Hass auf den Tribünen: Entsetzen nach den Krawallen in Marseille

Hass auf den Tribünen: Entsetzen nach den Krawallen in Marseille
Auch bei Frankfurt konnte man sich über den Sieg in der Champions League nicht richtig freuen. Es droht ein Geisterspiel.

Die bedrückenden Bilder der Pyro-Schlacht von Marseille stürzten Spieler und Verantwortliche von Eintracht Frankfurt nach dem historischen Premierensieg in der Champions League in einen Zwiespalt der Gefühle und werden noch einige Zeit nachwirken. Die Erleichterung nach dem 1:0 bei Olympique Marseille mündete am Dienstagabend nicht in ausgelassenen Jubel, zu groß war das Entsetzen über den Hass und die Aggressivität auf den Rängen im Stade Velodrome.

"Wir haben solch einen Tag in dieser Form noch nicht erlebt und in dieser Weise auch nicht für möglich gehalten“, sagte Frankfurts Vorstandsmitglied Philipp Reschke sichtlich konsterniert. "So richtige Freude mag nicht aufkommen. Wir müssen das erst einmal Stück für Stück sauber aufarbeiten.“

Die Vorkommnisse, bei denen ein Eintracht-Fan schwer verletzt wurde, zeigten nicht einmal eine Woche nach den heftigen Ausschreitungen beim Conference-League-Spiel zwischen OGC Nizza und dem 1. FC Köln erneut die hässliche Seite des Fußballs. Vor, während und nach dem Spiel hatten sich Anhänger beider Teams gegenseitig mit Leuchtraketen beschossen und Böller in den jeweils anderen Block geworfen.

"Das geht einfach nicht. Da missbrauchen ein paar Chaoten die Fußballbühne, um Gewalt und Aggressionen auszuleben. Dafür haben wir alle null Verständnis“, kritisierte Eintracht-Trainer Oliver Glasner. "Wenn du beginnst, mit deinem Nachbarn Böller hin und her zu schießen, dann landest du vielleicht irgendwann im Gefängnis. Von daher hat das hier nichts verloren. Da gibt es keine zwei Meinungen.“

"Dreckige Bilder"

Für die Eintracht-Profis gab es von Glasner dagegen viel Lob. "Großes Kompliment für diesen Auftritt. Die Spieler haben gezeigt, dass sie eine großartige Mannschaft sind. Wenn wir an unserer Leistungsgrenze spielen, können wir in ganz vielen Stadien gegen ganz viele Gegner gewinnen“, sagte der 48 Jahre alte Österreicher über die durch das Siegtor von Jesper Lindström (43. Minute) gekrönte starke Vorstellung.

Die wurde jedoch von den Ausschreitungen überlagert. "Auch wenn das sportliche Aufeinandertreffen nicht von hohem Niveau war, ziehen wir es doch hundert Mal den dreckigen Bildern der spannungsgeladenen Tribünen vor, die die UEFA nicht lange gleichmütig lassen sollten", kommentierte die französische Zeitung Le Parisien die Vorfälle.

Eintracht-Vorstand Reschke verwies zwar zurecht darauf, dass die Zahl der Täter aufseiten der Gastgeber wesentlich größer gewesen sei. Doch das Verhalten der eigenen Fans, die ebenfalls enorm viel Pyrotechnik ins Stadion mitgebracht und in die gegnerischen Blöcke gefeuert hatten, konnte und wollte er nicht schönreden. "Es soll nichts entschuldigt werden, was da rübergeschossen wurde", sagte Reschke.

Welche Konsequenzen den Verein erwarten, vermochte er noch nicht abzuschätzen. Nachdem die Europäische Fußball-Union den wegen des Platzsturms beim Europa-League-Halbfinale gegen West Ham United verhängten Zuschauerausschluss für ein Spiel in einem internationalen Clubwettbewerb zur Bewährung ausgesetzt hatte, dürfen die Frankfurter als Wiederholungstäter aber wohl kaum auf Milde der UEFA hoffen.

Offen scheint lediglich, ob die Eintracht mit einem Geisterspiel bei der nächsten Heimpartie gegen Tottenham Hotspur am 4. Oktober bestraft wird oder bei einem der nächsten Auftritte in der Fremde auf die Unterstützung ihrer Anhänger verzichten muss. "Wenn ich eine Bestrafung fürchte, dann eher für ein Auswärtsspiel. Ich kann aber auch nicht ausschließen, dass die Bewährung für das Heimspiel durch die Geschichte betroffen ist", sagte Reschke.

"Ausgeartet"

Angesichts der Begleitumstände konnten die Eintracht-Profis ihren sportlichen Befreiungsschlag, durch den sie in der Gruppe D nach der Auftaktpleite gegen Sporting Lissabon wieder voll im Geschäft sind, nicht richtig auskosten. "Solche Szenen haben mit einem Champions-League-Spiel nichts zu tun“, kritisierte Kapitän Sebastian Rode. Und Nationaltorwart Kevin Trapp stellte fest: "Es ist unheimlich schade, dass es so ausgeartet ist."

Zumal sich der Bundesligist im Nachgang noch mit einem anderen Vorfall beschäftigen muss. Internetbilder hatten am Dienstagabend für Wirbel gesorgt, weil sie einen Eintracht-Fan beim Hitlergruß zeigen sollen. Die auf dem Video zu sehende Person habe sich noch während des Spiels beim Eintracht-Fanbeauftragten gemeldet und den Vorwurf einer antisemitischen Intention nachdrücklich zurückgewiesen, teilte der Verein später mit und kündigte an: "Eintracht Frankfurt wird diesen Vorgang und die Darstellung des Betreffenden ausführlich überprüfen."

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