwas anders machen?

Das ist schwer. Vielleicht hätte ich noch ein, zwei Jahre länger in Italien bleiben sollen. Roma hat mich damals in meinem Stolz getroffen. Nach 41 Jahren wieder den Titel holen, jeder mag dich, es steht nicht zur Debatte, ob ich spiele oder nicht. Und nur weil Falcao einen Wickel mit dem Präsidenten hatte, bleibe ich am Ende als dritter Legionär übrig. Am nächsten Tag hätte ich bei Torino unterschreiben können. Es wäre super gewesen mit Walter Schachner zu spielen und in Turin zu leben. Aber ich hatte in dem Moment genug von Italien und wollte heim.

Worauf sind Sie stolz?

Auf meine Familie. Wir haben ein Familienleben, das du dir wünschen kannst, aber in der Realität nur selten stattfindet. Wir haben zwei super Töchter, zwei tolle Schwiegersöhne und vier Enkel, die uns anrufen und fragen, ob wir gemeinsam auf Urlaub fahren. Das ist schon ungewöhnlich und großartig.

Was ist Ihnen wichtiger? Wenn Leute sagen Prohaska, der Jahrhundertfußballer, oder Schneckerl, ein leiwander Mensch?

Das Zweite ist mir lieber. Natürlich bin ich stolz auf den Jahrhundertfußballer, das hätten aber zehn andere Spieler auch werden können. Ich fühle mich nicht so, bin aber dazu gewählt worden. Das freut mich. Was ich aber sein möchte, das ist ein guter Mensch.

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Stimmt die Geschichte, dass ein Enkel Sie gefragt hat, ob Sie jemals Fußball gespielt haben?

Nicht ganz. Früher haben wir im Keller mit einem Softball gespielt und ich habe ihn immer gewinnen lassen. Ganz untypisch für mich. Dann ist er zu meiner Tochter gegangen und hat gemeint: Mama, du hast immer gesagt, der Opa war so ein guter Fußballer. Der hat aber gegen mich noch nie gewonnen.

Welches Leben hätten Sie geführt, wären Sie nicht Fußballer geworden?

Automechaniker. Und Fußball hätte ich bei Ostbahn XI gespielt. Ich war gerne Automechaniker.

Könnten Sie Ihr Auto noch reparieren?

Nein. Ich wäre ja damals fast bei der Prüfung durchgefallen. Unsere Firma hatte damals keine Diesel-Fahrzeuge. Bei der Prüfung zog ich die Dieselkarte. Dem Prüfer habe ich mein Problem erklärt, er war so anständig, dass er mir alles erklärt hat, und am nächsten Tag habe ich die mündliche Prüfung geschafft. Das war sehr fair von ihm.

Vereinstreue damals und heute. Warum ist das anders?

Wenn du heute zehn Spiele sehr gut bist, holt dich jemand aus dem Ausland. Das ist in Österreich wie am Wühltisch. Damals durften maximal zwei Legionäre spielen. Daher war automatisch die heimische Liga stärker, weil viele innerhalb gewechselt sind. Ich will heute ihr Geld haben, aber nicht spielen. Ich glaube nicht, dass heute viel Platz für Freundschaften bleibt. Bei der Austria war das der Fall, wir sind gemeinsam in Musicals, ins Kino oder tanzen gegangen, auf Urlaub gefahren. Ich habe sicherlich mit sieben oder acht Spielern über zehn Jahre zusammengespielt. Das geht sich heute gar nicht mehr aus.

Was würden Sie heute verdienen?

Keine Ahnung. Außerdem ist es nicht zu vergleichen. Durch die Ausländer-Reglementierung damals war ich für Inter automatisch mehr wert. Ich habe 13 Millionen Schilling gekostet, das war damals sehr viel Geld. Bei Inter habe ich das Vierfache von der Austria verdient. Also so schlecht war es nicht. In Italien hat man ja von Sponsoren usw. vieles zusätzlich bekommen. Jeder Meister-Spieler der Roma durfte sich ein Motorrad von Moto Guzzi aussuchen. Meines habe ich dem Sohn des Masseurs geschenkt. In Italien steht niemand über dem Fußballer, auch keine Sänger oder Schauspieler. Daran wird sich nichts geändert haben.

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Apropos Sänger: Antonello Venditti, der die Hymne „Grazie Roma“ geschrieben hat, spielte einst auf der Donauinsel und bestand darauf, dass Sie zum Konzert kommen.

