Serbien äußerte Betrugsvorwürfe und Verschwörungstheorien

Der Verband sendete ein offizielles Protestschreiben an die FIFA, die nach dem Spiel gegen die Schweiz stark beschäftigt ist.

Abstruse Betrugsvorwürfe, Verschwörungstheorien und brisante Aussagen - das hitzige WM-Duell zwischen Serbien und der Schweiz mit seiner politischen Dimension ruft den Fußball-Weltverband ( FIFA) auf den Plan. In einem am Sonntag veröffentlichten offiziellen Protestschreiben an die FIFA beklagte sich der serbische Verband (FSS) über zahlreiche Ungerechtigkeiten.

Die Serben prangerten den deutschen Schiedsrichter Felix Brych, den mangelnde Einsatz des Videobeweises und den umstrittenen Torjubel der Schweizer an. Die FIFA hatte zuvor Disziplinarverfahren gegen die Schweizer Nationalspieler Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka sowie eine Voruntersuchung gegen Serbiens Trainer Mladen Krstajic eingeleitet.

Die beiden Schweizer Profis mit kosovarischen Wurzeln hatten nach ihren Toren zum 2:1-Sieg am Freitag mit den Händen den doppelköpfigen Adler geformt, der die Flagge Albaniens ziert. Serbien erkennt den Kosovo nach wie vor nicht als eigenständiges Land an.

Krstajic muss mit einer Strafe für seine verbale Entgleisung rechnen, mit der er Brych verunglimpfte. "Ich würde ihn nach Den Haag schicken, damit man ihm den Prozess macht, so wie man uns den Prozess gemacht hat", hatte der Ex-Profi der deutschen Bundesliga erklärt. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Serben wegen schwerster Verbrechen während der Kriege beim Auseinanderbrechen Jugoslawiens (1991-1999) verurteilt.

Allein gegen die Welt

Die Serben vermuten einen Komplott: "Der FSS hat heute bei der FIFA eine Beschwerde eingereicht nach der parteiischen Entscheidung des deutschen Schiedsrichters Felix Brych", hieß es in einer Mitteilung am Sonntag. Videoaufnahmen würden belegen, "dass wir in diesem Match schweren Schaden erlitten haben". Zudem beklagte die FSS, dass in Brych ein deutscher Schiedsrichter für das Spiel angesetzt wurde.

Für alle Versäumnisse habe man der FIFA Beweise vorgelegt, hieß es weiter. Auch sei unverständlich, dass die Videotechnologie anders als in anderen Partien bei strittigen Szenen nicht zum Einsatz gekommen sei. "Wir fragen, warum Serbien die einzige Auswahl ist, zu deren Schaden der Schiedsrichter entschieden hat, die umstrittene Situation zu ignorieren." Es stelle sich Frage, "ob mit zweierlei Maß gemessen wird und ob der Videoassistent nur selektiv genutzt wird".

Nach Ansicht der Serben hatte Brych dem Team in der 66. Minute bei einem Zweikampf von Aleksandar Mitrovic mit Stephan Lichtsteiner und Fabian Schär zu Unrecht einen Elfmeter verweigert. Zu einer Überprüfung durch das Team um die Video-Assistenten Felix Zwayer und Bastian Dankert kam es nicht, weil keine klare Fehlentscheidung vorlag.

"Opfer eines brutalen Raubüberfalles"

Schwere Vorwürfe erhob Serbiens Verbandschef Slavisa Kokeza. In einem BBC-Interview sprach er davon, man sei "Opfer eines brutalen Raubüberfalles" geworden. Der FIFA warf er vor, die Ungerechtigkeiten gegen Serbien seien von Offiziellen "direkt" gesteuert. "Ich denke nicht, dass es nur um den Videobeweis geht, sondern dass die ganze Sache von den Leuten gesteuert wurde, die Schiedsrichter ernennen", sagte Kokeza. "Europa und der Welt ist klar, dass Serbien brutal ausgeraubt wurde." Den Doppeladler-Jubel von Xhaka und bezeichnete er als "skandalös und beschämend".

Serbische Medien verbreiteten allerhand Verschwörungstheorien, die am Sonntag in abstrusen Bestechlichkeitsvorwürfen gipfelten. Die Boulevardzeitung Kurir schrieb: "Wir decken auf, wer der Betrüger Felix Brych ist. Der Deutsche, der Dieb!"

Debatten in der Schweiz

In der Schweiz löste der Torjubel wegen der politischen Dimension ebenfalls Debatten aus. Nachdem sich der Schweizer Verband (SFV) hinter seine Spieler gestellt hatte, nahmen auch Politiker die beiden England-Legionäre in Schutz. "Wer die aufgeladene Stimmung miterlebt hat, kann verstehen, wenn die Emotionen mit einem Spieler durchgehen", sagte Verteidigungs- und Sportminister Guy Parmelin der Zeitung NZZ am Sonntag.

Xhaka und Shaqiri hatten ihre Gesten mit ihren großen Emotionen begründet. "Es ging hier nicht um Politik, sondern um Fußball", versicherte Shaqiri nach seinen Siegtor in der 90. Minute. Und Xhaka, dessen Vater in den 80er Jahren bei Protesten im Kosovo gegen die Zentralregierung festgenommen worden war und drei Jahre in einem serbischen Gefängnis saß, erläuterte: "Für mich war es ein ganz spezielles Spiel. Tausende Leute, Familie aus der Schweiz, aus Albanien, aus dem Kosovo haben zugesehen." Der Jubel sei keine Botschaft an den Gegner gewesen: "Das waren Emotionen pur!"

Die Schweizer erwarten eigentlich keine Sanktionen gegen das Duo. Nun beschäftigt sich die FIFA, die keine politischen Statements auf dem Platz erlaubt, aber doch mit dem Fall. Laut Regel 12 wäre wegen unsportlichem Verhalten (provozierende, höhnische und aufhetzende Gesten) eine Sperre für mindestens zwei Spiele möglich. Sollten die Spieler gesperrt werden, wäre das "ein Hammerschlag", sagte SFV-Chef Peter Gilliron am Sonntag im Schweizer Quartier in Togliatti.

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