French Open: Die Ruhe vor dem Sandsturm

Dominic Thiem hat gegen Rafael Nadal die Chance auf den Finaleinzug bei den French Open. Was spricht für wen?

„Das wird der ultimative Test für ihn“, sagt Boris Becker. Der Eurosport-Kommentator, 1991 die Nummer eins der Welt, hält viel von Dominic Thiem, der heute am Court Philippe Chatrier den wohl besten Sandplatz-Spieler der Geschichte fordert (nicht vor 15.30 Uhr, live ORFeins, Eurosport). „Er spielte begeisternd gegen Djokovic, aber Nadal ist wohl noch ein Stück darüber zu stellen“, sagt Becker.

Gestern trainierte der 23-Jährige auf Court fünf. Und überaus zufriedenstellend für Trainer Günter Bresnik, der seinem Schützling ein paar Mal „ausgezeichnet“ oder „gut gemacht, Domi“ zurief („Er hatte den Ball sensationell am Schläger“). Welche Chancen hat sein Schützling im Duell der besten Sandmänner des Jahres, was könnte zum Sieg führen? Zum Bestehen des „ultimativen Tests“?

Faktor Taktik
Dominic Thiem ist der einzige Spieler, der Nadal heuer auf Sand bezwingen konnte. Der 23-Jährige weiß also, wie man Nadal in dieser Verfassung schlägt, auch, wenn es in Rom nur auf zwei Gewinnsätze ging. Der Spanier hat enormen Respekt vor Thiem und hat schon vor Rom im Finale von Madrid sein Spiel gegen Österreichs Ass umgestellt. „Dort ist er schon viel weiter nach vorne gegangen als sonst, als Thiem weit hinten stand, war auch oft am Netz“, sagt Beckers Kollege bei Eurosport, Alex Antonitsch. Nadal weiß, dass kein anderer so hart schlagen kann und mit einem so extremen Spin spielt wie Thiem. „Deshalb wird er versuchen, dass Thiem nicht in die besten Positionen kommt, vor allem, dass dieser die Rückhand über Schulterhöhe nehmen muss“, erklärt Antonitsch. „Ich habe gegen ihn in Rom aggressiver gespielt als zuvor und extrem schnell. Das möchte ich dieses Mal auch“, sagt Thiem, dessen Plus einer der härtesten Aufschläge im Circuit ist.

Faktor Platz
Rafael Nadal fühlt sich auf Court Chatrier wohl, ist dort eingespielt. „Der längere Auslauf auf diesem Court kommt ihm auch etwas zugute“, sagt Thiem-Trainer Günter Bresnik, dessen Schützling heuer vier Mal auf dem Court Lenglen spielte, einmal auf Court 1. Thiem spielte erst einmal auf dem Chatrier, das war 2014 in der 2. Runde – damals unterlag er Nadal 2:6, 2:6 und 3:6. Der Auslauf ist übrigens auch länger als in Rom.

Faktor Form
Thiem gab bislang im Turnier noch keinen Satz ab. Djokovic passierte es im 937. Karriere-Spiel zum zweiten Mal, dass er einen letzten Satz mit 0:6 verlor. „Djokovic hat viel probiert, aber am Ende wusste er nicht mehr, was er spielen soll“, sagt der Schwede Mats Wilander. Dennoch hatte Thiem mit dem Serben einen harten Brocken aus dem Weg zu räumen. Der 31-jährige Nadal spielte sich im Schongang ins Halbfinale, gab nur 22 Games im Verlauf des Turniers ab. Was bedrohlich für die Gegner klingt, aber nicht immer ein Vorteil sein muss. „Es ist alles zu einfach gegangen“, sagt Trainer-Vater Toni Nadal. „Gegen Thiem wird er erstmals richtig gefordert.“

Faktor Druck
Rafael Nadal ist 31, zwar noch lange kein Pensionist, die Zeit wird aber knapper. Der zehnte Titel in Paris ist ein großes Ziel. „Das ist der beste Rafael auf Sand, den es je gab“, sagt Toni Nadal. Vielleicht gerade deshalb ist die Verpflichtung, diesen großen Triumph noch einmal genießen zu können, größer. Bresnik winkt ab: „Er kann den zehnten Titel holen, weil er den achten und neunten schon hat. Das belastet ihn nicht.“ Thiem hat weniger zu verlieren, wird auch im Falle einer Niederlage als Held nach Österreich zurückkommen. „Er muss sich einfach sagen, er spielt am 9. Juni gegen irgendeinen Spanier. Und das tut er“, sagt Bresnik, der beeindruckt war, dass sein Schützling schon wenige Stunden nach dem Sieg über Djokovic nur von Nadal sprach.

Faktor Physis
Beide könnten problemlos über fünf Sätze gehen. "Das Plus von Nadal ist, dass er da erprobt ist, es bei den French Open schon oft gemacht hat, Dominic noch nie“, sagt Bresnik.

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