Frauen-EM: Liebenswerte Kleinveranstaltung

Die Frauen überzeugen in den Niederlanden.
In den Niederlanden gibt es noch Fußball zum Angreifen, die Frauen-EM ist nicht so steril wie eine Männer-EM.

Die beste Frauen-EM aller Zeiten wollte man machen. Das ist gelungen. Noch nie haben so viele Menschen eine Frauen-EM im Fernsehen verfolgt. Und die Stimmung in den Niederlanden ist ausgezeichnet – zumindest an den Spielorten.

König Willem-Alexander saß beim Eröffnungsspiel auf der Tribüne nebst Gattin Maxima. Die Niederländerinnen begannen die Werbetour für die Heim-WM mit einem Sieg über Norwegen. Mehr als 21.000 Zuschauer sorgten für das bestbesuchte Frauen-Spiel in der niederländischen Geschichte.

Hilfsbereitschaft

Aber trotz aller Bekundungen von UEFA-Boss Ceferin ist es keine Großveranstaltung der UEFA. Die Kleinveranstaltung für die Frauen manifestiert sich nicht nur in der Größe der Stadien, sondern auch in der Organisation. Bei einer Männer-EM sind die Medienzentren vor einem Spiel den ganzen Tag offen. Hier liefen hilfsbereite Freiwillige zusammen, um später jemanden von der UEFA zu finden, der ihnen erklären konnte, wann offen ist. Und am Spieltag? "Weiß ich leider nicht", sagte die nette Freiwillige am Empfang. "Das müssen Sie die UEFA fragen, das hat man mir nicht gesagt."

Nicht, dass diese fast anarchische Beschaulichkeit, gepaart mit Hilfsbereitschaft und Improvisationskunst unsympathisch wäre. Sie ist nur eben nicht ganz konform mit den Ankündigungen, den Frauenfußball dem Männerfußball gleichstellen zu wollen.

Bus-Probleme

Österreichs Frauen wurden nach der Ankunft in Amsterdam von einem neutralen Bus abgeholt. Erst am Tag vor dem Eröffnungsspiel wurden die UEFA-Busse zu den Team-Hotels gefahren. Sie sind gebrandet – also mit Logo und Werbung versehen – und sehen alle gleich aus, bis auf den Namen des Landes mit den Fahrgästen. Die deutschen Journalisten staunten nicht schlecht, dass der Bus eine Macke hatte. Bild titelte: "Unser Bus hat’n Riss". Und zwar in der Scheibe.

Das ist in den Niederlanden kein verkehrstechnisches Problem, solange die Sicht des Fahrers nicht beeinträchtigt ist. Dennoch wurde die Scheibe getauscht. Die Deutschen haben nach dem Viertelfinal-Out aber schon wieder andere Sorgen, der Riss geht jetzt woanders durch. Weltmeisterschaften und Europameisterschaften der Männer sind steril, die Teams abgeschottet, die Aussagen werden in Pressekonferenzen den Medien vorgeworfen.

Fan-Nähe

Die Frauen-EM in den Niederlanden hat etwas Familiäres und Vergangenes, als der Fußball noch nahe bei den Fans und Menschen war. Wenn die Team-Busse bei den kleinen Stadien vorfahren, dann sind die Spielerinnen von Fans, Freunden und Familien nur durch ein Tretgitter voneinander getrennt. Es gibt Fotos, Handshakes und Umarmungen. Eine EM zum Angreifen.

Die Teamcamps der Österreicherinnen und der Däninnen lagen in der Vorrunde nur knapp zehn Kilometer voneinander entfernt (mittlerweile sind die Däninnen nach Breda übersiedelt, wo am Donnerstag das Semifinale gegen Österreich stattfindet). Die Schweizerinnen trainierten in einem Vorort von Arnheim sogar auf derselben Anlage wie das dänische Team. Undenkbar bei den Männern, wo Panik herrscht, der Gegner könne beim Training spionieren.

Ruheoase

Auch bei der Frauen-EM sind die Trainingsplätze mit Sichtschutz versehen und außerhalb der Trainingszeiten versperrt. Wie jener der Österreicherinnen in Wageningen. Denn werden auch Standards trainiert: Zuteilungen bei Eckbällen, Laufwege nach Einwürfen – vieles also, womit man die Gegnerinnen überraschen kann. Aber es fehlt die maskuline Hysterie. Und es hat etwas großartig Natürliches, wenn einer Österreicherin ein Volleyschuss misslingt, der Ball übers Tor, gar über den Zaun fliegt auf die vorbeiführende Straße.

Deutlich sympathischer ist auch der Auftritt der Fans, die für Tickets bis zum Viertelfinale nur zwischen 10 und 20 Euro und seither höchstens 40 Euro hinlegen müssen. Von Pöbeleien außerhalb der Stadien ist keine Spur. An allen Spielorten gab und gibt es in den Stadtzentren Fanzonen, in denen Fußball-Mitmachstationen auf Jung und Alt warten. Und Maskottchen "Kicky" ist ein beliebter Selfie-Partner. In Orten wie Deventer wurden die allerdings nur an Spieltagen im eigenen Stadion aufgebaut.

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