Hans Krankl zum 70er: "Ich bereue nur eine einzige Sache"
Ein Gespräch mit viel Schmäh bei Kaffee. Hans Krankl zeigte sich in Plauderlaune, der Jubilar konnte lachen – auch über sich selbst. Es wurde wie so oft beim Goleador: le-gen-där.
KURIER: Merkt man an den Interview-Anfragen, dass ein Jubiläum vor der Tür steht?
Hans Krankl: Ja, da ist schon einiges los. Sky macht sogar eine Dokumentation, da muss ich sogar mit ihnen nach Jesolo fahren und spazieren gehen am Strand. Also machen wir einen mittleren Spielfilm. Aber dort fahre ich gerne hin, auch wenn das Wetter momentan nicht so einladend ist.
Wie war das Leben bisher zu Ihnen?
Eigentlich sehr gut. Der 70er macht mir keine Probleme, der tut nicht weh. Wenn ich nachdenke, dann denke ich nie, dass ich 70 Jahre bin.
Also 70 ist nur eine Zahl?
Ja. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ich so alt bin. Ich habe vorgestern noch Fußball gespielt und gestern war ich Trainer.
Bereuen Sie etwas?
Das Einzige, was ich bereue, das sage ich immer wieder, dass ich nach Barcelona nicht zum AC Milan gegangen bin. Da habe ich ein großes Angebot gehabt, das wäre fix gewesen. Ich war aber damals so ein Sturschädel und hab’ nur noch heim wollen zu Rapid. Es tut mir heute, viele Jahre danach, noch leid, dass ich nicht zum AC Milan gegangen bin. Eigentlich ist das meine zweite Mannschaft nach dem FC Barcelona. Es wäre schön gewesen.
Würden Sie sagen, dass Sie damals ungeduldig, weil eben jung waren?
Nein, ich war einfach ein Sturschädel. Auch in der Entscheidung, Barcelona zu verlassen. Ich habe damals gesagt: „Wenn ihr mich nicht wollt, dann geh ich heim.“ Sie wollten mich aber nach Mailand verkaufen, weil sie dann viel Geld bekommen hätten. Das war wahrscheinlich ein Mitgrund für mich. Heute sage ich es mittlerweile ohne Emotion: Ich bereue es.
Worauf sind Sie stolz?
Da gäbe es viele Sachen, da müssten wir mit dem Interview aufhören. Die Nummer eins ist aber ganz klar die Familie. Ich bin stolz drauf, dass ich dieses Jahr im Dezember 50 Jahre verheiratet bin. 50 Jahre. Das ist die größte Ehre und der größte Stolz, den ich habe. Ich bin stolz auf den Europacupsieg mit Barcelona, ich bin stolz als Finalist mit Rapid. Ich bin stolz auf den Goldenen Schuh, ich bin stolz auf den Silbernen Schuh. Ich bin stolz auf sechs Mal Torschützenkönig, ich bin stolz auf fünfmal Fußballer des Jahres.
War das Familienleben immer schon in Ihnen, ist das weitergegeben worden?
Das ist mit Sicherheit von meiner Mutter und meinem Vater weitergegeben worden. Meine Eltern waren ebenfalls sehr lange verheiratet. Viele fragen mich, wie das heutzutage überhaupt geht, 50 Jahre verheiratet zu sein. Ich hab halt die Richtige gefunden – und das ist ein Glück. Manche haben halt kein Glück, die müssen nach einem, fünf, zehn oder zwanzig Jahren umtauschen. Aus welchen Gründen auch immer.
Zu Ihrem Jubiläum könnten Sie einen Ehe-Ratgeber herausbringen ...
Absolut, das wäre ein Bestseller. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte, aber 50 Jahre, das ist genau so eine Leistung wie die sportlichen Erfolge. Für mich eigentlich noch mehr. Weil die Familie dadurch gewachsen ist. Ich habe drei Enkeltöchter mit 15, 14 und 5 Jahren. Die mit 5 Jahren ist ... Nitroglyzerin, Dynamit. Wenn sie da ist, dann bebt die Luft. Jeden Moment eine Explosion, jeden Moment eine neue Wuchtel.
Gibt es überhaupt Wünsche für die nächsten 70 Jahre?
