Damir Canadi über das Fußball-Land Kroatien und die Fehler von Rapid

Damir Canadi lernt gerade sein Vater- und Mutterland besser kennen. Der ehemalige Altach- und Rapid-Trainer war seit Saisonbeginn schon in Gorica und Koprivnica, in Varaždin und Osijek. Gegen Dinamo Zagreb hat sein aktueller Klub HNK Šibenik zu Hause knapp 1:2 verloren, gegen Hajduk Split ebenfalls in letzter Sekunde das 1:1 erzielt.
Am Samstag kam die überraschende Meldung vom Ende der Amtszeit in Sibenik.
Vor dem Nations-League-Spiel am Sonntag in Wien vergleicht der Sohn kroatischer Einwanderer den österreichischen mit dem kroatischen Fußball.
KURIER: Wie jetzt eigentlich: „Kanadi“ so wie in Aspern oder „Tschanadi“ wie die Leute hier in Kroatien sagen?
Damir Canadi: Beides ist für mich richtig. Meine Eltern sind 1967 aus der slawonischen Kleinstadt Pakrac nach Wien gekommen. Bei der Waagner-Biro haben sie meinen Vater „Kanadi“ gerufen. Das ist uns in Wien geblieben. Und hier in der Heimat meiner Eltern halt wieder unser ursprünglicher Name.
Wer gewinnt in Wien das Nations-League-Spiel, die Österreicher oder die Kroaten?
Schwer zu sagen. Vielleicht die, denen der erste Coup gelingt. Wobei ich betonen möchte, dass ich ein großer Fan des ÖFB bin. Die Ausbildung, die ich dort genossen habe, war großartig. Und der neue Teamtrainer ist ein internationaler Top-Mann.
Mit Šibenik können Sie die Großen in der Liga ärgern. So wie mit Altach. Welcher Klub ist besser aufgestellt?
Was die Infrastruktur anlangt, eindeutig Altach. Dort hat man in den vergangenen Jahren viel zuwege gebracht. Sportlich ist hingegen Stagnation zu beobachten. Daran kann auch der Weltmeister Miro Klose als Trainer wenig ändern. Wie man sich überhaupt fragen muss: Warum werden immer nur die Trainer und Sportdirektoren gefeuert und nie jene, die den Verein als Plattform für ihre Zwecke ausnützen.
Ich nehme an, Sie sprechen damit auch auf Rapid an.
Der SK Rapid Wien als einer der größten Klubs Österreichs hätte es verdient, dass der sportliche Erfolg im Vordergrund steht und nicht das Ego jener, die diesen Klub führen. Auch hier konnte mit dem ständigen Auswechseln der Trainer keine Lösung herbeigeführt werden.

Und der HNK Šibenik?
Mir ist schon klar, dass Oliver Glasner in Deutschland mehr bewegen kann als ich hier. Andererseits ist das für mich eine gute Chance, mit jungen Talenten, die den Durchbruch bei den Großen nicht auf Anhieb geschafft haben, etwas zu bewirken. In meiner Mannschaft gibt es eine richtig gute Haberei. Und es gibt noch viel Potenzial, das ich weiterentwickeln möchte.
Kommen die Kicker hier noch von der Straße?
Es mag sein, dass das in den großen kroatischen Städten nicht mehr so ist. Hier schon. Einige meiner Trainer spielen in ihrer Freizeit immer noch fünf gegen fünf auf Beton. Fußball hat für die Kroaten einen deutlich höheren Stellenwert als in Österreich. Er wird von vielen auch noch als Sprungbrett gesehen, um ein besseres Leben führen zu können.
Wie trainiert man als Vater den eigenen Sohn?
Das ist natürlich für beide ein gewisses Risiko. Und auch wieder nicht. Ich behandle den Marcel als Spieler nicht anders als die anderen Spieler. Es freut mich natürlich, dass er mit 24 endlich erkannt hat, dass Talent alleine nicht ausreicht, um sich auf lange Sicht zu behaupten.
Stimmt es, dass Ihr Sohn jetzt mit jenem Individualtrainer arbeitet, auf den auch Luka Modrić vertraut?
Ja, der stellt in Zagreb die individuellen Programme für seine Spieler zusammen. Seine Auswertungen lügen nicht. Der Marcel läuft inzwischen deutlich mehr als früher, wobei entscheidend ist, dass der Anteil der Läufe im Sprint markant zugenommen hat.
Das Gehaltsgefälle zwischen den beiden EU-Ländern ist weiterhin enorm: Kroatische Pensionisten sind froh, wenn sie 500 Euro pro Monat bekommen, wohl gemerkt zwölf, nicht 14 Mal pro Jahr. Wie ist das in Ihrem Beruf?
Auch das ist kein großes Geheimnis: Österreichische Fußballtrainer verdienen im Ausland deutlich mehr. Nebenbei bemerkt: Dinamo und Hajduk bezahlen ihre Spieler auch im internationalen Vergleich sehr, sehr gut.
So wie schon in den 1930er-Jahren, als Spieler und Trainer vor allem von Rapid Wien in Zagreb und Split für Furore sorgten, verdienen heute in der höchsten kroatischen Fußballliga (1. HNL) gleich mehrere Österreicher ihr Geld.
Neben Damir Canadi beim aktuellen Tabellensiebenten HNK Šibenik gibt jetzt auch beim Tabellenvierten NK Osijek ein Österreicher in der Coachingzone den Ton an: Nach der Entlassung von Nenad Bjelica übernahm der Steirer Rene Poms die Position des Cheftrainers. Positiv aufgefallen in der Champions League ist zuletzt der Ex-Rapidler Robert Ljubicic bei Dinamo Zagreb, auf der linken Außenbahn.
Außerdem im Kader des kroatischen Serienmeisters: der in Tomislavgrad geborene Ex-Austrianer Emir Dilaver. Zwei weitere Veilchen wechselten ebenso nach Kroatien: Marin Leovac ist derzeit in Osijek im Einsatz, Marco Djuricin seit Kurzem beim Vorletzten HNK Rijeka. Regelmäßig zum Einsatz kommen bei Damir Canadi in Šibenik der Wiener Patrick Salomon sowie der Sohn des Trainers, Marcel Canadi.
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