Als Deislers WM-Traum platzte

Vor zehn Jahren verlor Österreich gegen Deutschland 2:6. In Erinnerung blieb ein Zweikampf.

Es war im Mai 2002. Deutschland hatte sich Österreich als Testpartner ausgesucht. Die Zuschauer in Leverkusen raunten, als Sebastian Deisler einen Traumpass über fast 50 Meter aus dem Fußgelenk schüttelte. Deisler war der Hoffnungsträger des deutschen Fußballs. Deshalb stockte den Zuschauern auch der Atem, als er sich wenige Minuten später mit Schmerzen auf dem Boden krümmte.

Es war die 22. Minute, als er ungestüm in einen Zweikampf mit Rolf Landerl ging. Deutschland gewann 6:2, doch das Ergebnis war Makulatur. Denn Deisler verpasste wegen einer Knieverletzung die WM in Japan/Südkorea und beendete fünf Jahre später die Karriere. Was mit dem Österreicher passierte, ging unter im Deisler-Jammer. Rolf Landerl absolvierte damals sein erstes und einziges Länderspiel und wurde schwer an der Schulter verletzt. Im Internet liest sich die Erinnerung an die Ereignisse so: "Harmloser Zweikampf", "böses Foul" oder "Deisler foulte selbst".

Wo liegt nun die Wahrheit?

Österreichs Pechvogel

Rolf Landerl kommt in die Cafeteria der Sportschule Lindabrunn, wo er den Trainerkurs für die UEFA-A-Lizenz macht. Die blauen Augen leuchten. Der Co-Trainer des U-18-Teams der Admira geht in der burgenländischen Landesliga in St. Margarethen noch immer aktiv seiner Leidenschaft Fußball nach. Mit Ehrgeiz. "Einen Sitzer habe ich vergeben", erzählt der 36-Jährige vom letzten Meisterschaftsspiel.

Herr Landerl, wie lebt es sich als der Mann, der die Karriere von Sebastian Deisler zerstört hat?
Rolf Landerl:
Als ich in Lübeck in der deutschen Regionalliga gespielt habe, wurde ich auch immer wieder darauf angesprochen. Damit muss ich wohl leben. Ich war halt zur falschen Zeit am falschen Ort. Es war ja eigentlich ein Foul von ihm an mir.

Ihre Nominierung kam damals überraschend.
Für mich war das Länderspiel ein absolutes Highlight. Ich war in Sittard Spieler des Jahres. Es war meine fünfte Saison in Holland, ich habe dort 150 Spiele absolviert, war aber medial nicht präsent. Dann hat mich der Assistent von Teamchef Krankl beobachtet.

Und das Spiel?
Die Aufstellung war nicht ganz glücklich. Deutschland war voll im Saft, hat in Leverkusen das letzte Heimspiel vor der WM bestritten. Wir spielten mit drei Leuten hinten und einer Fünferkette im Mittelfeld, wo ich auf der linken Außenbahn gespielt habe. Aber ich war fast linker Verteidiger, hatte alle Hände voll zu tun mit so dynamischen Typen wie Klose, Jeremies und Deisler.

Und Minute 22?
Es war ein Foul von Deisler. Ich habe mich an der Schulter verletzt. Ich habe gleich gewusst, dass es etwas Ärgeres ist, habe aber aus Ehrgeiz weitergespielt und bin erst in der Pause gegangen. Die Gelenkskapsel war teilweise gerissen. Ich musste fünf Monate Reha machen, fehlte lange bei meinem neuen Klub Groningen.

"Es hat sich keiner erkundigt, wie es mir geht"

Sie sind ein einmaliger Teamspieler geblieben.
Danach hat sich vom ÖFB nie wieder jemand gemeldet. Es hat sich auch keiner erkundigt, wie es mir geht. Das ist wohl typisch österreichisch, dass man in eine Schublade geschoben wird.

Haben Sie jemals Kontakt zu Sebastian Deisler gehabt?
Nein. Ich hatte ja keine Schuldgefühle. Und ich hatte nach dem Spiel genug mit mir selber und meiner Situation zu kämpfen. Ich bin mir nicht sicher, ob Deisler weiß, dass auch ich mich damals schwer verletzt habe.

Schmerzt es Sie, wenn Sie im Internet lesen: "Ein Globetrotter und in der Versenkung verschwundener Fußballer hat Deisler verletzt"?
Wenn ich mich wohlgefühlt habe, bin ich länger geblieben. Angefangen hat die Globetrotterei mit der Entscheidung, nach Portugal zu gehen. Aber dadurch habe ich sechs, sieben Sprachen gelernt und das zu meinem Hobby gemacht. Außerdem habe ich in Lübeck eine Ausbildung zum Gesundheitstrainer absolviert.

In Sopron haben Sie mit Giuseppe Signori gespielt, der Jahre später im Zuge eines Wettskandals verhaftet wurde und noch immer in Italien Berufsverbot hat.
Ich kann nicht beurteilen, was er gemacht hat. Beppe ist ein toller Kerl. Ich bin mit ihm damals von Wien nach Sopron gependelt, wenn er da war. Er flog Sonntag heim nach Italien, kam am Mittwoch wieder zurück. Wenn wir in Wien zu einem Italiener gegangen sind, hat ihn jeder gekannt, wir mussten nicht oft zahlen. Und wenn er im Casino war, dann ist schon was weitergegangen.

Maserati

Bei der Admira, hatten Sie – fast – einen Maserati.
Präsident Pishyar hat den Torschützen ein Luxusauto versprochen. Ich hab’ das Tor zum 1:0-Sieg in Salzburg geschossen. Ein Auto habe ich nie gesehen. Ich weiß nur, dass der Manager damals eine Zeit lang mit dem Maserati vom Präsidenten gefahren ist. Der ist dann aber auch nur noch herumgestanden, vielleicht war das Benzin doch zu teuer.

Mit welchen Trainern haben Sie gearbeitet?
Bei Bratislava mit dem ehemaligen Teamchef Karel Brückner, in Sittard eineinhalb Jahre lang mit dem derzeitigen Teamchef Bert van Marwijk. Und in Streda hat uns Werner Lorant jeden Dienstag 14 Kilometer laufen lassen und nur gewechselt, wenn sich einer etwas gebrochen hat.

Trotzdem wollen Sie als Trainer arbeiten.
Ja, das taugt mir. Auch wenn ich die Wertschätzung gegenüber den Jugendtrainern vermisse.

12 Klubs: Der Globetrotter Rolf Landerl

Weit gereist Rolf Landerl wurde am 24. 10. 1975 in Wien geboren, lebt in Oberwaltersdorf, ist verheiratet und hat einen Sohn (2) und eine Tochter (4). Er spielte im Nachwuchs bei Donaufeld und Rapid. Danach kickte er bei Inter Bratislava (1994– 1997), Alkmaar (1997– 2000), Sittard (2000–2002), Groningen (2002–2004), Penafiel (2004–2005), Sopron (2005–2006), Admira (2006), GAK (2006–2007), Admira (2007–2008), Dunajska Streda (2008–2009), Schwadorf (2009), Lübeck (2009–2011) und St. Margarethen (seit 2011). Er ist Co-Trainer der U 18 der Admira.

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