Endlich vorbei: Der Testspielsommer
Laurent Blanc ist ein wankelmütiger Mann. Der Trainer von Paris Saint-Germain hatte noch am Vortag gemeint, dass das Freundschaftsspiel gegen Sturm Graz nur ein Training sei, eine sommerliche Nachmittagseinheit unter Wettkampfbedingungen, deren Alltäglichkeit dadurch betont werden solle, dass am Vormittag ganz normal trainiert werde. Doch dann saß er nach verlorenem Spiel doch mit gerunzelter Stirn vor einer Plastikwand mit aufgedruckten Vereins-Logos und sagte: „Wir waren sehr schlecht. Nach diesem Spiel werde ich der Mannschaft einige Dinge zu sagen haben.“ Dazu versuchte er, durch die Gläser seiner Brille möglichst grimmig vom Podium herabzuschauen.
Dabei war doch wirklich nichts geschehen. Gerade frisch aus der Sommerpause zurückgekehrt und im Aufbautraining stehend, hatte eine verstärkte Pariser Jugend-Auswahl gegen die Kampfmannschaft von Sturm Graz, die unmittelbar vor dem Start in Cup, Europa League und Meisterschaft stand, 1:3 verloren. Logisch irgendwie, auf jeden Fall kein Grund zur Panik. Vielleicht fühlte sich Blanc durch die Anwesenheit mehrerer TV-Kameras und eines ihn beharrlich duzenden Korrespondenten des Krawallblatts „Le Parisien“ genötigt, etwas Dramatisches zu sagen. Vielleicht fiel es ihm auch einfach schwer, in Anwesenheit der zahlreichen Medien die Bedeutungslosigkeit eines Sommer-Testspiels zu betonen, so, wie er es erst einen Tag zuvor getan hatte. Da war Blanc noch mit roter Sportmütze auf dem Fußballplatz gestanden und hatte zu ein paar Reportern gesagt: „Sicher spielen wir gegen einen Gegner, aber es ist vor allem eine zusätzliche Trainingseinheit.“
Alles ist wichtig
Vor ein paar Jahren haben Testspiele noch praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Doch seit sich das Fernsehen auf der Suche nach immer mehr dramatisierungswürdigen Elementen nicht mehr auf den Spieltag selbst beschränkt, sondern begonnen hat, Live-Bilder von Pressekonferenzen, Hotelankünften, Testspielen und Trainingseinheiten zu senden, dreht sich die Aufmerksamkeits- und Hysterisierungs-Spirale unaufhaltsam nach oben. Den Vereinen spielt das in die Hände, können sie doch mit diesen Spielen gutes Geld machen. Etwas ist wichtig, wenn es im Fernsehen übertragen wird, also sind auch sommerliche Freundschaftsspiele wichtig, eben weil sie im Fernsehen übertragen werden, obwohl in diesen Spielen pro Mannschaft zehn Mal gewechselt wird und manchmal Spieler zum Einsatz kommen, die selbst bei eingefleischten Fans Verwirrung stiften. Der „Hofmann“, der am vergangenen Freitag für Rapid gegen Paris Saint-Germain gespielt hat, war nicht Kapitän Steffen Hofmann, sondern ein 19-jähriges Bürschchen namens Maximilian, das bisher genau eine Einsatzminute in der Fußball-Bundesliga absolviert hat.
Dennoch werden diese banalen Spiele beworben, als handle es sich um richtige Europacup-Partien. In besonderer Erinnerung ist das „Jubiläumsspiel“ zum 110. Geburtstag von Rapid Wien. Ungeachtet der Tatsache, dass 110 Jahre kein wirklich runder Geburtstag sind, veranstaltete Rapid im Sommer 2009 gleich zwei groß vermarktete Freundschaftsspiele gegen Schalke 04 und Liverpool. Das Match gegen Liverpool wurde vor 50.000 Fans im Ernst-Happel-Stadion ausgetragen. Liverpools Stürmerstar Fernando Torres saß in Badeschlapfen auf der Bank, seine Mannschaftskameraden spielten mit um die Brust geschnallten Pulsmessgeräten. Höflich ließen die Gäste Rapid 1:0 gewinnen, die offizielle Vereins-Homepage titelte daraufhin: „Sensationeller Sieg gegen den FC Liverpool!“
Prestige-Erfolge, wohin man blickt
Wir lernen, dass es auch für österreichische Bundesliga-Klubs ein Leichtes ist, einen vom Aufbautraining erschöpften und ersatzgeschwächten Gegner im Dress eines internationalen Spitzenclubs zu besiegen. Die Bilanz dieses Sommers: Wacker Innsbruck gewinnt gegen den Hamburger SV, die Austria Wien gegen den Everton FC – beides „Prestige-Erfolge“. Sturm Graz besiegt Paris Saint-Germain, Salzburg Schalke 04 nach einer „Offensiv-Gala“. Nur Rapid hat sein großes Sommer-Testspiel gegen einen internationalen Starverein verloren, aber Rapid gewinnt derzeit nicht einmal gegen Drittligisten.
Zum Glück geht es diese Woche wieder mit dem richtigen Fußball los.
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