Deutschland: Ein Fußballjahr wie eine Ohrfeige

Zum Schämen: Das deutsche Nationalteam (im Bild: Draxler) hatte 2018 kaum Grund zum Jubeln.
WM-Vorrunden-Aus, Abstieg aus der Nations League - das DFB-Team fiel 2018 aus allen Wolken.

Der stolze Deutsche Fußballbund (DFB) musste 111 Jahre alt werden, um eine Saison wie diese zu erleben. Als „Seuchenjahr“ wird 2018 in die Geschichte des größten Sportverbandes der Welt eingehen, auch von einer „Horrorsaison“ war zu lesen. Die Medien stellten gar die Frage: „War das Deutschlands schlechteste Nationalmannschaft in der DFB-Historie?“

Man tut sich ziemlich schwer, 2018 beim vierfachen Weltmeister auch nur irgendwelche positive Facetten zu finden. Sicher, es gab da zwei 2:1-Siege gegen Saudi-Arabien und Peru, und natürlich waren da auch ein 0:0 gegen Weltmeister Frankreich und das 2:1 gegen die Schweden bei der Weltmeisterschaft in Russland. Aber daran wird sich niemals jemand erinnern.

Was in den Köpfen der deutschen Fans aber sicher hängen bleibt, ist das Vorrunden-Aus bei der WM in Russland als amtierender Weltmeister. Vielleicht auch noch der Abstieg aus der Topgruppe der UEFA Nations League, möglicherweise sogar die 1:2-Pleite gegen Österreich.

Tiefer Fall

Sechs Niederlagen in einem Kalenderjahr sind ein negatives Novum für die erfolgsverwöhnten Deutschen. 2018 habe sich für ihn wie eine „richtige Ohrfeige“ angefühlt, meinte Bundestrainer Joachim Löw, der für viele überraschend noch immer im Amt ist. Der ehemalige Coach des FC Tirol und der Wiener Austria trägt eine Mitschuld an der Krise der Nationalmannschaft, aber die Verantwortung für den Absturz ist auf viele Schultern verteilt. Eine Spurensuche nach den Gründen für den tiefen Fall des vierfachen Champions.

Der Bundestrainer

Joachim Löw sei nach dem WM-Titel 2014 unnahbar, stur und beinahe ein wenig arrogant geworden, lautete in den letzten Monaten ein Kritikpunkt. Der deutsche Erfolg beim Confederations Cup 2017 war der Selbstzufriedenheit nicht abträglich. Als die Deutschen in den Testspielen vor der WM bereits schlechte Leistungen boten, erkannte Löw die Zeichen der Zeit nicht und zog die falschen Schlüsse. „Wir haben alle geglaubt, das ist ein Selbstläufer“, kritisierte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff.

Der Spielstil 

Die Deutschen suchten ihr Heil im Offensivspiel und wollten die Gegner gerade bei der WM mit Kombinationsfußball in die Knie zwingen. Dadurch war die Löw-Elf zu berechenbar. „Mein größter Fehler war, dass ich geglaubt habe, wir kommen in Russland mit diesem dominanten Spiel, mit diesem Ballbesitz, zumindest durch die Vorrunde“, erklärt Löw, der in den jüngsten Partien in der Nations League von dieser Strategie Abstand nahm und nun auch auf Konterangriffe setzte.

Die Unruhe

Die Affäre um ein Foto von Mesut Özil mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zog sich über Wochen hin und warf kein gutes Licht auf das Krisenmanagement des DFB. Diese Nebengeräusche störten vor allem bei der WM.

Das Formtief der Stars

Löw hielt zu lange an seinen Weltmeistern fest. Gerade bei der WM präsentierten sich Spieler wie Hummels, Boateng, Müller oder Khedira völlig außer Form. Mittlerweile hat Löw das Team verjüngt, es stehen nur mehr fünf Weltmeister im Kader.

Die Arroganz

So selbstgefällig wie sich die Spieler auf dem Platz zeigten, so abgehoben trat das Team auch abseits davon auf. Lange Zeit wurde auf öffentliche Trainings und Publikumsaktionen verzichtet. Das rächt sich nun: 24 Stunden vor dem Klassiker gegen die Niederlande (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) waren noch 13.000 Tickets zu haben.

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