Champions League in Mailand: Ein Fußballfest als Virenschleuder
Es hätte das Jahr von Atalanta Bergamo werden sollen. Stets ein Anhängsel der beiden Mailänder Großklubs, stieg der kleine Klub aus der 120.000-Einwohner-Stadt in dieser Saison bis in die K.o.-Phase der Champions League empor. Doch an Fußball kann im Moment niemand denken in der lombardischen Provinz.
Kaum eine Stadt ist so hart vom Coronavirus getroffen. Bergamo und Umgebung sind mit rund 6.000 Infizierten und in etwa tausend Toten das Zentrum der Pandemie in Europa. Bestattungsfirmen kommen im Moment mit der Produktion von Särgen nicht hinterher.
Soll nun ausgerechnet ein Fußballspiel der Atalanta Anstoß für die starke Verbreitung des Virus in der Region sein? Es scheint so.
Die Rede ist vom Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Valencia am 19. Februar. Atalanta muss für die Spiele in der Königsklasse nach Mailand ausweichen, weil das eigene Stadion den Anforderungen der UEFA noch nicht entspricht. 42.000 Fans aus Bergamo besuchten die Partie im nur 50 Kilometer nahe gelegenen Mailand.
Warum auch nicht? Zu diesem Zeitpunkt war Covid-19 noch eine Randnotiz in italienischen Medien. Den offiziell ersten infizierten Italiener gab es zwei Tage nach der Partie. Ganz klar, dass die Partie zum Fußballfest wurde.
Die Mailänder U-Bahn-Linie 5, die zum ehrwürdigen Stadion im Stadtteil San Siro führt, ist an Spieltagen stets überfüllt. Da liegen einander Fans in den Armen. Im feuchtfröhlichen Zustand wird gesungen und gegrölt. So soll es laut Augenzeugen auch am 19. Februar gewesen sein. Dass sich Fans auch Bierbecher teilen, tut sein Übriges dazu.
Tröpfcheninfektion auf Hochbetrieb? Belegt ist das nicht. Auch nicht durch die 117 Infizierten nur eine Woche später. „Wir haben keine Zahlen, die einen Anstieg der Infektionen in der Provinz Bergamo auf dieses Spiel zurückführen lassen“, sagt eine Behördensprecherin auf Anfrage der deutschen Sportschau.
Freilich deutet aber vieles darauf hin. Ein Blick nach Spanien verstärkt den Verdacht. Der FC Valencia, der an besagtem Abend in Mailand sportlich mit 1:4 unter die Räder kam, ist ebenso stark vom Virus getroffen.
2.500 Fans aus der spanischen Metropole wohnten dem Spiel in Mailand bei. Heute sind rund 40 Prozent der Mitarbeiter des Klubs, inklusive Spielern, infiziert. Spanien ist mit aktuell knapp 50.000 Infizierten und über 3.000 Todesopfern das am zweitstärksten betroffene europäische Land nach Italien.
Selbst das Achtelfinal-Rückspiel der beiden Klubs am 10. März wurde noch gespielt. Immerhin schon unter Ausschluss des Publikums. „Diese Spiele noch gespielt zu haben, ist schrecklich“, sagt Atalantas Spielmacher Papu Gomez. Doch nicht nur der Argentinier hatte damals keine Ahnung, was noch passieren würde. Atalanta gewann übrigens das Hinspiel 4:1 und das Rückspiel 4:3. Doch über den Aufstieg ins Viertelfinale kann sich in Bergamo im Moment niemand freuen.
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