Königliche Lehrstunde für die Bayern

Doppeltorschütze: Sergio Ramos
Real Madrid schießt den Titelverteidiger mit einem Gesamtscore von 5:0 aus der Champions League.

Die Party war angerichtet in der Weißwurst-Metropole. Knapp 70.000 hatten ihre bayrischen Lieblinge mit einer sehenswerten Choreographie empfangen. Das Bayern-Wappen ausgebreitet auf der Längsseite, der Champions-League-Pokal hinter dem einen und das Motto "Immer weiter" hinter dem anderen Tor. "Immer weiter" als Botschaft für grenzenlosen Kampfgeist.

Die Ausgangslage war schwierig, aber nicht unlösbar für die Bayern nach der 0:1-Niederlage letzten Mittwoch in Madrid. Ein schnelles Tor sollte die Aufgabe erleichtern und den Bayern zum dritten Mal in Folge die Tür zum Endspiel nach Lissabon aufstoßen. Das war zuletzt Juventus Turin (1996 – 1998) gelungen. Dass es dabei bleiben würde, war schon nach einer Viertelstunde klar. Wegen Sergio Ramos: Der Innenverteidiger, bei einem Eckball von Luka Modric völlig alleingelassen, hatte leichtes Spiel, schraubte sich in den Abendhimmel und traf wuchtig per Kopf zum 0:1 (16.). Keine vier Minuten später wurde der Welt- und Europameister endgültig zum Partyschreck, wieder nach einer Standardsituation: Einen Freistoß von rechts verlängerte Pepe zum Abwehr-Kollegen, der erneut per Kopf zur Stelle war – 0:2 (20.).

Nicht zwingend

Die Entscheidung? Ja, weil die Bayern kein taugliches Mittel hatten. Wie schon im Hinspiel hatte der Titelverteidiger viel Ballbesitz, zog sein Powerplay-artiges Kurzpassspiel auf. Jedoch – und auch das hat man schon vor einer Woche gesehen – ohne dabei zwingend zu werden. Und es offenbarte sich erneut, was in den letzten Monaten augenscheinlich wurde: Ballbesitz war gestern, schnelles Umschalten ist heute.

Und das beherrscht aktuell niemand in derartiger Perfektion wie Real Madrid. Denn besser kann man einen Konter nicht fertig spielen, als es das Weiße Ballett bei seinem dritten Treffer tat: Ballverlust der Bayern 30 Meter vor dem gegnerischen Tor, ein weiter Pass von Modric auf Benzema, der weiter auf Gareth Bale, der zu schnell war für die Innenverteidiger der Bayern und querlegte auf Cristiano Ronaldo – 0:3 (34.), sein 15. Tor in dieser Champions-League-Saison, Rekord. Im Finish der ersten Halbzeit verpasste Bayerns Ribéry Carvajal noch eine Watsch’n – die dürfte ein Nachspiel haben, weil sich die Szene außerhalb des Blickfelds des Schiedsrichters ereignete.

Die schnellen Gegenstöße zu verhindern wussten die Bayern von der ersten bis zur letzten Minute nicht. Auch, weil sie keinen Plan B und die Gäste sich gut auf das Guardiola-System eingestellt hatten. Vielleicht auch, weil sie das Gegenmittel schon seit Ewigkeiten in der Liga gegen Barcelona praktizieren und es nun endlich in Perfektion beherrschen.

Das Aus

Nach einer guten halben Stunde waren die Bayern draußen. "Wir brauchen jetzt ein paar Tage, bis wir den Kopf wieder oben haben", sagte David Alaba, der wie seine Kollegen Charakter bewies und trotz 0:3-Rückstands versuchte, Akzente zu setzen und ein Tor zu erzielen. Am Bild der Münchner Harmlosigkeit änderte sich jedoch nichts mehr.

Real-Coach Carlo Ancelotti, der weiterhin eine weiße Weste gegen Bayern hat, konnte sogar den gelb-gefährdeten Ramos aus dem Spiel nehmen, um eine Sperre fürs Finale am 24. Mai zu verhindern. Xabi Alonso wird indes fehlen im Endspiel, das sich die Madrilenen nach drei verlorenen Semifinali in Serie redlich verdient haben. Den Schlusspunkt setzte Ronaldo mit einem Freistoß in Panenka-Manier unter der Mauer durch zum Endstand – 0:4 (90.).

FC Bayern München - Real Madrid 0:4 (0:3)

Arena München, 68.000 (ausverkauft), SR Proenca (POR)
Hinspiel 0:1 - Real Madrid mit Gesamtscore von 5:0 im Finale am 24. Mai im Estadio da Luz in Lissabon


Tore: 0:1 (16.) Ramos
0:2 (20.) Ramos
0:3 (34.) Ronaldo
0:4 (90.) Ronaldo (Freistoß)

Bayern: Neuer - Lahm, Boateng, Dante, Alaba - Kroos, Schweinsteiger - Robben, Müller (72. Pizarro), Ribery (72. Götze) - Mandzukic (46. Martinez)

Real: Casillas - Carvajal, Pepe, Ramos (75. Varane), Coentrao - Bale, Modric, Alonso, Di Maria (84. Casemiro) - Benzema (80. Isco), Ronaldo

Gelbe Karten: Dante bzw. Alonso (im Finale gesperrt)

Zweites Halbfinal-Rückspiel am Mittwoch: Chelsea - Atletico Madrid (Hinspiel 0:0)

Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: "Wir haben ein Stück zu wenig Leidenschaft in die Waagschale gelegt, um den Gegner in Probleme zu bringen. Real hat uns unsere Grenzen aufgezeigt."

Bayern-Kapitän Philipp Lahm: "Das ist eine große Enttäuschung. 0:4 hört sich schon sehr bitter an. Wir hatten uns sehr viel vorgenommen, haben es aber taktisch in der ersten Halbzeit nicht gut gemacht."

Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer: "Wir sind an einer großen Mannschaft gescheitert. Real ist in einer großartigen Form und hat fantastisch gespielt."

David Alaba (Bayern-München-Linksverteidiger): "Es ist sehr bitter für uns alle, weil wir uns sehr viel vorgenommen haben. Es ist überhaupt nicht so gelaufen, wie wir das wollten. Wir sind durch zwei Standardtore in Rückstand gekommen, dann war es schwer zurückzukommen. Beim ersten Gegentor muss ich hochsteigen, beim zweiten war es sehr schwer, weil der Ball verlängert wurde. Wenn man zweimal gewinnt, hat man sehr viel richtig gemacht. Wir brauchen jetzt ein paar Tage, dass wir den Kopf wieder oben haben. Wir haben noch ein Finale im Pokal, das wollen wir gewinnen."

Sergio Ramos (Real-Madrid-Doppel-Torschütze): "Meine Tore waren nebensächlich, wichtig war der Erfolg. Ich glaube, es war ein verdienter Sieg. Wir haben kontinuierlich auf einem hohen Level gespielt, es ist eine große Ehre, mit zwei Toren an diesem Erfolg für Real beteiligt zu sein."

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