Diskus-Hüne Weißhaidinger über Physik, Formel 1 und den perfekten Wurf

Lukas Weißhaidinger und sein Diskus am 20. Mai 2025 in der Südstadt.
Der 1,97-Meter-Mann ist seit wenigen Wochen Vater. Seine Konzentration gilt derzeit aber voll der Umstellung der Wurftechnik. Dies werde noch "einige tausend Würfe" brauchen.

2.200 Mal wird der Diskus von Lukas Weißhaidinger im Training noch durch die Luft segeln, bis der Oberösterreicher die Scheibe am 20. September bei der Weltmeisterschaft in Tokio werfen wird. 140 Kilometer wird das zwei Kilogramm schwere Wurfgerät dabei zurücklegen. Dazu kommen noch 4.300 Würfe mit Medizinbällen. Der 33-Jährige ist seit wenigen Wochen Vater einer Tochter, er ist gerade dabei, in seiner Heimat ein Haus zu bauen - und er ist mittendrin in der Vorbereitung auf die Saison, die mit dem Diamond-League-Meeting in Stockholm am 15. Juni beginnt und die in der WM gipfeln soll. Mit dem KURIER sprach der erfolgreichste Leichtathlet des Landes über ...

... seine Rolle als Vater: Natürlich ändert sich das Leben und man richtet sich nach dem Kind. Es gab Nächte, wo es nicht so viel Schlaf gegeben hat. Aber es ist eine neue Erfahrung und sie ist wunderschön. Man sieht, wie sie jeden Tag größer und schwerer wird. Und Lola war auch schon einmal beim Training dabei. 

... den Hausbau: Aktuell kommen gerade die Fenster rein. Da kann ich nicht mehr viel mithelfen. Die sollen einfach schön aufgehen und wieder zu. Die letzten Wochen waren etwas stressiger, aber aktuell kann ich mich voll auf den Sport konzentrieren. Ab 2. Juni werde ich wieder mehr Zeit in der Südstadt verbringen und ohne Kompromisse auf hohem Niveau trainieren. 

... seine Saisonplanung: Die Form in diesem Jahr soll stetig ansteigen wie eine Schanze. Den Peak wollen wir bei der WM Tokio haben. Heuer ist eine Zwischensaison. Das ganz große Ziel ist Los Angeles 2028. 

... die Weltmeisterschaft in Tokio: Es ist sehr schön, dass der Tag mit dem Diskus-Finale schon ausverkauft ist, wenn ich an die Corona-Spiele 2021 denke. Tokio ist ganz besonders für mich nach der Bronzemedaille und die Japaner sind extrem sportbegeistert. 

... technische Feinheiten: Wir haben uns viele Videos von den Großereignissen in Rom und Paris angeschaut. Da haben wir einige Dinge gefunden, an denen wir arbeiten werden. Ich muss etwas an meiner Technik verändern, um die nötigen Zentimeter nach vorne zu bringen. Aber die Abläufe sind so eingebrannt in meine Muskulatur und meine Technik ... Da brauche ich einige tausend Würfe, bis ich das rausbringe. Den Gregor (Trainer Högler; Anm.) und mich reizt genau das, diese Umstellung noch zu schaffen. Ich muss einen Hebel erzeugen wie aus einem Physik-Buch, der mehr Newton auf den Diskus bringt.

... Vergleiche mit der Formel 1: Wenn der Diskus ein Formel-1-Auto wäre, hätten wir eine ganz andere Herangehensweise. Aber der Diskus darf nicht verändert werden, der ist immer gleich. Wir können nur am menschlichen Körper und der Technik arbeiten.

... Stärken der Gegner: wir haben immer unsere Gegner beobachtet, dabei aber versucht, eigene Wege zu gehen. In den letzten Jahren sind Athleten aufgekommen, die nicht mehr 2,10 Meter groß sind, sondern eher in meiner Größe (1,97 m; Anm.) und sich im Wurfring auch dementsprechend schnell drehen. Ich habe immer schon den Anspruch gehabt, es über die Explosivität und Schnelligkeit zu machen. 

... den perfekten Wurf: Der ideale Wurf besteht aus einem lockeren Beginn. Ich bin muskulär total entspannt, der Oberkörper bekommt ganz wenig Spannung. Dann drehe ich nach vorne, setze links, wobei der rechte Fuß noch hinter der Mittellinie ist. Dann setze ich den linken Fuß so rasch, dass die Schulter maximal zur Hüfte verdreht ist. Da spanne ich den Körper auf. Das löst sich dann im Wurf auf, wenn ich meine ganze Körpermasse in die Wurfrichtung nach vorne bringe. Dabei geht die linke Hüfte nach vorne und gar nicht nach links. Da ich sehr weit vor dem Mittelpunkt bin, kann ich noch 30 Zentimeter in den Ring nachspringen, bis exakt an die Ringkante. Den Schwerpunkt setze ich so, dass ich gerade nicht nach vorne überkippe, damit der Wurf nicht ungültig wird. Den linken Fuß setze ich dann mit der Zehenspitze genau an die Ringkante. Der Wurf ist ein bisschen rechtslastig gekippt, dann fliegt der Diskus noch weiter. Und dieser Wurf gelingt bei den Olympischen Spielen in Los Angeles.

... Erfahrung: Ich bin mit meiner Erfahrung lockerer. Mir ist mehr egal. Deshalb bin ich beim Auftakt des Wurfes entspannter.

... Idealgewicht: Ich habe aktuell 141 Kilogramm. Mit 145 werde ich in den Wettkampf gehen. Mein Wohlfühlgewicht nach der Karriere würde so bei 110 liegen.

... Thermik: Es gibt Tage, da hat es am Tag davor ordentlich geregnet. Und dann ergibt sich am nächsten Tag eine tolle Thermik, die den Diskus weit fliegen lässt.

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