Ein Österreicher macht Djokovic Beine

Ein Österreicher macht Djokovic Beine
Österreichs Anteil an der Nummer 1: Novak Djokovic, der beste Tennisspieler, setzt auf einen Konditionstrainer aus Tirol.

Endlich daheim. Weltenbummler Gebhard Gritsch ist wieder dort, wo sein Lebensmittelpunkt liegt: in Wien. Der Familienvater ist rund 30 Wochen im Jahr mit einem Tennis-Star unterwegs. Mit DEM Tennis-Star: Seit 2009 ist der 54-jährige gebürtige Tiroler Konditionstrainer des 24-jährigen Serben und an dessen Aufstieg zur Nr. 1 der Welt maßgeblich beteiligt.

KURIER: Wie groß ist Ihr Anteil an Djokovics Erfolg?

Gebhard Gritsch: Das lässt sich kaum aufrechnen. Wir sind ein Dreierteam mit Coach Marián Vajda, Physio Milan Avanovic und mir. Das ist ein Team, das auf Verständnis und Freundschaft aufbaut. Wir bieten das Umfeld, in dem Novak immer sein Bestes geben kann.

Das Beste machte ihn heuer zum Spieler des Jahres. Was hat er verbessert in den vergangenen zwei Jahren?

Alles. Er ist mental stark und der kompletteste aller Spieler. Die Ballbeschleunigung ist viel höher geworden, der Aufschlag besser. Auch an der Fitness haben wir gearbeitet, er ist schneller, ausdauernder geworden. Auch die Balance auf dem Platz passt viel besser.

Trainiert Djokovic härter als die anderen?
Keineswegs. Er trainiert spezifischer. Ein Beitrag von uns Trainern ist, dass er mental stark ist. Er muss das Gefühl haben, er macht das Richtige. Die Grundformel für den Erfolg ist mentale Stärke.

Ist es einfach mit ihm?
Ja, weil er intelligent ist und überaus professionell arbeitet. Und er verlangt das auch von uns. Er kann sehr sauer sein, wenn er merkt, dass dem nicht so ist.

Die Spitzenspieler kritisierten zuletzt immer mehr den dicht gestaffelten Turnierplan der ATP, der kaum noch Pausen zulässt.
Die ATP steckt im Interessenskonflikt, sie wird nicht freiwillig auf Geld verzichten. Dazu will jeder sein eigenes Turnier haben. Möglicherweise könnte man beim Daviscup einhaken. Wenn dieser alle zwei Jahre austragen wird, reicht das auch. Auch der Turnierplan gehört optimiert: Paris und Wimbledon liegen zu eng beisammen.

Da bleibt ja kaum Zeit für das Training, oder?
Manchmal reicht es, wenn du den Stimulus aufrecht erhältst, um die Form zu halten. Aufbauarbeit wird in längeren Pausen gemacht.

Djokovic muss seit dem Daviscup pausieren, weil der Rücken nicht mitspielt. Er hat für das Masters-1000-Turnier in Schanghai kommende Woche abgesagt. Wie ernst ist diese Verletzung?
Sie ist ernst zu nehmen. Wichtig ist, dass er sich hundertprozentig auskuriert, damit er noch stärker zurückkommen kann.

Wie ist Novak Djokovic als Mensch?
Ein guter Typ, extrem willensstark und professionell. Wenn der Tag vorbei ist, unternehmen wir im Team Dinge, die andere auch tun. Da schaltet er ab, da gehen wir ins Kino oder Essen. Oder er hört Musik, auch klassische. Wenn du 24 Stunden nur an Tennis denkst, schwächt dich das mental ungemein.

Er hat ja den Spitznamen Joke-ovic. Berühmt sind seine Imitationen von Scharapowa oder McEnroe.
Seine Lebensphilosophie ist: Ich bin professioneller Tennisspieler, will aber dennoch Dinge tun, die mir Spaß machen.

Djokovic gilt als Sprachentalent. In welcher Sprache parlieren Sie mit ihm?
Englisch. Manchmal bittet er mich, Deutsch mit ihm zu reden, weil er die Sprache noch besser lernen will (lacht) . Er hat es ja in der Akademie von Niki Pilic in Deutschland gelernt. Dazu spricht er Englisch und Italienisch.

Djokovic ist stolzer Serbe. Ist er das Idol der Nation?

Als er Wimbledon-Sieger wurde, waren alle in Belgrad beim Empfang auf der Straße. Das Land ist arm, braucht Idole. Tennis ist in Serbien längst Nationalsport Nummer eins.

Welchen Stellenwert hat das österreichische Tennis international?
Österreich hat einen sehr guten Ruf. Das liegt an Tamira Paszek und Jürgen Melzer, aber auch an Eurosport-Kommentatorin Barbara Schett und den Turnierorganisatoren Edwin Weindorfer und Herwig Straka. Leider habe ich den Eindruck, dass die Begeisterung für diesen Sport in Österreich etwas fehlt. Überall sitzen Jugendliche vor den TV-Geräten, bei uns aber sind das eher die 50-Jährigen.

Vielleicht kann Djokovic Wunder bewirken. Ist es denkbar, dass er einmal in Wien spielt?
Möglich ist es. Er ist dort gelandet, wo Geld nicht mehr die große Rolle spielt, sondern mehr das Wohlfühlen. Novak mag Wien, auch, weil viele Serben hier leben. Es muss ins Programm passen.

Wie sind Sie eigentlich bei Djokovic gelandet?
Über die Vermittlung von Günter Bresnik. Zuvor war ich unter anderem in der Academy of Sports in Neuseeland, meine Gattin ist Neuseeländerin. Leider war ich schon zurück in Österreich, als ich eine Anfrage bekam, die All Blacks (Neuseelands Rugby-Nationalteam, Anm.) zu betreuen. Jetzt kann ich mich auch nicht beklagen.

Weltenbummler: Dr. Gebhard Gritsch

Gebhard Gritsch, geboren am 21. Dezember 1956 in Silz (Tirol), ist seit 2009 Konditionstrainer von Novak Djokovic, der derzeit pausiert (Muskeleinriss in der Rippengegend), und rund 30 Wochen in dieser Funktion im Einsatz. Zum Team gehören noch der slowakische Coach Marián Vajda und Physiotherapeut Milan Avanovic.

Zuvor war Gritsch in Neuseeland als Trainer bei der Academy of Sports tätig. Der Weltenbummler war unter anderem bereits beim Daviscup-Team der Philippinen und bei der Fed-Cup-Mannschaft von Indonesien im Einsatz. Außerdem entwickelt der Doktor der Sportwissenschaften Trainingskonzepte für Spitzensportler (Näheres unter http://tts.vc).

Privates Gebhard Gritsch kehrte 2004 nach Österreich zurück, ist verheiratet, seine neuseeländische Gattin arbeitet bei der OECD in Wien. Seine beiden Töchter leben in Wien, sind 18 und 16 Jahre alt.

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