Champions-League-Torschütze Acerbi: "Der Krebs hat mein Leben gerettet"

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Inters Verteidiger Francesco Acerbi hat nicht nur zweimal gegen Krebs gekämpft, sondern auch gegen Alkohol. Die unglaubliche Story des Europameisters.
  • Francesco Acerbi überwand zweimal Krebs und Alkoholprobleme und wurde entscheidend für Inters Einzug ins Champions-League-Finale 2025.
  • Nach dem Tod seines Vaters und einem kurzen, schwierigen Aufenthalt bei AC Milan ertränkte Acerbi seine Trauer in Alkohol, bevor er sich bei Sassuolo dem Kampf gegen Krebs stellte.
  • Acerbi betrachtet den Kampf gegen Krebs als Wendepunkt, der ihm ein neues Leben und eine erfolgreiche Karriere bei Lazio und Inter Mailand ermöglichte.

Ohne Francesco Acerbi stünde Inter Mailand wohl nicht im Finale der Champions League 2025. Sein 3:3 in der 93. Spielminute im Halbfinale-Rückspiel gegen den FC Barcelona brachte die Nerazzurri in die Verlängerung, in der Joker Davide Frattesi mit seinem Tor für den Endstand sorgte. 

Dass Acerbi im Champions-League-Finale steht, und dass er 2021 mit Italien Europameister wurde, ist alles andere als selbstverständlich für den heute 37-Jährigen.

Der Ultra

Acerbi war Nachwuchsfußballer und wuchs in der Nähe von Mailand auf, war Teil der Ultragruppe "Fossa dei Leoni". Fußball war immer zentraler Teil seines Lebens, doch in Interviews gab er immer wieder an, dass er gar nicht wusste, ob er selbst Fußball spielen wollte, oder von seiner Familie in diese Rolle gepresst wurde. Als er mit 23 erstmals in der Serie A spielte, tat er das "für den Vater, nicht für mich", wie er sich später erinnerte.

Der Alkohol

Der Vater von Francesco Acerbi starb 2012. Er erlebte es nicht, dass sein Sohn nur wenig später Profi bei AC Milan wurde. Die Trauer um den Vater und die Überforderung bei Milan die Fußstapfen von Verteidiger-Legende Alessandro Nesta auszufüllen, ertränkte Acerbi im Alkohol. "Nach dem Tod meines Vaters, als ich für Milan spielte, war ich am Tiefpunkt angekommen“, sagte er im Interview mit La Repubblica. "Es war, als hätte ich vergessen, wie man spielt und warum ich überhaupt spiele. Ich fing an zu trinken, und glauben Sie mir, ich trank alles." 

Der Verteidiger blieb nur ein halbes Jahr bei Milan, wechselte zu Genoa, wo er zu Verona verliehen wurde. Er schien nirgendwo Fuß zu fassen. Schon im Sommer 2013 verkaufte Genoa den 25-Jährigen nach Sassuolo.  

Der Krebs

Dort kam der große Schock, als er im Rahmen seiner Verpflichtung einen Medizincheck durchlief. Diagnose Hodenkrebs! Der dabei gefundene Tumor wurde entfernt. Doch wenige Monate später wies ein Bluttest ungewöhnliche Hormonwerte auf, der Krebs war zurück. 

Francesco Acerbi war weiter Angestellter von US Sassuolo, als er sich von Dezember 2013 bis März 2014 einer Chemoterapie unterzog. Fast ein ganzes Jahr fiel er insgesamt aus, trainierte aber während der gesamten Behandlung weiterhin mit seinen Teamkollegen. Seine Entschlossenheit und sein Humor während seiner Rekonvaleszenz machten ihn zu einer Ikone - nicht nur für die Fans von Sassuolo.

Acerbi hat offen über die psychischen Folgen seiner Krankheit gesprochen. Der Repubblica sagte er, er habe keine "Angst" mehr vor der Rückkehr des Krebses. Es sei aber eine "Welt, die man niemals verlasse". Das merkt man immer wieder, wenn jemand aus der Welt des Fußballs selbst mit Krebs zu kämpfen hat. Für den damaligen Bologna-Trainer Sinisa Mihailovic etwa, der 2022 an der Krankheit verstarb, hatte er nach dessen Diagnose noch aufbauende Worte. "Sei tapfer", schrieb er ihm auf Instagram.

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2021 holte Francesco Acerbi mit der italienischen Nationalmannschaft den EM-Titel

Der Aufstieg

"Es mag paradox erscheinen, aber der Krebs hat mich gerettet", sagte Acerbi in dem Interview mit der italienischen Zeitung. "Ich musste gegen etwas Neues ankämpfen, eine Grenze überwinden. Es war, als könnte ich mein Leben noch einmal ganz von vorne beginnen und die Welt mit einer völlig vergessenen Sichtweise sehen."

Das Leben begann er neu. Er erinnerte sich wieder, wie man Fußball spielt, stellte Rekorde auf und war nie verletzt. 2018 wechselte er zu Lazio Rom um das Vierfache, um das er gekommen war. Nach dem Europameistertitel wurde er zu Inter Mailand verliehen, das ihn im Sommer 2023 mit bereits 34 Jahren kaufte. 

Das war offenbar Goldes wert...

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