Erfolgstrainer Ancelotti zu Gast in seiner Heimat

Ancelotti: „Wir beherrschten in unserer Familie die Kunst der Geduld. Als Spieler und Trainer hat mir das eine Million Mal geholfen.“
Der italienische Real-Trainer trifft im Champions-League-Semifinale auf Juventus Turin.

Der Aktionsradius? Zehn Meter pro Spiel. Nicht mehr. Carlo Ancelotti tigert nicht durch die Coachingzone wie ein gehetzter Diego Simeone, wie ein zappeliger Pep Guardiola oder wie ein hyperaktiver Jose Mourinho.

2013 hatte Real Madrid den heute 55-Jährigen bei Paris abgeworben. Er war letzte Saison wohl der bestbezahlte Kindergärtner, musste die zerstrittene Startruppe befrieden, die Jose Mourinho bei Real hinterlassen hatte. Real wurde Cupsieger.

Ancelotti hat mit Florentino Pérez einen Präsidenten, der mit Real sein eigenes Starmania auslebt. Aber der Bau-Tycoon ist nur eines der großen Egos des Fußballs, mit denen sich der Erfolgstrainer schon herumgeschlagen hat. Silvio Berlusconi in Mailand, Roman Abramowitsch bei Chelsea, das katarische Königshaus in Paris, jetzt Pérez. In seiner Biografie, die es nicht auf Deutsch gibt, schreibt Ancelotti: "Es gibt Momente, da stehe ich vor einem mannshohen Spiegel und benehme mich wie ein Schlangenmensch. Ich drehe meinen Nacken und starre auf meinen Arsch. Meine fetten Pobacken sind kein besonders erbaulicher Anblick, aber mit der Zeit haben sie mich eines gelehrt: Mein Arsch ist erdbebenfest."

Schmutzige Witze

Ancelotti ist ein Teflon-Trainer. Wahrscheinlich sind es Humor, Selbstironie und das Kind in ihm (seine Freunde nennen ihn Carletto). Der kleine Karl spielte 1983 in einem Terence-Hill-Film einen Brutalo-Fußballer und ließ sich schließlich vom Hauptdarsteller vom Platz treten ("Keiner haut wie Don Camillo").

Es ist seine stoische Ruhe, die die Fans verrückt macht. Sie können nicht verstehen, dass er vor wichtigen Spielen in der Kabine schmutzige Witze erzählt, so wie Nils Lidholm. Der Schwede trainierte AS Roma auch 1982/’83 mit Herbert Prohaska und Ancelotti, der aufgrund seiner Spielintelligenz schon als Spieler Führungspersönlichkeit war.

Ancelotti liebt Essen, Wein, Humor und Fußball. Er ist in zweiter Ehe mit einer Kanadierin verheiratet, hat einen Sohn, der ebenfalls für Real arbeitet (auch wenn nicht ganz klar ist, was) und eine Tochter beim Fernsehen.

Ancelotti wuchs in der Emilia Romagna auf. Schon als Kind half er seinem Vater mit den Kühen und lernte Parmesan herzustellen. Ancelotti erklärte einmal: "Es mag sich seltsam anhören, aber Landwirtschaft hat viel mit dem Fußball gemeinsam. Was jetzt gesät wird, kannst du erst nächstes Jahr ernten. Wir beherrschten in unserer Familie diese Kunst der Geduld."

Seine Wurzeln sind Ancelotti wichtig. Als er 1999 von Juventus verpflichtet wurde, hatte er wegen seiner Vergangenheit als Roma- und Milan-Ikone einen schweren Stand. "Ein Schwein kann nicht die Juve trainieren", ätzten die Ultras wegen seiner ländlichen Herkunft. Ancelottis Antwort darauf:"Eine ungeheure Respektlosigkeit gegenüber den Schweinen."

Juventus war der einzige Klub, mit dem Ancelotti keinen Erfolg hatte, gewann nur den Intertoto-Cup. Beim Abschied sagte er: "Das ist Juventus. Da musst du immer gewinnen." Aber genau das will er mit Real im Semifinale der Champions League verhindern.

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