Natürlich Gesundheit, Zufriedenheit, keine Kriege – diese Klischees, die alle sagen. Das denkt sich jeder. Ich hoffe nur, dass ich nicht krank werde, dass niemand von meiner Familie krank wird, und dass es uns gut geht. Das ist schon alles. Ich habe damals als Fußballer sehr gut verdient, aber gegen heute sind das Peanuts. Heute wäre ich Multi-Multi-Multi-Millionär, wenn ich dieselbe Situation wieder hätte, wie ich sie bei Barcelona gehabt habe. Ich vergönne es den Leuten von Herzen. Ich weiß nicht, ob ich heute glücklich wäre mit so viel Geld.
Finden Sie den Fußball heute unverschämt?
Das Geld im Fußball, das ist schon alles zu viel. Es hat schon längst einen Punkt erreicht, wo alles explodieren sollte. Vielleicht kommt das noch. Für die hohen Ablösesummen können die Spieler nichts. Ich frage mich dabei immer nur: Fließt dieses Geld wirklich? Wie können 200 Millionen fließen? Von wem zu wem? Ich stelle mir das irrsinnig schwierig vor. Dass die Spieler so viel Geld verdienen, das ist okay, vor allem die Spitzenspieler – da spreche ich von Messi und Ronaldo. Der Markt gibt es her, warum sollen sie es nicht nehmen. Sie verdienen sich das, weil sie ganz einfach außergewöhnliche Spieler sind. Aber es ist eine Grenze längst überschritten – in Sachen Geld, im Narrisch-Sein, in diesem Druck, der auf den Spielern herrscht. Wenn man sieht, wie Messi oder Ronaldo weinen oder lachen, obwohl sie Multimillionäre sind – darum sind sie die Kicker. Weil sie immer noch Fußballer sind, trotz allen Geldes. Nicht alle, aber die zwei sicher.
Würden Sie sich in dieser Zeit mit Social Media wohlfühlen?
Nein. Viele wissen ja nicht mehr, wie ich als Spieler war, weil sie zu jung sind. Als Spieler habe ich das nie wollen. Das Thema Familie hat es bei mir nie gegeben. Bei mir hat es nie eine Homestory gegeben. Darum sage ich ja: Ich bin es denen nicht neidig. Weil dieses Beobachtet-Sein mit Handys und so weiter, das wäre für mich ein Gräuel.
Mit 70 erinnere ich mich nie an schlechte Dinge. Heute kann ich daher sagen: Ich habe nie schlecht gespielt, es hat kein Spiel gegeben, in dem ich kein Tor geschossen habe. Mich haben sie nie ausgepfiffen"
Können Sie heute mehr über sich selbst lachen?
Ja, das liegt in der Weisheit des Alters. Als Junger ist man mehr ang’rührt. Je älter man wird, desto besser wird man. Mit jedem Jahr werde ich noch viel besser, als ich war. Mit 70 erinnere ich mich nie an schlechte Dinge. Heute kann ich daher sagen: Ich habe nie schlecht gespielt, es hat kein Spiel gegeben, in dem ich kein Tor geschossen habe. Mich haben sie nie ausgepfiffen.
Und Sie haben sich viel bewegt, sind auf die Seiten ausgewichen und haben Ihre eigenen Flanken verwertet?
Ja, richtig, so ist es. Das macht die Zeit mit dir. Ich werde mit dem Jahr noch besser. Die Menschen bilden sich das ein. Und es ist gut so.
Wurden Sie auf der Straße jemals aggressiv angesprochen?
Nein, zum Glück nicht. Mir ist viel Sympathie entgegengeströmt, dafür bin ich dankbar. Sogar als Teamchef damals, und da gewinnst du auch nicht alle Spiele.
Schauen Sie sich Ihre legendäre Wutrede von Nordirland manchmal an?
Na was heißt! Das ist ein Traum. Wie schön ich die Haare gehabt habe! Einen schönen Blazer und die Österreich-Krawatte. Ich war völlig aus dem Häusl.
Die Gelassenheit, die Sie jetzt an den Tag legen ...
Die ist gespielt.
Wie wichtig ist Humor, vor allem in heutigen Zeiten?
Humor war mir immer wichtig. Leute, die mich wirklich gut kennen, wissen, wie wir Schmäh führen. Die Pandemie war wie für alle nicht leiwand. Ich bin halt jeden Tag meine Runde gegangen. Es ist unglaublich, dass wir so etwas erleben müssen. Wahrscheinlich waren der Humor und die Musik hilfreich.
