WM-Serie, Teil 28: „Ich bin fast in jedem Job gefeuert worden“
Zinédine Zidane bekannte vor Kurzem, dass er taktisch nicht der beste Trainer sei. Und holte danach mit Real Madrid zum dritten Mal in Folge die Champions League.
Tite sagte dieses Jahr: „Ich bin fast in jedem Job gefeuert worden, den ich hatte.“ Jetzt ist er einer der erfolgreichsten brasilianischen Teamchefs der letzten Jahrzehnte. Vor dem Spiel in Österreich gab es in 20 Länderspielen nur eine Niederlage.
Tite heißt mit bürgerlichem Namen Adenor Leonardo Bachi. Er wurde am 25. Mai 1961 in Caxias do Sul im Süden Brasiliens geboren. Wegen einer Knieverletzung war seine Karriere als aktiver Fußballer kurz. So nebenbei hatte er Luis Felipe Scolari als Turnlehrer und schloss das Studium der Leibesübungen ab. Scolari, der als Teamchef 2002 mit Brasilien den letzten WM-Titel geholt hat und bei der Heim-WM vor vier Jahren im Semifinale 1:7 gegen Deutschland untergegangen ist.
Als Trainer tingelte Tite durchs Land. War bei Gremio, wurde nach zwei Jahren gefeuert. War bei Corinthians, aber nur ein Jahr. War bei International, dann wieder bei Corinthians.
War er mal wieder arbeitslos, schaute er immer wieder bei europäischen Klubs vorbei, wie 2014. Da studierte er Real Madrid unter Trainer Carlo Ancelotti.
Im August 2016 wurde er Teamchef. In Europa unbekannt, seriös, grauhaarig, 57 Jahre alt. In Brasilien ist er ein anerkannter Fußball-Lehrer. Ex-Superstar Zico: „Man hätte ihn gleich nach der Heim-WM holen müssen.“ Daheim hatte der oft Gefeuerte mittlerweile einen guten Ruf, erworben auf seiner 15. Trainerstation bei den Corinthians zwischen 2010 und 2013, wo er die Copa Libertadores gewann und auch die Klub-WM (2012, 1:0 im Finale gegen Chelsea).
Der Verband gab zunächst Dunga eine zweite Chance. Doch der verschlief den Umbau und schied bei der Südamerika-Meisterschaft früh aus. Wegen der schleppenden WM-Qualifikation wurde Tite geholt. Zehn Spiele und zehn Siege später war Brasilien als erstes Land der Welt für die WM qualifiziert. Das Credo des Trainers: Wer gewinnen will, muss auch schön spielen. Wieder sei Zico zitiert: „Man sieht wieder Spielzüge, und das liegt daran, dass die Angst, Fehler zu begehen, verschwunden ist. Das ist das Verdienst von Tite.“
Teamgeist
Tite hat das Kunststück vollbracht, dem unter Vorgänger Dunga frustrierten Neymar die Spielfreude zurückzugeben. Gleichzeitig wurde die Abhängigkeit des Teams vom Superstar verringert. Zudem hat er ein paar „Versagern“ aus dem Semifinale 2014 die Chance gegeben, sich zu rehabilitieren.
Ein Beispiel zeigt, wie der Teamchef tickt: Sponsor Mastercard, spendet für jedes Tor von Messi oder Neymar 10.000 Mahlzeiten an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Brasiliens Teamchef hält dies für „schön und großzügig“, findet aber: „Genauso groß wäre es, würden sie spenden, egal, welcher Spieler von Argentinien oder Brasilien trifft.“ Bei Tite steht der Teamgedanke im Vordergrund.
Günther Pavlovics
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