Ich erhielt vom Management einen Anruf. Einer seiner Vertragspunkte war, dass ich dort erscheine, weil er hatte einen Brief von den Fans der Curva Sud für mich mit, den musste er mir übergeben. Zunächst glaubte ich an einen Scherz. Venditti geht bei der Roma ein und aus und weiß mehr über den Verein als jeder Mitarbeiter.

Warum wird in der Öffentlichkeit der Name Prohaska nie mit einem Skandal in Verbindung gebracht?

Weil es keinen gegeben hat. Keine Raufereien oder sonst etwas. Natürlich waren wir auch hin und wieder länger unterwegs und sind später heimgekommen.

Ein Segen, dass es damals noch keine Social Media gegeben hat?

Klar. Das braucht ja keiner, dass du wo sitzt, einer macht ein Foto, 30 Minuten später ist es online. Hätte es damals das alles schon gegeben, wäre ich vielleicht nicht in ein Lokal gegangen.

Ist Ihre Tätigkeit als TV-Experte mehr Arbeit oder mehr Vergnügen?

Es wird immer Vergnügen sein, sonst würde ich es nicht machen. Mit Spaß geht es besser.

Wie gehen Sie mit Kritik um?

Egal ist sie mir nicht. Einmal hat mir jemand geschrieben und mich darauf hingewiesen, dass ich ein Wort ständig verwende. Das habe ich dann beherzigt. Grammatik- und Fallfehler sind mir nicht so wichtig, weil ich den Leuten ja etwas über Fußball erzähle und sie nicht in Deutsch unterrichte. Ich bin im Wiener Dialekt aufgewachsen. Da spielen Dativ und Akkusativ eine geringere Rolle. Als junger Spieler habe ich mich über Kritik fürchterlich aufgeregt, aber das ändert sich alles mit der Zeit.

Wie lange sehen Sie sich noch als TV-Experte?

Mein Ziel war immer die WM 2026, danach ist alles offen. Dann muss der ORF auf mich zukommen und sagen, was er will. Es wird auf alle Fälle in Freundschaft weiter- oder auseinandergehen. Ich bin ja schon seit 25 Jahren beim ORF. Ich hatte auch Angebote von anderen Sendern, für mich war aber klar, dass ich beim ORF bleibe, auch wenn mir jemand das Doppelte gezahlt hätte. Austria-Boss Joschi Walter hat mir einmal gesagt: Sei immer ein treuer Partner, damit wirst du am Besten fahren. Auch wenn das den KURIER jetzt nicht freuen wird, ich bin auch seit 25 Jahren bei der Kronen Zeitung. Ebenso bei Superfund.

Ein Wegbegleiter ist Hans Krankl. Zwischen Ihnen gibt es einige Parallelen.

Hunderte.

Wer singt besser, wer zieht sich besser an?

Er war immer ein bisschen ein Modefreak, war sicher immer besser angezogen. Ähnlich ist es beim Singen. Er hat ja glaube ich Millionen CDs zu Hause. Bei ihm ist das professioneller, bei mir Hobby und Spaß.

FUSSBALL: UNIQA ÖFB CUP / FINALE / RZ PELLETS WAC - TSV EGGER GLAS HARTBERG

Aber Sie spielen besser Tennis, oder?

Ich glaub, er spielt ja gar nicht. Der Hans braucht Dinge, in denen er wirklich gut ist. Bei einem Jux-Turnier habe ich einmal ganz knapp im Tie-Break gegen ihn gewonnen. Er hat mir die Hand gegeben, sich umgezogen und ist ang’fressen heimgefahren.

Was ist für Sie die schönste Stadt? Oder anders gefragt: Happyland oder Trevi-Brunnen?

Da nehm ich lieber Happyland, weil zum Trevi-Brunnen kommt man ja gar nicht mehr hin. Nein, natürlich liebe ich Rom. Der Plan damals war ja, dass ich mein zweites Vertragsjahr mache, danach hätten sie wahrscheinlich noch verlängert. Da war schon die Überlegung da, dort zu leben. Wir wollten die Wohnung kaufen, haben uns schon wegen Schulen für die Kinder erkundigt.

Ihre Verabschiedung im TV ist mittlerweile legendär. Sagen Sie Ihrer Frau genauso „Gute Nacht“ wie dem Rest Österreichs?

Nicht genau so und vor allem etwas früher. Das „Gute Nacht“ ist eigentlich zufällig entstanden. Am Anfang hat sich Rainer Pariasek verabschiedet, und es war aus. Ich habe gesagt, es würde sich schon gehören, dass ich mich auch verabschiede. So ist das entstanden. Mittlerweile rufen mir die Leute über die Straße „Gute Nacht“ zu. Oder auch andere Dinge, die ich gesagt habe. Was ein bisschen peinlicher ist ...

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