Hinter den WM-Kulissen: Ein Traum, auf Sand gebaut

Mit riesigem Aufwand musste der Boden für das Kaliningrader Stadion bereitet werden. Nach der WM soll die Arena Heimstätte eines Zweitligaklubs sein.
Die WM in Russland ist teuer - und sie wird noch lange viel Geld kosten.

Natürlich wäre es einfacher und auch bequemer, sich nur dem sportlichen Geschehen zu widmen, doch wie schon bei den olympischen Winterspielen 2014 lohnt sich auch bei der Fußball-WM in Russland ein genauerer Blick auf die Hintergründe.

Wie schon für die Spiele in Sotschi hatte die russische Regierung auch für die Fußball-WM riesige Infrastrukturprojekte angestoßen, die jedoch entweder redimensioniert werden mussten oder noch nicht fertig sind. War es in Sotschi die schwierige Beschaffenheit des Untergrundes an den Berghängen, die etwa dafür sorgte, dass die zweigleisig geplante Bahnstrecke hinauf nach Krasnaja Poljana nur einspurig gebaut wurde, sind nun wegen ungenügender Planung und komplizierter Finanzierung die neue Autobahn von Moskau nach St. Petersburg und auch die Schnellbahnstrecke von Moskau nach Kasan Fiktion bzw. nicht fertig.

Und auch die prachtvollen Stadien geben jede Menge Stoff zum Nachdenken: Seien es miserable Bedingungen für die Bauarbeiter, seien es Verzögerungen, sei es die omnipräsente Korruption, seien es sture Verantwortliche, die sich nichts sagen lassen wollen – alles wie gehabt.

Alte Fehler wiederholt

Die olympischen Sprungschanzen von Krasnaja Poljana wurden exakt an jenem Standort gebaut, von dem die Geologen abgeraten hatten. Folge: Die gesamte Anlage samt Hang geriet ins Rutschen und musste für Unsummen stabilisiert werden. Das Stadion von Kaliningrad wurde auf die Oktoberinsel gebaut, um die Arena herum soll ein neuer Stadtteil entstehen. Das Problem liegt im Untergrund, der ist nämlich ein Sumpf. Erst wurden Unmengen von Sand herangekarrt, allerdings viel weniger und nicht in der vereinbarten Qualität. Dann mussten die Betonpfähle, auf denen die Arena ruht, wiederholt verlängert werden, weil 24 Meter nicht lang genug waren. Wenig überraschend verdoppelten sich die Baukosten auf rund 235 Millionen Euro – für ein Stadion mit 35.200 Plätzen, das künftig den Zweitligisten Baltika beherbergen soll. Zum Vergleich: Rapids Allianz Stadion hat knapp 45 Millionen Euro gekostet.

Andere Stadt, ähnliches Bild: 2007 war der Grundstein für das neue Stadion von St. Petersburg gelegt worden, 2008 hätte es fertig sein sollen. Fünf Jahres später besichtigte Premierminister Dmitri Medwedew die noch immer im Baustellenstatus befindliche Arena und war entsetzt: „Das ist nicht nur eine Langzeitbaustelle, das sieht beschämend aus.“ Zum Confederations Cup 2017 war das Stadion immerhin fertig, was auch an eher ungewöhnlichen Helfern lag – 110 nordkoreanische Arbeiter schufteten zum Billigtarif, andernorts waren es Tadschiken und Kirgisen.

Statt 190 Millionen Euro kostete die Arena schließlich mehr als eine Milliarde, das ist Weltrekord für ein Fußballstadion – und immerhin auch eine Leistung.

Schadenersatz

Schließlich wurde es selbst dem Sportministerium zu bunt, die Behörde reichte im Frühjahr Klagen gegen mehrere Baufirmen ein. Angesichts von Gesamtkosten für die WM von rund elf Milliarden Euro freilich in bescheidenem Rahmen: Drei Milliarden Rubel Schadenersatz sollen eingeklagt werden – 41 Millionen Euro.

Es sind vor allem Oligarchen, die von der WM profitieren. Die Baufirma Stroitransgas etwa, die die Stadien in Wolgograd und Nischni Nowgorod gebaut hat, gehört Gennadi Timtschenko. Das ist einerseits bemerkenswert, weil der St. Petersburger als Vertrauter von Staatspräsident Wladimir Putin gilt, und andererseits, weil er auf westlichen Sanktionslisten steht. Sein Unternehmen ist einer der großen Profiteure des russischen Pipelinebaus, sein Vermögen von 13,8 Milliarden macht ihn immerhin zum fünftreichsten Russen.

Vergeben wurden all die Aufträge freilich nicht per Ausschreibung, sondern über Erlässe des Präsidenten (dem ja inzwischen auch ein Milliardenvermögen nachgesagt wird) und mittels Regierungsverordnungen.

Und die WM wird noch lange in den Staatskassen nachhallen: Für sieben der elf Ausrichterstädte soll staatliche Hilfen fließen, damit die Arenen erhalten werden können, jeweils zwischen 2,5 und 6,5 Millionen Euro pro Jahr.

Wenig Einnahmen

Überhaupt, der Staat und die ihm nahestehenden Betriebe: Ohne Großsponsor kann sich kaum ein Klub in der Premjer Liga halten, alle Vereine zusammen erlösen aus den TV-Rechten pro Saison gerade einmal 21 Millionen Euro – Österreichs Bundesligisten kassieren ab der kommenden Saison rund 35 Millionen Euro.

Das Geld aus der Staatskasse ist auch bitter nötig: Sotschi hat nicht einmal einen Profi-Fußballklub, in Saransk soll nach der WM der örtliche Drittligist (!) einziehen. Nach Wolgograd, Kaliningrad, Nischni Nowgorod und Samara kommen zwischen 1000 und 5000 Fans, um Zweitligaspiele zu verfolgen, in Jekaterinburg und Rostow sind es 4500 bzw. 9000 in der obersten Spielklasse – das reicht bei Weitem nicht.

Der Fußball-Weltverband FIFA hat mit dieser WM auch keine allzu große Freude: Gerade einmal die Hälfte der Sponsorenpakete haben Abnehmer gefunden, bei der letzten WM in Brasilien war das schon Jahre vor der Eröffnungsfeier erledigt. Die Kombination aus Skandalverband und schwierigem Gastgeber (Ostukraine-Krieg, ermordete Journalisten und Exil-Russen, Krim-Annexion, Staatsdoping, ...) macht das Sponsoring in Zeiten der sozialen Medien für Firmen zum Risiko. Zudem ist es ein wenig attraktiver Markt: Herr Iwan Normalrusse hat wenig Geld.

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