Österreichs Serienmeister Red Bull Salzburg verliert nach seinem Sportdirektor also auch den Trainer. Weil Matthias Jaissle dem Lockruf des Geldes aus Saudi-Arabien folgen will, unternahm die Salzburger Führung einen Tag vor dem Meisterschaftsstart einen drastischen Schritt und stellte den Erfolgscoach der vergangenen beiden Jahre dienstfrei. Die Verhandlungen mit Al-Ahly befanden sich laut dem Klub Freitagmittag "in der finalen Phase".
An Jaissles Stelle werden die Co-Trainer Florens Koch und Alexander Hauser am Samstag beim Meisterschaftsstart in Altach auf der Bank sitzen. Der 35-jährige Jaissle hatte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz ein Bekenntnis zum Klub vermieden.
Der doch überraschende Abgang des Trainers so kurz vor dem Liga-Start sorgte nicht nur bei vielen Fans für Diskussionen. Auch die KURIER-Sportredaktion fand Pro und Contra zur Entscheidung Jaissles, dem Ruf des Geldes zu folgen.
PRO
Fußballtrainer sitzen auf einem Schleuderstuhl und kaum einer hat Mitleid, wenn wieder einmal einer fliegt. Kaum läuft es einmal andersrum, ist der Aufschrei groß.
46 Millionen Dollar in zwei Jahren hätte Marco Silva bei Al Ahli verdient, er bleibt bei Fulham. Davon ausgegangen, dass Matthias Jaissle in Saudi-Arabien ähnlich abcashen wird, stellt sich die Frage: Wer von all jenen, die jetzt „Skandal“ schreien, haben im Laufe ihrer beruflichen Karriere ein vergleichbares Angebot abgelehnt und das Recht darauf, den 35-Jährigen zu verurteilen?
Matthias Jaissle kann auf einen Schlag nicht nur sich, sondern auch seine Nach- und Nach-Nachkommen versorgen. Es ist sein gutes Recht, diesem Ruf zu folgen. Es ist eine einmalige Chance und es war nicht er, der den Zeitpunkt ausgewählt hat. Selbst dieser ist verkraftbar. Titel werden nicht im August, sondern erst im Mai vergeben. Und Salzburg wäre nicht Salzburg, wäre man nicht vorbereitet. Jaissles Vertrag wurde auch deshalb vorzeitig bis 2025 verlängert, damit man Ablöse kassieren kann.
Der Verein hat eine klare Philosophie und wird bald einen Trainer präsentieren, der diese kennt und kaum Anlaufzeit braucht.
Dass sich Jaissle mit dem Gang in die Wüste seine Zukunft verbaut, ist ein Märchen. Schlag nach bei Roger Schmidt, der 2017 nach China gegangen ist und seit 2020 wieder erfolgreich in Europa coacht.
So schnell die Aufregung um Jaissles Flucht aufgepoppt ist, so schnell wird sie sich auch wieder im Sand verlaufen.
Von Andreas Heidenreich
Contra
Man stelle sich vor, der Gatte antwortet auf die Frage der Gemahlin, ob er eine Liebschaft hätte, mit den zwei berühmten Worten: "Kein Kommentar" und setzt die Diskussion lieber mit der Begründung fort, warum der Handwerker erst nächste Woche den Kühlschrank repariert. So ähnlich darf man sich die Pressekonferenz am Donnerstag vorstellen.
Nein, dem Lockruf des Geldes zu folgen, ist keine Unverschämtheit und nicht nur in heutigen Zeiten durchaus akzeptabel. Die Art und Weise, wie Matthias Jaissle seine Fans, die Medienwelt und letztlich vor allem seinen Verein an der Nase herumführte, ist nicht tolerierbar. Sogar unabhängig davon, dass es in einer Phase passierte, die wohl die wichtigste ist im Klubfußball.
Jaissles Vorgangsweise ist wohl in keiner Zeit eines gut honorierten Dienstverhältnisses tolerierbar. Dass der Deutsche unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne mediale Blitzlichter, aber mit einem Donnerwetter verabschiedet wurde, zeigt, dass man sich das im Bullenstall nicht gefallen lässt, dass sie selbst einen verdienten Mitarbeiter in die Wüste schicken. Lange hatten die Salzburger mitgespielt, den vielen Anfragern mitgeteilt, dass man Gerüchten nicht allzu viel Vertrauen schenken sollte. Eine Situation, in der sich im Klub keiner wohlfühlte.
Jaissle selbst tat sich nichts Gutes. Das arabische Theater und der damit verbundene vorzeitige Abschied haben auch international kein gutes Bild hinterlassen. Da kann Jaissle noch so viele Titel holen.
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