Türkei: Skandal um Tormann löste Erfolgslauf aus
Die Szenen waren hässlich, sie waren beschämend – und sie waren wohl auch entscheidend für die EM-Qualifikation der Türkei. Noch vor Anpfiff des EM-Qualifikationsspiels gegen Kasachstan verließ der türkische Tormann am 16. November 2014 das Spielfeld. Unter diesen Umständen könne er nicht spielen.
Was war geschehen? Volkan Demirel, 62-facher Teamspieler, verdient seit 2002 sein Geld bei Fenerbahçe Istanbul. Im Stadion des Stadtrivalen Galatasaray wurde er vor dem Spiel gegen Kasachstan gnadenlos ausgepfiffen und beleidigt. "Mir geht es nicht gut, sie haben meine Mutter und meine Frau beschimpft", sagte er zu Fatih Terim. Der Trainer reagierte, brachte Ersatztorwart Volkan Babacan – und stellte somit unbewusst die Weichen auf Erfolg.
Denn bis dahin war es für die Türken miserabel gelaufen. In der WM-Qualifikation 2014 gescheitert, in der EM-Qualifikation aus drei Spielen nur einen Punkt geholt. Trainer Terim ist kein Mann, der für Innovationen bekannt ist. Lange, manchmal zu lange, hält er an verdienten Spielern fest. Dann war er gezwungen, den Schlussmann zu tauschen.
Mit dem neuen Tormann Volkan Babacan ging ein Ruck durch die Mannschaft. Der besonnene 27-Jährige ist der Ruhepol, seinen Vorderleuten gibt er Sicherheit. Doch noch wichtiger: Man spricht wieder miteinander. Aus einer Mannschaft aus Einzelkämpfern und Grüppchenbildnern wurde ein eingeschworenes Team. Ein Team, das auch gewinnt, wenn es schlecht spielt. Seit Babacan im Tor spielt, hat die Türkei in zwölf Spielen nicht mehr verloren. Zuletzt siegte man im März in Wien gegen Österreich mit 2:1.
Endgültig entfacht wurde die Euphorie im letzten Gruppenspiel gegen Island, als Selcuk Inan die Türkei in der 89. Minute mit dem Treffer zum 1:0 zum EM-Fixstarter machte. Die Zeitung Hürriyet schrieb danach in großen Lettern, dass ein Wunder geschehen sei. Weitere Wunder sollen in Frankreich folgen: Gegen die Gruppengegner Spanien, Tschechien und Kroatien wird der Aufstieg erwartet. Von Fans, von Medien – am meisten aber von einer Mannschaft, die sich selbst wieder als Team bezeichnen kann.
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