329. Wiener Derby: Austria und Rapid plagen ähnliche Sorgen

Nein, Max Sax und Thomas Murg reichen sich hier nicht etwa die Hand.
Die Rivalen haben mehr gemein als ihnen lieb ist. Der KURIER präsentiert die fünf Problemfelder.

Die Ausgangslage vor dem 329. Wiener Derby (17 Uhr, KURIER.at-Liveticker) könnte durchaus eine bessere sein. Denn der Siebente empfängt den Sechsten. Sowohl die Austria als auch Rapid wandeln, wie schon in der Vorsaison, am ominösen Strich, der im Frühjahr Meisterrunde und Qualifikationsrunde voneinander trennt.

Auf den ersten Blick einen die Personalsorgen die einstigen Wiener Großklubs. Die Austria muss erneut in der Innenverteidigung improvisieren, Rapid bangt nach fünf Verletzungen in der Defensive auch noch um Dejan Ljubicic. Der Sechser war während der Derby-Woche kränklich. Allerdings gibt es tieferliegende, grundsätzliche Sorgen in der Wiener Parallelwelt. Fünf Problemfelder von Violett und Grün in der KURIER-Analyse:

Liga-Start

Die Austria startete unter Neo-Trainer Christian Ilzer durchaus bescheiden in die Saison. Im Europacup hat man schon den Schlusspfiff vernommen, in der Meisterschaft steht bisher nur ein Sieg gegen aktuell besonders schwache Mattersburger zu Buche. „Natürlich haben wir uns alle viel mehr erwartet“, gesteht Ilzer, während Sportvorstand Peter Stöger an die Geduld der Fans appelliert und die Spieler vermehrt in die Pflicht nimmt. Ein Derby-Sieg könnte die Wogen in Violett für den Moment etwas glätten.

„Mit diesem Spiel können wir besonders viel gewinnen“, weiß auch Rapid-Trainer Didi Kühbauer. Da es im Verein ohnehin viel Unruhe gibt, wäre eine ruhige Länderspielpause besonders wichtig. Danach warten gleich vier Ligapartien mit Rapid als Favorit. Davor muss der jährlich wachsende Fan-Frust in Grenzen gehalten werden.

329. Wiener Derby: Austria und Rapid plagen ähnliche Sorgen

Qualität

Der Kader sei stimmig, meinte Ilzer bei seiner Präsentation. Mit diesen Spielern könne er seine Philosophie umsetzen, wenngleich er gewillt ist, sie flexibel zu adaptieren. Als Trainer hat er auch die Aufgabe, Spieler besser zu machen. Ob dies bei allen gelingt, ist allerdings fraglich, denn bei einigen beschleicht einem das Gefühl, die Austria ist für sie ohnehin schon das Karriere-Highlight.

Bis Ende August wurde am Rapid-Kader gebastelt. Das liegt zum einen an den Gesetzen des Marktes, aber auch an der unnötig späten Übergabe an den neuen Sportdirektor Zoran Barisic. Ausländische Schlüsselspieler wie Kitagawa oder Stojkovic während einer noch dazu holprig verlaufenden Saison einzugliedern, ist besonders schwierig. Fest steht, dass der Kader nicht nur kleiner wurde, sondern auch im Aufbauspiel schwächer geworden ist. Qualitäten wie von Galvao, aber auch Bolingoli oder Müldür sind von hinten raus nicht mehr vorhanden. Barisic hält dagegen: „Viele wollen es nicht wahrhaben, aber Max Hofmann hat seit Jahren nachweislich starke Werte im Aufbauspiel: Er spielt flach und präzise in den wichtigen Zwischenlinienraum.“

Finanzen

Die Banken sind gnadenlos und unverfroren, sie bestehen doch glatt auf die Zahlung der Kreditraten. Der Stadionbau hat viel Geld verschlungen, das die Austria aktuell nicht in die Verbesserung der Mannschaft stecken kann. Den Sport-Verantwortlichen sind daher die Hände gebunden, Trainer Ilzer weiß, dass er erst ab der nächsten Transferperiode im Winter wieder etwas Bewegung in den Kader bringen kann.

In Hütteldorf sollten möglichst viele Millionen für das geplante Nachwuchszentrum zur Seite gelegt werden. Ohne Europacupeinnahmen geht das aber nur mit Verkäufen wie zuletzt (Bolingoli, Müldür). Wodurch sich wieder die – zuvor gestellte – Frage nach der nötigen Qualität für künftige sportliche Erfolge stellt. Da ja auch noch der Stadionkredit zurückzuzahlen ist – wieder ähnlich wie bei der Austria – ist der Handlungsspielraum begrenzt. Durch verbesserte Nachwuchsarbeit und noch mehr Verkäufen von Eigenbauspielern soll er wieder wachsen.

Neue Hoffnungen

Fast alle bei der Austria wünschten sich Peter Stöger zurück in der Hoffnung, dass sich damit alles zum Besseren wendet. Stöger ist allerdings kein Heilsbringer, er ging auch nicht bei David Copperfield in die Lehre. Der Sportvorstand bringt bei den Violetten Ordnung und neue Strukturen in den Betrieb, die Veränderungen werden wohl erst nach einiger Zeit wirklich sichtbar werden. Geduld muss somit wieder eine Tugend eines jeden Austrianers sein.

„Geduld“ ist auch eines der Lieblingsworte von Zoran Barisic. So wie sein Gegenüber Stöger war Barisic der letzte Trainer seines Vereins, der dauerhaft Erfolg hatte. In der neuen Rolle sieht sich der Sportdirektor als Baumeister: Während Vorgänger Bickel zwei Jahre lang als Feuerlöscher im Dauereinsatz war, stehen für den 49-jährigen Wiener der dauerhafte Aufbau, die Nachwuchs-Strategie und die Absage an jede Form von Aktionismus im Vordergrund.

Fans im Nacken

Gerne zeigen die Violetten mit den Fingern auf die Kollegenschaft in Grün, wenn sich diese einige Verfehlungen leistet. Rund um das letzte Cupfinale zwischen Salzburg und Rapid sorgten allerdings die Austrianer für unrühmliches Aufsehen und verhinderten, dass das Endspiel in der Generali Arena ausgetragen wird. Trotz eines bestehenden mehrjährigen Vertrages.

Der „Rapid-Kessel“ rund um das Dezember-Derby war ein großer Image-Schaden für den Verein. Ob und welche Grenzen die Polizei dabei überschritten hat, klären die Gerichte. Dass die Fanszene auf den eigenen Verein großen Druck ausüben kann, zeigte sich zuletzt vor einem Jahr bei der „Gogo raus“-Kampagne gegen Ex-Trainer Goran Djuricin.

Not am Mann in der Derby-Defensive

Austria muss in der Innenverteidigung auf  Palmer-Brown verzichten, der in Hartberg die Rote Karte sah. Ebenso stehen fürs Zentrum der Viererkette die Langzeit-Verletzten Madl, Borkovic und Schoissengeyr nicht zur Verfügung.

Rapid fehlen Goalie Strebinger, Sonnleitner, Hofmann, Grahovac und Schick nach Verletzungen. Ljubicic (war krank) ist fraglich. Arase wurde aus Ried zurückgeholt, um den 18-Mann-Kader füllen zu können. Kitagawa könnte sein Startelf-Debüt geben. Stojkovic ist noch nicht spielberechtigt. 

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