Auslandsösterreicher in London: "Das ist es uns wert"

Vorfreude auf und in Rot-Weiß-Rot: Jasmin Mayr und Bernhard Schrempf
Wie sie sich in London auf das Achtelfinale gegen Italien vorbereiten, wie sie mit Corona umgehen, wem sie die Daumen drücken

Nadine Lichtenwörther hat kein EM-Spiel verpasst. Selbst wenn die 29-Jährige wie am vergangenen Montag auf der Rückreise von Cornwall im Zug sitzt, hat Fußball Priorität: Dann wird eben am Handy gestreamt. Und wenn Österreich in Führung geht, wird auch dann nicht aufgegeben, wenn das Spiel bloß abgehackt zu sehen ist.

Solche Probleme können sich heute nicht ergeben: Nadine Lichtenwörther ist eine jener Auslandsösterreicherinnen in London, die Karten für das Achtelfinale gegen Italien in Wembley ergattern konnten.

„Mein erster Gedanke, als das Spiel zu Ende war: Wie cool wär das live! Zuerst war natürlich nichts zu haben. Aber dann sind neue Kontingente freigeschaltet worden. Ich bin eine Stunde vorm PC gesessen und habe ununterbrochen die Seite neu geladen“, sagt sie. „Irgendwann waren zwei Tickets da.“

Auslandsösterreicher in London: "Das ist es uns wert"

Es ist angerichtet

Buntes Spektakel

Obwohl die Touristen fehlen, übersehen kann man das Fußballspektakel in London nicht. Landesfahnen hängen an Girlanden in jedem zweiten Pub, auf Tafeln vor den Lokalen wird auf gemeinsames Schauen aufmerksam gemacht und viele Werbungen an den roten Doppeldeckerbussen haben Fußball-Slogans.

Im Pub Fox on the Green wehen riesige Flaggen über der Bar, das EURO-Symbol ist ans Fenster gemalt. Bernhard Schrempf und Jasmin Mayr sitzen bei einem Feierabendgetränk und planen den Samstag: Rote und weiße Gesichtsfarbe müssen sie besorgen, das Tippspiel aufsetzen und den Ort für das obligatorische Vor-dem-Spiel-Bier festsetzen (es wird, nichts würde besser passen, das österreichische Lokal Kipferl in Nordlondon).

Auch sie haben Karten für Wembley besorgen können. Billig war das nicht: 185 Euro pro Sitzplatz. „Aber das ist es uns wert, es ist ein historisches Spiel.“ Grundsätzlich wird den Gewinnerländern der Gruppenphase ein Kontingent von jeweils 1.750 Plätzen zur Verfügung gestellt, heißt es vom Österreichischen Fußball-Bund: „Nur konnten wir das wegen der aktuellen Situation nicht in Anspruch nehmen.“ Rund 80 Karten habe man im Umkreis der Spieler vergeben. Die übrigen Tickets wurden von der UEFA in Tranchen freigeschaltet.

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Mit Rad und Tat: Christine Horejs wird mit Muskelkraft nach Wembley fahren

Heikle Zahlen

Großbritannien listet Österreich weiter auf der Amber-Liste: Einreisende müssen zehn Tage in Heimquarantäne, können sich nach fünf Tagen zwar freitesten, müssen aber drei Tests bezahlen (für Tag zwei, fünf und acht). Zurück in Österreich müssen sie dann ebenfalls für mindestens fünf Tage in Quarantäne.

Dazu kommt die Corona-Situation in Großbritannien: Die Delta- und Delta-Plus-Varianten haben zu einem rasanten Anstieg der Positivgetesteten geführt. Im Mai waren es kaum mehr als 2.000 Neuinfizierungen, am Donnerstag wurden 16.703 Personen positiv getestet.

Auf den Straßen Londons bekommt man davon nichts mit. Freundesgruppen sitzen in den Parks eng beisammen, die Pubs sind abends ausgebucht und die Theater bereiten sich auf die vollständige Öffnung ihrer Häuser im Juli vor.

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Freut sich auf Gäste (und die Italiener): Hubert Zanier

Vorsicht und Vorfreude

Wissenschaftsredakteurin Christine Horejs traut den Zahlen nicht ganz. Sie wird, um die Massen in der U-Bahn zu meiden, zum Stadion radeln – auch wenn das fast 50 Minuten dauert. Das Spiel will sie sich nicht nehmen lassen. „Ich bin zwei Mal geimpft, ich werde mich davor testen und die Maske auflassen. So etwas kann man sich nicht entgehen lassen.“

Abgesehen vom Stadion wird zumindest an zwei anderen Orten in London gemeinsam gefiebert. Die österreichische Botschaft hat ein Private Viewing auf die Beine gestellt. Und im nördlichen Stadtteil Angel werden Fans bei Kaspressknödelsuppe, Kalbsgeschnetzeltem oder Käsekrainer die österreichische Mannschaft anfeuern.

Hubert Zanier hat für sein Restaurant Kipferl zwei Bildschirme gemietet. „Nach dem Sieg am Montag haben mich so viele angesprochen, also habe ich etwas auf die Beine gestellt“, sagt er. Das Lokal war schnell ausreserviert.

Sollte Österreich tatsächlich gewinnen, würde er die Fernseher länger ausborgen. Jedoch: „Natürlich wäre es nett, wenn Österreich weiterkommt, aber eigentlich haben wir schon gewonnen.“ Nachsatz: „Und sonst halt ich eigentlich meist zu Italien.“

Sieben Jahre berichtete Anna-Maria Bauer im Wien-Ressort des KURIER über das pralle Großstadtleben – von der Gastronomie bis zum Tourismus. Aus einer Bildungskarenz wurde dann 2021 ein dauerhafter Auslandsaufenthalt. Für den KURIER berichtet sie aber auch aus ihrer neuen Heimat England: zum Beispiel über die Beisetzung von Prinz Philip, aber auch über die Fußball-EM 

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