Frankreichs Sieg wurde zur Nebensache
Im Stade de France ist der Terror zu hören. Zwei Explosionen erschüttern während des Länderspiels der deutschen Weltmeister die Gegend um die Arena, in der 2016 der Europameister gekürt werden soll. Eine Massenpanik unter den fast 80.000 Besuchern bleibt aus.
Gleich der erste unglaublich laute Knall sorgt für ein mulmiges Gefühl auf den voll besetzten Rängen. Das Stade de France scheint kurz zu erzittern. Die Bombendrohung des Nachmittags am DFB-Teamhotel ist sofort wieder in Erinnerung. Dann, wenig später - es läuft noch die erste Spielhälfte - folgt ein zweiter Knall, irgendwo hinter der riesigen Betonschüssel. Eine Explosion? Doch der Ball rollt im Länderspiel der deutschen Weltmeister gegen den EM-Gastgeber Frankreich vor fast 80.000 Zuschauern weiter.
Unsicherheit
Im Stadion herrscht eine merkwürdig gedrückte Stimmung. Hubschrauber kreisen am Himmel. Was hat das alles zu bedeuten? Nach und nach sickern erste Informationen durch. Frankreichs Präsident Francois Hollande hat die Arena verlassen, heißt es. Die schrecklichen Geschehnisse in der Stadt werden nach und nach bekannt.
Dann folgt der Schlusspfiff. Das Stadion war während der Partie zeitweise abgeriegelt - damit es keine Massenpanik gibt, werden jetzt die Tore geöffnet. Nach draußen, aber auch nach drinnen zum Rasen hin. Tausende strömen in den Innenraum der Arena. Vor dem Stadion laufen kurzzeitig Menschen hektisch durcheinander, als ein Tor wieder geschlossen wird. Hunderte Menschen rennen zurück, die Treppen ins Stadioninnere hinauf - aber es gibt offensichtlich keine Verletzten.
Nach und nach werden die Besucher von Ordnern in gelben Overalls vom Rasen aus dem Stadion geleitet. Es bleibt erstaunlich ruhig, das Krisenmanagement in der EM-Endspielarena funktioniert gut. Der Stadionsprecher trägt mit ruhiger Stimme dazu bei.
Vor dem Stadion gibt es drei Tote. Das erzählt Noel Le Graet, der französischen Fußballverbandspräsident, in der Mixed Zone. Alle anderen Medienaktivitäten der Spieler und Offiziellen sind abgesagt. Die deutschen Akteure und Bundestrainer Joachim Löw harren in der Kabine aus - stundenlang. "Wir werden uns jetzt beraten, was wir tun", hatte Löw unmittelbar nach dem verlorenen Spiel gesagt.
Erschüttert und schockiert
DFB-Team über Nacht im Stadion
Das 0:2 spielt angesichts der schrecklichen Ereignisse überhaupt keine Rolle mehr. "Wir sind alle erschüttert und schockiert", sagt Löw in der ARD. Nach Mitternacht berichtet der Sicherheitsbeauftragte des DFB, Henrik Große Lefert: "Die Spieler sind sich der Situation sehr bewusst und sind alle angespannt. Wir hoffen, dass sich die Lage nicht weiter zuspitzt."
Das deutsche Team kehrte entgegen anderslautender Berichte gar nicht mehr ins Hotel zurück und wurde am frühen Samstagmorgen mit Polizeieskorte noch vom Stade de France aus direkt zum Flughafen gebracht. Um kurz nach neun Uhr startete die Sondermaschine LH 343 nach Frankfurt/Main. Das Flugzeug war extra aus Frankfurt gekommen und stand auf dem Flughafen Charles de Gaulle auf einer Außenposition weit weg vom Terminal. Polizeiwagen und zwei Beamte mit Maschinengewehren waren neben der Maschine postiert.
Griezmans Schwester war im "Bataclan"
Bangen musste nach dem Schlusspfiff vor allem Frankreichs Teamspieler Antoine Griezman. Seine Schwester gehörte nach Angaben des 24-Jährigen zu den Besuchern in der Konzerthalle in Paris, in der mindestens 70 Menschen bei einem Attentat getötet wurden.
"Gott sei Dank hat meine Schwester aus dem Bataclan rauskommen können", schrieb Griezman in der Nacht auf Samstag bei Twitter.
Nebensache
Das sportliche Geschehen geriet zur Nebensache. Olivier Giroud (45.+1 Minute) und der eingewechselte André-Pierre Gignac (86.) erzielten die Treffer für die Mannschaft von Trainer Didier Deschamps. Erstmals in der Amtszeit von Bundestrainer Joachim Löw kassierte die DFB-Auswahl damit in einem Jahr ohne Turnier drei Niederlagen.
Abgeschlossen wird das deutsche Länderspieljahr am Dienstag mit einem Heimspiel in Hannover gegen den nicht für das EM-Turnier 2016 qualifizierten Erzrivalen Niederlande.
Kommentare