Gegner Nordirland: Robust, zäh und gerne unterschätzt

Schlüsselspieler in grün: Oliver Norwood, Nordirlands Regisseur
Nations League: Alles oder Nichts? Österreich braucht gegen Nordirland einen Sieg. Der Gegner ist eine harte Nuss.

Die Ausgangslage ist klar. Will Österreich in der Dreiergruppe der Nations League mit Bosnien-Herzegowina und Nordirland als Sieger hervorgehen, muss am Freitag im Wiener Prater (20.45 Uhr, live ORFeins) ein Sieg her gegen die Briten.

Doch so leicht die Rechnung in der Gruppe – die von den Bosniern mit sechs Punkten aus zwei Spielen angeführt wird – auch ist, so schwierig ist das Vorhaben.

Nordirland?

Freilich, da tendiert der gemeine rot-weiß-rote Fan zu Leichtsinn, vielleicht gar zur Überheblichkeit. Diese Inselkicker, die gerne als groß, massig, ungelenk aber weniger als technisch versiert eingeschätzt werden, müssten doch mit Leichtigkeit auszuspielen sein. Weit gefehlt.

Kick and Rush? Ja, wenn es sein muss, beherrschen die Nordiren diesen Stil. Doch ein Blick auf die jüngsten Partien zeigt: Diese Mannschaft kann weit mehr. Und sie ist sogar besser als jene aus Bosnien-Herzegowina. Zumindest war sie das am 8. September trotz der 1:2-Niederlage in Belfast. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir schon jemals so dominant aufgetreten sind. Vor allem nicht gegen einen Gegner dieser Qualität“, sagte Oliver Norwood gleichermaßen enttäuscht und stolz. Und das war immerhin Länderspiel Nr. 54 des 27-Jährigen.

Oliver Norwood, der bei Englands Zweitligist Sheffield United sein Geld verdient, ist der Schlüsselspieler seiner Mannschaft. Der zentrale, defensive Mittelfeldspieler, der in der Akademie von Manchester United groß geworden ist, diktiert mit seinem exzellenten Passspiel das Spiel mit dem Ball – sofern man dies zulässt.

Gegner Nordirland: Robust, zäh und gerne unterschätzt

Der Regisseur

Die Bosnier etwa haben dies bei ihrem schmeichelhaften Sieg in Belfast lange zugelassen. Das kann Österreich besser machen. Gelingt es, Norwoods Kreise einzuengen und den Spielaufbau auf andere – weniger versierte – Spieler zu lenken, sollte das Ballgewinne zur Folge haben. Gelingt dies nicht, wird es unangenehm. Nach den exakten Pässen von Norwood rücken die Nordiren nach und setzen den Gegner durch physische Präsenz unter Druck.

Andererseits lassen sich die Nordiren kaum auf Spielereien ein. Selbst unter Druck, spielen sie den Ball gerne zum Torhüter zurück, der dann einen hohen und weiten Abschlag folgen lässt. Dann kommt zum Tragen, was Franco Foda schon vorige Woche bei der Kaderbekanntgabe betont hatte: „Das Hauptkriterium wird sein, die zweiten Bälle im Mittelfeld zu gewinnen.“ Hier brauchen die Österreicher also handlungsschnelle Spieler. Etwa einen Stefan Ilsanker, der ein Meister in der Balleroberung ist.

Was Österreich noch braucht, ist eine klare Steigerung im Spiel mit dem Ball. Bei der 0:1-Niederlage in Bosnien war die Spieleröffnung fehlerhaft. Die Nordiren zeigten nicht nur gegen Bosnien, sondern auch beim 3:0-Sieg gegen Israel, dass sie gut und gerne Angriffspressing spielen können. Dazu stellen sie ihre Gegner schon beim Abstoß rund um den Strafraum zu und zwingen sie so zu hohen Abschlägen, um wiederum im Mittelfeld ihre Lufthoheit auszuspielen. Hat Österreich darauf neben einem ballsicheren Torhüter keine spielerische Lösungen, besteht die Gefahr, sich das Spiel der Nordiren aufzwingen zu lassen.

Gegner Nordirland: Robust, zäh und gerne unterschätzt

Schlüsselspieler in Rot: Prödl und Hinteregger müssen in der Luft präsent und am Ball sicher sein.

Die Standards

Und mit der Vielzahl an Zweikämpfen besteht auch die Gefahr an Fouls und damit verbundenen Freistößen. Die Standardsituationen gehören zu den größten Stärken der Nordiren. Auch hier ist Oliver Norwood zentrale Figur. Er tritt mit seinem rechten Fuß nahezu alle Freistöße und Eckbälle, die nicht nur scharf, sondern auch mit viel Effet kommen oder gefinkelt und variantenreich sind. Zwei der letzten vier Tore erzielte man aus Standards, ein weiteres nach einer Drucksituation im Anschluss an einen Eckball.

Franco Foda hat die Qual der Wahl. Auch, weil unsicher ist, ob der Gegner wie zuletzt in einem 4-3-3 oder etwa nur mit einem Stürmer agiert. Möglich ist wie zuletzt eine Dreierabwehr mit Dragovic statt Ilsanker, der diesmal im Mittelfeld auflaufen wird. Oder aber kehrt Österreichs Teamchef zu einer Viererabwehr zurück. In dieser könnte entweder Ulmer oder auch Hinteregger überraschend links außen agieren, um einen dritten kopfballstarken Abwehrspieler auf dem Feld zu haben.

So oder so wird Österreich neben einem guten Passspiel, Präsenz in der Luft und Handlungsschnelligkeit im Mittelfeld vor allem Geduld, einen kühlen Kopf und Nehmerqualitäten brauchen.

Es wartet eine zähe Partie.

Kommentare