Musik ist Ihre zweite große Liebe neben dem Fußball ...
Ja, mit 12 Jahren habe ich begonnen, Platten zu sammeln. Mit 20 habe ich den Jazz regelrecht studiert, habe Hunderte Biografien gelesen. Ich habe Freunde gehabt, die in Bands gespielt haben. Da bin ich hingegangen, habe mich wichtig gemacht und bin wieder zum Fußball gegangen. Ich habe immer Menschen kennengelernt, die professionell Musik machen, wie Monti Beton. Mit ihnen spiele ich seit über 20 Jahren. Livemusik ist mein zweites Standbein. Das hat mir geholfen, ich musste mich konzentrieren, wollte besser werden. Ein Auftritt auf der Bühne ist wie ein Match im Stadion. Ich war genauso aufgeregt.
Bei der Musik geht es wie beim Fußball um Emotionen.
Richtig. Um Emotion, aber auch um Nervosität, man will gut sein, wenige Fehler machen, man will, dass es den Leuten gefällt.
Wären Sie nicht Fußballer geworden, wäre Johann K. Profi-Musiker gewesen?
Rockmusiker. Aber wenn du als Musiker in Österreich auf die Welt kommst, dann hast du es schwer. Wir lieben unseren Austro-Pop, aber Austro-Pop ist Austro-Pop. Dann haben wir noch Falco und Opus mit einer Nummer. Wäre ich nicht Mittelstürmer geworden, wäre ich Leadsänger bei Led Zeppelin oder Deep Purple geworden. Minimum. Beatles oder Stones traue ich mich nicht zu sagen.
Als Experte beim Sender „Sky“ haben Sie Bezug zum Fußball. Reicht Ihnen das?
Ja. Als ich als Teamchef abgelöst wurde, war mir klar, dass ich das irgendwann nicht mehr möchte. Die Singerei ist jetzt 100-mal schöner, auch wenn der Fußball meine Liebe ist.
Ist Lionel Messi der Größte aller Zeiten?
Jede Generation hat ihren Besten. Als ich ein Kind war, habe ich 1970 Pelé bei der WM gesehen. Der war der Beste. Dann war das erste Idol, das ich damals am Heustadlwasser gesehen habe, der Rudi Flögel. Das habe ich ihm später auch gesagt. Dann wirst du älter, hast das Leiberl draußen und die Stutzen unten – da war mein größtes Idol George Best. Ein Rockstar. Und so geht das weiter. Aber Messi ist wahrscheinlich der Größte, weil er noch dazu bei meinem Verein Barcelona spielte. Ich liebe Leo Messi.
Sie haben in Spanien gespielt, leben in Italien und sind in Wien zu Hause.
Stimmt. Zu Hause bin ich in Wien, aber ich habe ein zweites Zuhause in Amerika, in Italien und in Barcelona.
Sind Sie mehr Italiener als Spanier?
Ich bin ein italienischer spanischer Katalane mit amerikanischem Einschlag. Ich bin ein echter Wiener. Ich bin so stolz auf diese Stadt.
Modisch immer am letzten Stand: Wann kam die Liebe für den italienischen Zwirn?
Das hat mit meinen Eltern zu tun. Wir waren immer in Lignano auf Urlaub. Mein Vater war in Italien in Kriegsgefangenschaft, er konnte perfekt Italienisch. So wurde mir das nähergebracht. Daher meine Liebe zu Italien, das ist genau mein Lebensgefühl.
Kein Gespräch mit Ihnen ohne Rapid. Was fällt Ihnen zu Ihrem Verein ein?
Leider waren die letzten Jahre dem Klub nicht würdig. Man wollte nun alles ändern, das hat man nicht gemacht, vieles ist beim Alten geblieben. Nun sind drei Jüngere am Werk, ich hoffe, dass es mit ihnen besser wird. Ich wünsche ihnen viel Glück.
Wann spielt U2 wieder auf der Donauinsel?
Das frage ich mich auch. Damals bei dem Konzert war ich von der Bühne 300 Meter entfernt, mit meinem Sohn Johann bin ich auf Mistkübeln gestanden. Und der Bono hat mich nicht bemerkt, was ein Witz ist.
Vielleicht hat er damals schlecht gesehen ...
Nein, er hätte mir ein Zeichen geben müssen. Ich sollte ja generell mehr auf Konzerte gehen. Aber ich mag diese Drängerei nicht mehr.
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