Die Medaille im Visier des Schützen

Die Medaille im Visier des Schützen
Thomas Farnik tritt in London zu seinen sechsten Olympischen-Spielen an. Das Podest hat er bisher stets knapp verpasst.

Stammersdorf, der hinterste Winkel von Wien. Dort, wo die Straßen bereits "Kellergasse" heißen und dahinter Wein und Gemüse wachsen. Die Zufahrt ist nur für Anrainer gestattet," HSV Stammersdorf – Sektion Schießen" steht auf dem großen Schild auf dem grünen Schiebetor, das sich nur per Chipkarte öffnen lässt.

Hier verbringt Thomas Farnik seine Vormittage, hier feilt er an seiner Form für London. Es wird seine sechste Teilnahme an Olympischen Spielen sein.

Wie ein Musiker sein Instrument, holt der 45-Jährige sein Gewehr aus dem Koffer. Derzeit testet er das Material. "Die Munition habe ich schon", sagt er. "Vor Kurzem habe ich den Schaft der Waffe getauscht, weil der alte nicht mehr gut war. Und jetzt teste ich die neue Hose."

Eine Hose testen? "Natürlich. Die ist aus schwerem Material und gibt Stabilität. Die muss perfekt sitzen." Als Sportschütze gebe es immer etwas zu tüfteln, zu basteln, zu schrauben. "Mit der Technik sollte man sich schon gerne beschäftigen."

Profi

Und das tut Farnik mit Erfolg. Mit zwölf Jahren gab der Sohn eines Sportschützen seine ersten Schüsse ab, 1997 wurde er zum weltbesten Schützen gewählt. Von 1992 bis 2008 stand er fünf Mal am Olympischen Schießstand. Doch Medaillen gab’s bisher noch nicht.

Noch. "Im 3 x 40 rechne ich mir Chancen aus", sagt er. Dabei werden aus 50 Meter je 40 Schüsse liegend, stehend und kniend abgegeben. Der Zehner, den es zu treffen gilt, hat dabei einen Durchmesser von gerade einmal einem Zentimeter. Um im Spitzenfeld zu sein, darf Farnik ausschließlich Neuner und Zehner treffen.

Beim Training funktioniert dies fast perfekt. Gut so, denn: "Manchmal spaziert ein Kitz oder ein Rehbock über den Schießstand." Die Tiere lassen sich durch das Knallen nicht stören – und haben auch nichts zu befürchten. "Ich bin ein Sportschütze und kein Jäger."

Und Farnik ist Sportler, auch wenn ihm klar ist, dass das nicht jeder so sieht. "Denn es zählen beim Schießen ganz andere leistungsspezifische Faktoren. Nur wer es selber ausprobiert hat, kann das verstehen."

Fitnesstraining ist unabdingbar. Farnik geht laufen, Tennisspielen, Radfahren, in die Kraftkammer und betreibt mentales Training. "Es geht um den Stressabbau", sagt er. "Um das richtige Aus- und Entspannen. Wenn man nervös wird und eine Körperspannung aufbaut, die man nicht merkt, trifft man nichts mehr."

Beim Schießen spürt er seinen Puls genau, im Millimeterbereich bewegt sich der Lauf des Gewehres bei jedem der bis zu 140 Pulsschläge pro Minute auf und ab. Die Kunst des Schützen ist es, zwischen zwei Pulsschlägen abzudrücken.

Amateur

Leben kann Farnik von seinem Sport nicht: 1500 Euro brutto verdient er für einen Weltcupsieg. Doch durch den Sport fand er den Zugang zum Mentaltraining. Mittlerweile arbeitet er als Mentalcoach, unter anderem mit den Eishockeyspielern der Vienna Capitals.

Als Schütze wird Farnik immer im Schatten von Eishockey-, Fußball-, oder Tennisspielern stehen. Ob er neidig auf andere Sportler ist, die mehr mediale Präsenz haben? Die Antwort kommt rasch und überraschend ehrlich: "Ja."

Karriere

Thomas Farnik (*6. Jänner 1967 in Wien) nahm fünf Mal an Olympischen Spielen teil. Bestes Ergebnis war Platz fünf im Jahr 2008. 2006 wurde er Weltmeister mit dem Standardgewehr und mit der Mannschaft sowie Weltcup-Gesamtsieger. 1997 wurde er zum Weltschützen des Jahres gewählt.

Farniks Spezialdisziplin ist der Bewerb 3 x 40. Dabei werden mit einem Kleinkalibergewehr je 40 Schüsse liegend, stehend und kniend abgegeben. Das Ziel ist 50 Meter entfernt, die Zehn hat einen Durchmesser von 10,4 mm. Der Bewerb dauert ca. 3:20 Stunden. Beruflich ist Farnik Mentalcoach.

Internet: www.thomasfarnik.at

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